Altos Labs: Wie Jeff Bezos und Co. das Altern besiegen wollen

Seite 3: Ein einfaches Experiment

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Im Jahr 2013 gehörte Serrano zu den ersten Wissenschaftlern, die Mäuse gentechnisch so veränderten, dass sie Yamanaka-Faktoren produzierten. Sie entwickelten alle Tumore, als ihre Zellen in ein embryonales Stadium zurückkehrten. Dennoch deutete die Arbeit darauf hin, dass die abgelaufene Lebenszeit in einem lebenden Tier umgekehrt werden könnte. "Man führt die Faktoren ein und sie bewirken das Wunder. Es ist experimentell sehr einfach, auch wenn es noch nicht verstanden wird", sagt Serrano. Die große Frage ist nun, wie man die Reprogrammierung anpassen kann, um zu sehen, ob sie Tiere sicher verjüngen kann, ohne sie zu töten – und ob der Prozess mit gewöhnlichen Medikamenten und nicht nur mit Gentechnik durchgeführt werden kann. "Meiner Meinung nach sind die Yamanaka-Faktoren für den Einsatz in der Klinik nicht realistisch", sagt Serrano. "Sie beinhalten die Einführung von Genen, von denen einige krebserzeugend sind. Das lässt sich nur schwer durch den Filter der Zulassungsbehörden drücken."

Einige Experten sind der Meinung, dass Investitionen in Anti-Aging-Techniken auch von den staatlichen Finanzierungsstellen nicht schnell genug getätigt werden könnten. "Wenn man in der Ferne etwas sieht, das wie ein riesiger Haufen Gold aussieht, sollte man sich beeilen", sagt Martin Borch Jensen, Chief Scientific Officer von Gordian Biotechnology. Um die Forschung zu beschleunigen, sagt Jensen, dass er in diesem Jahr mit Hilfe von Spendengeldern sogenannte Impetus-Zuschüsse im Wert von 20 Millionen Dollar für eine schnelle Umsetzung vergeben wird. "Es gibt jetzt eine große Wette", sagt Jensen. "Wir wollen sehen, ob die Reprogrammierung funktioniert. Mal sehen, ob molekulare Uhren als Biomarker dienen können. Wenn es funktioniert, wird das alles einen großen Einfluss haben."

Einige Forscher bezweifeln, dass die Zell-Reprogrammierung eine Technologie ist, die wirklich von Hunderten von Millionen Dollar an kommerziellen Investitionen profitieren kann. Alejandro Ocampo, der früher im Salk-Labor von Izpisúa Belmonte gearbeitet hat und jetzt Professor an der Universität Lausanne in der Schweiz ist, ist skeptisch, dass die Reprogrammierungsverfahren in absehbarer Zeit in der Medizin eingesetzt werden können.

"Das Konzept ist gut, aber es gibt gerade einen großen Hype. Es ist riskant und noch weit von der Umsetzung generell und von einer Therapie am Menschen entfernt", sagt er. Ein Problem sei, dass durch die Reprogrammierung nicht nur die Zellen verjüngt werden, sondern auch ihre Identität verändert wird – zum Beispiel, indem eine Hautzelle in eine Stammzelle verwandelt werde. Das mache die Technik zu gefährlich, um sie an Menschen auszuprobieren.

Ocampo befürchtet auch, dass zu viel Geld und zu viele Unternehmen versuchen, in den Forschungsbereich einzusteigen. "Es geht zu schnell. Ich weiß nicht, ob wir fünf bis acht Zell-Reprogrammierungsunternehmen haben sollten", sagt er. "Wie viele Arbeiten gibt es überhaupt über die Reprogrammierung in vivo? Genau so viele Unternehmen gibt es." Andererseits hat die Technik in Laborexperimenten eine unbestreitbare, wiederholbare Wirkung, wenn sie auf einzelne Zellen angewendet wird. "Man kann eine Zelle von einem 80-Jährigen nehmen und in vitro das Alter um 40 Jahre reduzieren. Es gibt keine andere Technik, die so etwas kann", sagt Ocampo.

Darüber hinaus ist die Reprogrammierung auch ein anerkannter Schlüsselprozess, der auf natürliche Weise abläuft, wenn sich eine befruchtete Eizelle in einen Embryo verwandelt und binnen neun Monaten zu einem vollständig entwickelten Baby wird. Irgendwie wird das Erbgut der Eltern gereinigt, erneuert und wieder in Gang gesetzt. Nachdem im Laufe von einer Milliarde Jahren Billionen von Tierbabys geboren wurden, kann man laut Ocampo mit Sicherheit sagen, dass "die Reprogrammierung eines der am häufigsten reproduzierten Experimente ist".

Altos wird auch mit einer verwandten Technik zur Messung des relativen Alters einer Zelle oder einer Person arbeiten. Dieses von Steve Horvath entwickelte Verfahren der biologischen Uhr umfasst die Messung der "epigenetischen" Markierungen auf den Genen. Diese molekularen Merkmale schalten Gene ein und aus, aber ihr Muster gerät mit zunehmendem Alter durcheinander. Ein solcher Biomarker für das Altern wäre ein wichtiges Mittel, um die Wirkung eines Medikaments zur Verbesserung der Langlebigkeit oder zur Umkehrung der Alterung zu messen, das gerade entwickelt wird. Es ist schwierig, eine medizinische Studie durchzuführen, die eine Lebensverlängerung nachweist, da dies zu lange dauern würde – aber ein Biomarker könnte stattdessen verwendet werden.

Es besteht auch ein enger wissenschaftlicher Zusammenhang zwischen der Alterungsuhr und der Reprogrammierung, da die Reprogrammierung offenbar durch die Umgestaltung der epigenetischen Marker im Genom einer Zelle in einen unreifen oder naiven Zustand funktioniert. Das bedeutet, dass Altos an vorderster Front an der Einleitung und Messung von Verjüngungsprozessen arbeiten wird. Bezos wird ein langjähriges Interesse an der Langlebigkeitsforschung nachgesagt – und er hat bereits in ein Anti-Aging-Unternehmen namens Unity Biotechnology investiert. Seit Monaten kursieren Gerüchte, dass der Milliardär auf dem Gebiet der Langlebigkeitsforschung einschneidende Schritte unternimmt.

MIT Technology Review konnte zwar nicht bestätigen, dass er an Altos beteiligt ist, sicher ist jedoch, dass er über das Älterwerden nachdenkt. In seinem letzten Brief an die Amazon-Aktionäre zitierte Bezos einen Absatz über Tod und Verfall, den er in einem Buch des Biologen Richard Dawkins gefunden hatte: "Den Tod abzuwehren ist eine Sache, an der man arbeiten muss... Wenn Lebewesen nicht aktiv daran arbeiten, ihn zu verhindern, würden sie schließlich mit ihrer Umgebung verschmelzen und aufhören, als eigenständige Wesen zu existieren. Das ist es, was passiert, wenn sie sterben." Bezos meinte damit, dass Nationen, Unternehmen und Einzelpersonen darum kämpfen müssten, "anders, originell und einzigartig" zu bleiben. Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, könnte darin bestehen, die Uhr der eigenen Lebenszeit zurückzudrehen.

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(bsc)