Altos Labs: Wie Jeff Bezos und Co. das Altern besiegen wollen

Der Amazon-Gründer soll Geld in das neue "Verjüngungs"-Start-up gesteckt haben. Die wissenschaftlichen Grundlagen sind spannend.

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Jeff Bezos, herzhaft lachend

Jeff Bezos wird ein langjähriges Interesse an der Langlebigkeitsforschung nachgesagt.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

Lesezeit: 16 Min.
Von
  • Antonio Regalado
Inhaltsverzeichnis

Letzten Oktober machte sich eine große Gruppe von Forschern auf den Weg zu Yuri Milners Riesenvilla in den Los Altos Hills oberhalb von Palo Alto. Sie wurden zunächst auf COVID-19 getestet und trugen dann Masken, während sie sich in einem Theaterraum auf dem Grundstück zu einer zweitägigen wissenschaftlichen Konferenz versammelten. Andere Wissenschaftler nahmen per Telefonkonferenz teil. Das Thema: Wie kann die Biotechnologie eingesetzt werden, um beim Menschen Alterungsprozesse aufzuhalten, ihn gar zu verjüngen?

Milner ist ein russischstämmiger Milliardär, der mit Facebook und Mail.ru ein Vermögen gemacht hat und die glamourösen "Breakthrough Prizes" ins Leben gerufen hat, mit denen jedes Jahr herausragende Physiker, Biologen und Mathematiker mit 3 Millionen US-Dollar ausgezeichnet werden. Doch Milners Begeisterung für die Wissenschaft hat offenbar eine neue, provokante Richtung eingeschlagen. Im Verlauf des Treffens traten Experten auf die Bühne, um radikale Versuche zur "Verjüngung" von Versuchstieren zu beschreiben.

Das Treffen bei Milner hat nun zur Gründung eines ehrgeizigen neuen Anti-Aging-Unternehmens namens Altos Labs geführt, wie mit den Plänen vertraute Personen berichten. Altos verfolgt die Technik der sogenannten biologischen Reprogrammierung, eine Methode zur Verjüngung von Zellen im Labor, von der einige Wissenschaftler glauben, dass sie auf die Revitalisierung ganzer Tierkörper ausgedehnt werden könnte, um letztlich eines Tages das menschliche Leben zu verlängern.

Das neue Unternehmen, das Anfang des Jahres in den USA und im Vereinigten Königreich eingetragen wurde, wird mehrere Institute unter anderem in der Bay Area, in San Diego, Cambridge, im Vereinigten Königreich und in Japan gründen und rekrutiert gerade eine große Zahl von Universitätswissenschaftlern mit üppigen Gehältern und dem Versprechen, dass sie ungehindert an der Frage forschen können, wie Zellen altern und wie man diesen Prozess umkehren könnte.

Einigen mit dem Unternehmen vertrauten Personen wurde gesagt, dass zu den Investoren auch Jeff Bezos gehört, der reichste Mensch der Welt, der im Juli als CEO von Amazon zurücktrat und Wochen später sein Leben riskierte, indem er in eine Raketenkapsel einstieg, um kurz mal den Weltraum zu erreichen. MIT Technology Review konnte bestätigen, dass Milner und seine Frau Julia über eine Stiftung in Altos investiert haben.

Altos wird mit Sicherheit Vergleiche mit Calico Labs anziehen, einem Unternehmen für Langlebigkeit, das 2013 von Google-Mitbegründer Larry Page angekündigt wurde. Calico hat ebenfalls wissenschaftliche Spitzenkräfte angelockt und ihnen großzügige Budgets zur Verfügung gestellt – obwohl bislang in Frage gestellt wird, ob die Google-Ausgründung große Fortschritte gemacht hat. Calico hat auch ein Labor gegründet, das sich mit Zell-Reprogrammierung befasst und in diesem Jahr seinen ersten Preprint zu diesem Thema veröffentlicht hat.

Zu den Wissenschaftlern, die sich Altos anschließen sollen, gehört Juan Carlos Izpisúa Belmonte, ein spanischer Biologe am Salk Institute in La Jolla, Kalifornien, der durch seine Forschung an der Kombination von Menschen- und Affenembryonen in Form von Chimären Berühmtheit erlangt hat und vorhersagt, dass die menschliche Lebensspanne um 50 Jahre verlängert werden könnte. Das Salk Institute lehnte eine Stellungnahme ab.

Mit dabei ist auch Steve Horvath, ein UCLA-Professor und Entwickler einer "biologischen Uhr", die das Altern des Menschen genau messen kann. Shinya Yamanaka, der 2012 den Nobelpreis für die Entdeckung der Möglichkeit der Zell-Reprogrammierung erhielt, wird ein unbezahlter leitender Wissenschaftler sein und den Vorsitz im wissenschaftlichen Beirat des Unternehmens übernehmen.

Yamanakas bahnbrechende Entdeckung war, dass Zellen durch die Zugabe von nur vier Proteinen, die heute als Yamanaka-Faktoren bekannt sind, in einen primitiven Zustand mit den Eigenschaften embryonaler Stammzellen zurückversetzt werden können. Bis 2016 hatte das Labor von Izpisúa Belmonte diese Faktoren auf ganze lebende Mäuse angewandt und dabei Anzeichen einer Altersumkehr erzielt, was ihn dazu veranlasste, die Reprogrammierung als potenzielles "Lebenselixier" zu bezeichnen. Die Ergebnisse solcher Mausexperimente waren zwar verlockend, aber auch erschreckend: Je nach Ausmaß der Reprogrammierung entwickelten einige Mäuse hässliche embryonale Tumore, so genannte Teratome, während andere offenbar eine Gewebeverjüngung aufwiesen. "Obwohl es noch viele Hürden zu überwinden gibt, ist das Potenzial enorm", sagte Yamanaka in einer E-Mail, in der er seine Rolle bei Altos bestätigte.

Man sagt, dass junge Menschen davon träumen, reich zu sein – und reiche Menschen davon, jung zu sein. Dieses Paradoxon ist eines, das Menschen wie Milner, 59 Jahre, und Bezos, 57 Jahre, sehr stark spüren. Laut Forbes ist Bezos derzeit der reichste Mensch der Welt mit einem Nettovermögen von rund 200 Milliarden Dollar. Das Vermögen von Milner wird auf 4,8 Milliarden Dollar geschätzt.

Bezos Expeditions, das Investmentbüro des Amazon-Gründers, antwortete nicht auf eine E-Mail mit der Bitte um Stellungnahme. Personen, die mit der Gründung von Altos vertraut sind, sagen, dass Milners Interesse an der Zell-Reprogrammierung ursprünglich philanthropischer Natur war. Nach dem Treffen in seinem Haus vergab eine gemeinnützige Stiftung namens Milky Way Research Foundation, die von Milner gesponsert wurde, dreijährige Zuschüsse in Höhe von einer Million Dollar pro Jahr an mehrere Langlebigkeitsforscher. Die Vorschläge wurden von einem Beirat geprüft, dem auch Yamanaka und Jennifer Doudna angehörten, die 2015 den Breakthrough Prize und 2020 den Nobelpreis für ihre Mitentdeckung der CRISPR-Genom-Editierung erhielt.