Ableton Live 10: Musik-DAW angetestet

Seite 2: Neue Plug-Ins im Überblick

Inhaltsverzeichnis

Wer länger mit DAWs arbeitet, hat häufig einen ganzen Blumenstrauß von weiteren Plug-ins auf der Festplatte und nutzt eventuell kaum die internen Effekte. Deshalb ist es auch nicht schlimm, dass Live 10 nur sehr wenige neue Instrumente und Effekte mitbringt (die meisten davon in der Suite). Doch die neuen Effekte sind selbst für Anwender beachtenswert, die schon alles in ihrer Sammlung haben.

Vor allem profitieren Push-Nutzer, denn die internen Plug-ins lassen sich mit dem Controller wesentlich einfacher bedienen als externe. Aufgebrezelt wurde beispielsweise der alte EQ8, der nun per Push 2 auch den Frequenzverlauf anzeigt, sodass man Filter genauer setzen kann. Gleiches gilt für den Compressor, der nun auf dem Push-2-Display genau anzeigt, wann er absenkt. Beim Operator-Synth sieht man auf Push 2 zudem den Verlauf der Envelope-Kurven, was die Einstellung der Parameter für Attack, Delay, Sustain und Release etwas vereinfacht. Außerdem wurden auch der neue Wavetable-Synth und der Echo-Effekt für Push 2 integriert, sodass man sie direkt an den eingebauten Displays gut einstellen kann.

Der neue Wavetable-Synth der Suite ist ein echtes Klangmonster. Zwar kann er keine eigens gesampelten Wavetables verarbeiten, bringt jedoch in 11 Kategorien zahlreiche Wellenformen mit, aus denen man neue Klänge basteln kann: Mit dabei sind Sägezähne jeglicher Couleur, Formanten, Glocken, Rauschen, Verzerrungen, Piano-Sounds etc. Auf einem Table lassen sie sich nahtlos verändern, sodass ein runder Grundsound beispielsweise mit mehr Obertönen angereichert wird und aggressiver klingt. Wenn man nun die Position auf dem Wavetable mit einem LFO periodisch wechselt, entstehen schnell rhythmisch wabernde Sounds, die mit einer herkömmlichen subtraktiven Synthese nicht möglich wären. Einsetzen lassen sie sich beispielsweise für typische Wobble-Bässe im Dubstep, aber auch für andere Klangexperimente.

Der Wavetable-Synth kann zwei solcher Wave-Table als Oszillatoren überlagen und mit einem tiefen Sinus für den Sub-Bass unterlegen. Das Klangspektrum moduliert man anschließend mit einem Multi-Filter, das man beispielsweise von Hoch- auf Tiefpass umschalten kann. Fünf verschiedene Filter-Schaltkreise stehen zur Wahl, die sich zudem mit einem leichten Crunch übersteuern lassen. Über eine Routing-Matrix legt man fest, ob die Oszillatoren seriell oder parallel geschaltet werden sollen und welche Parameter die LFOs und Hüllkurven steuern.

Insgesamt ist der Wavetable-Synthesizer eine sehr potente Allzweckwaffe, die sowohl reale Instrumente imitieren als auch neue Sounds, Klangteppiche und Drohnen erzeugen kann. Zur bessere Bedienung lässt sich die Oberfläche auch auf das obere große Fenster von Live zoomen.

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Von den drei neuen Effekten hat mich der Drum Buss (sic! mit Doppel-S) am meisten beeindruckt. Er fasst speziell für elektronische Beats alles Wichtige auf einer sehr kleinen Bedienoberfläche zusammen (enthalten in Standard und Suite). Dank der neuen Funktion "Gruppen in Gruppen" lassen sich im Mixer nun endlich auch Subgruppen für mehrere Snare- oder Kick-Spuren in einer Drum-Gruppe anlegen, was vorher nur etwas mühselig mit manuellem Routing ging und nicht besonders hübsch aussah.

Der Drum Buss kann alles wichtige für die gesamte Drum-Sektion einstellen. Mit einem Drive-Regler sowie der Umschaltung von "Soft" auf "Middle" und "Hard" verzerrt er die gesamte Gruppe. Ein zusätzlicher Crunsh-Regler verzerrt noch die Mitten und Höhen. Einen passenden Kompressor bringt er auch mit. Er geht recht aggressiv zu Werke und lässt sich nicht weiter einstellen, weder beim Threshold noch bei der Ratio. Um Hihats- und Crash-Becken abzumildern und das Set im Mix weiter nach hinten zu schieben, kann ein Damp-Regler die Höhen absenken.

Ein Transients-Regler kann zudem die Anschläge betonen oder dämpfen. Er ersetzt zwar keinen kompletten Transienten-Designer, ist aber leicht zu bedienen und sehr wirkungsvoll.

Der Clou ist aber der "Boom"-Regler, der die Kick untenrum unterfüttert. Dafür musste man sonst einen Sinus-Generator mit einem Gate koppeln, das von der Kick getriggert wird. Hier genügen dazu drei Regler, um die Stärke, Tonhöhe und Länge des Sub-Signals einzustellen. Der Drum Buss zeigt einem sogar noch passend die Tonhöhe an, sodass man sehr einfach die Kick auf eine bestimmte Note stimmen kann – sehr praktisch. Zum Vergleich mit dem unveränderten Signal kann man den Output am kleinen grauen Dreieck oben rechts absenken – sonst denkt man immer, das lautere Drum-Buss-Signal sei das bessere. Übrigens ist der Drum Buss nicht frequenzneutral: Selbst wenn man alle Regler herunter dreht, hebt er Frequenzen bei 200 Hz und 4 kHz um etwa 5 dB mit kleinem Q an, sodass Mitten rund um 700 Hz im gleichen Zuge um circa 4 dB leiser werden als der Rest des Frequenzspektrums. Außdem ist stets ein Limiter aktiv, der Übersteuerung verhindert.

Ebenso gut gelungen ist der neue Delay-Effekt "Echo", der allerdings der Suite vorbehalten ist. Er hat Tricks auf Lager, die andere Delays nicht beherrschen. Wie üblich, kann er für die rechte und linke Seite getrennt Delay-Zeiten einstellen, die sich auch zum Beat mit verschiedenen Notenwerten synchronisieren lassen – inklusive Triolen und punktierte Noten. Der Clou ist jedoch, dass man neben einer Links-Rechts- und Ping-Pong-Aufteilung auch eine Aufteilung in Mitte/Seite vornehmen kann, sodass der Mono-Anteil des Delays ein anderes Timing bekommt als die Stereo-Seiten.

Über zwei Filter kann man die hohen und tiefen Frequenzen der Delays beschneiden. Deren Grenzfrequenzen lassen sich per LFO ebenso modulieren wie die Delay-Zeiten. Überaus praktisch ist der eingebaute Reverb zum Verhallen der Echos. Über die "Charakter"-Seite lässt sich noch ein Ducker einstellen, der das Echo absenkt, solange das Hauptsignal zu hören ist, sodass es weniger matscht. Noise und Wobble fügen noch den von Tape-Echos typischen Schmutz hinzu. Wenn auch das eingebaute Echo nicht ganz so aufwendig ist wie etwa der Soundtoys Echoboy oder Native Instruments Replica XT, so sorgt es doch für beachtliche Echolandschaften, die sich besonders für Dubs eignen.

Schließlich kann man mit dem neuen Pedal-Effekt der Suite noch typische Bodentreter-Verzerrungen wie Overdrive, Distortion und Fuzz hinzufügen, die auch bei Synthesizern für eine gehörige Portion Rotz sorgen.

Praktisch ist darüber hinaus die Erweiterung des Util-Plug-ins, mit der man den Bassbereich separat auf Mono stellen kann – so wie man es von einigen teuren Brainworx-Tools her kennt. Dank der eingebauten Vorhörfunktion kann man die Grenzfrenquenz sehr genau einstellen. Außerdem kann man Signale nun nicht nur um 35 db, sondern auch komplett absenken – ein unverzichtbarer kleiner Helfer.

Im Mixer von Live 10 lässt sich der normale Balance-Regler für die Stereo-Spuren (per rechter Maustaste) in einen Split-Panner umwandeln. Mit diesem kann man endlich den rechten und linken Kanal getrennt über das gesamte Stereopanorama ausrichten und kann auf separate Plug-ins wie etwa das Flux Stereo-Tool verzichten.