Achtsamkeit fürs gestresste Gehirn: Was die Forschung vom Hype hält

Achtsamkeitsmeditation soll uns zur Ruhe bringen und Stress reduzieren. Was aber tut sich eigentlich im Gehirn von Menschen, die regelmäßig meditieren?

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Lesezeit: 20 Min.
Von
  • Enno Park
Inhaltsverzeichnis

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen bequem in einem ruhigen Raum mit weichem Licht und eine Person gibt Ihnen mit sanfter Stimme und langen Pausen folgende Anweisungen: Schließen Sie die Augen und spüren Sie Ihren Atem. Achten Sie darauf, in welchem Körperteil Sie Ihren Atem wie deutlich spüren – der Nase, der Brust, dem Bauch. Spüren Sie, an welchen Stellen Ihr Körper die Unterlage berührt, auf der Sie liegen, oder den Stuhl, auf dem Sie sitzen. Spüren Sie, wie diese Unterlage Ihr Gewicht trägt. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf all Ihre Körperteile, beginnend mit dem Kopf. Wie fühlt er sich an? Riechen oder schmecken Sie etwas? Was hören Sie? Stört Sie ein Geräusch? Versuchen Sie, es nicht zu bewerten, sondern sich allein auf das Hören zu konzentrieren …

So oder so ähnlich verläuft ein typischer „Body-Scan“, eine Achtsamkeitsmeditation, wie sie seit einigen Jahren sehr populär ist. Von Kopf bis Fuß richten die Meditierenden ihre Aufmerksamkeit auf alle Körperteile und konzentrieren sich darauf, was sie wahrnehmen. Ziel der Übung ist es, die eigene Konzentration und Aufmerksamkeit zu trainieren. Die Meditierenden sollen ihren eigenen Körper, aber auch äußerliche Sinneseindrücke möglichst bewusst wahrnehmen. Statt tagträumend über Vergangenheit und Zukunft zu sinnieren, gilt es, die volle Aufmerksamkeit aufs Hier und Jetzt zu fokussieren. Zugleich sollen sie Empfindungen und Erfahrungen nicht bewerten, sondern einfach erleben und hinnehmen.

Buddhistische Meditationspraktiken haben in den letzten Jahrhunderten immer wieder Philosophen, Mediziner, Psychologen und Forscher anderer Fachrichtungen beschäftigt und inspiriert. Dabei wurde fernöstliche Meditation lange Zeit eher dem Religiösen zugeordnet, wodurch sie als nur schwer mit naturwissenschaftlichen Herangehensweisen vereinbar galt, sofern sie nicht ohnehin ganz der Esoterik zugeordnet wurde. Das hat sich gründlich geändert. Mittlerweile wird Achtsamkeitsmeditation in verschiedensten Fachdisziplinen erforscht und in Psychologie und Medizin ist allgemein anerkannt, dass sie mindestens gegen Stress hilft. Armeen von Achtsamkeits-Coaches bieten zahllose Kurse in unterschiedlichsten Kombinationen an. Achtsamkeit soll die Produktivität in Unternehmen steigern, der Gesundheit dienen und wird von Krankenversicherungen bezuschusst. Diverse Smartphone-Apps wie „Headspace“, „7 Mind“ oder „Calm“ leiten Achtsamkeitsmeditationen vollautomatisch über das Smartphone an und werden von der Stiftung Warentest positiv bewertet. Mittlerweile gehört eine einfache Achtsamkeits-App sogar zur Grundausstattung der Apple Watch.