Anleitung: Mit Folding@home für die Suche nach Coronavirus-Medikamenten rechnen

Seite 2: Altes Rechenprinzip blüht neu auf

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Das Distributed-Computing-Projekt Folding@home (F@H) macht die Rechenleistung privater PCs schon seit fast 20 Jahren für Forscher nutzbar. Vorrangig geht es dabei um die Faltung von Proteinmolekülen, daher das "Folding" im Projektnamen. Und "@home" steht für das verteilte Rechnen: Viele der teilnehmenden Computer stehen in den Privathaushalten ihrer jeweiligen Besitzer. Über eine Client-Software, die es unter anderem für Windows, Linux und macOS gibt, verteilen die Server des von der US-Uni Washington geleiteten F@H-Projekts die Rechenarbeit häppchenweise. Via Internet bekommt jeder Client eine sogenannte Work Unit (WU), die er dann abarbeitet. Ist er damit fertigt, schickt die Client-Software das Ergebnis zurück und bekommt eine neue WU.

Um mehr Menschen zum Mitmachen zu bewegen, hat sich F@H ein Bonus- und Anreizsystem ausgedacht. Einerseits gibt es Bonuspunkte für die gespendete Rechenleistung, andererseits eine Rangliste; außerdem können Teilnehmer mehrere Computer unter ihrem Konto einbinden und sich mit anderen zu Teams zusammenschließen. Viele solcher Teams wetteifern miteinander um höchste Bonus-Punktzahlen – für den guten Zweck.

Die Rechenaufgaben zur Simulation der Proteinfaltung lassen sich gut in viele kleine Päckchen alias WUs packen, verteilen und wieder einsammeln. Die aktuelle Client-Version 7 enthält zwei verschiedene Simulations-Softwarepakete, die Forscher für ihre Projekte nutzen können: Die sogenannten Cores. Der Core a7 läuft auf Prozessorkernen und basiert auf der Software Gromacs, die viele CPU-Kerne und, falls vorhanden, deren AVX-Erweiterungen nutzt. Der Core 22 basiert auf OpenMM und läuft als OpenCL-Code auf Grafikkarten.

Laut dem F@H-Forum gibt es Covid-19-Projekte sowohl für CPU-Kerne (Gromacs: Projektnummern 13862, 13863, 14328, 14329, 14337, 14528 bis 14531, 14572, 14574, 14576 und 14600 bis 14602) als auch für Grafikkarten (OpenMM-Projekte 11741 bis 11781). Diese Covid-19-Projekte haben derzeit höchste Priorität. Man kann aber nirgends einstellen, sich ausschließlich an Coronavirus-Projekten zu beteiligen.

Stand 2.4.20, 15:25 Uhr befanden sich die Heise Falter auf Platz 2124 von 247.057 (mit im Screenshot: die fünf Teammitglieder mit den höchsten Punkten).

(Bild: Mark Mantel / heise online)

F@H rechnet nur mit einfach genauen Gleitkommazahlen (32-Bit Floating Point, FP32); das "doppelte genaue" FP64-Format wird derzeit nicht genutzt. Das kommt den typischen Gaming-Grafikkarten entgegen, deren FP64-Performance meistens sehr gering ist.

Laut F@H nutzt man derzeit insgesamt rund 768 PetaFlops (PFlops) an verteilter FP32-Rechenleistung, das ist mehr als die stärksten Top500-Rechner liefern. Allerdings sind Supercomputer auf FP64-Genauigkeit mit komplexeren Zahlen ausgelegt. Der (noch) schnellste Supercomputer der Welt, Summit genannt, kommt im Linpack-Benchmark auf einen Spitzenwert von etwa 200 FP64-PetaFlops. Die verbauten Tesla-V100-Beschleunigerkarten von Nvidia weisen ein 2:1-Verhältnis zwischen den Datenformaten FP32 und FP64 auf, würden theoretisch also 400 FP32-PetaFlops schaffen.

Meldungen, dass F@H die ExaFlops-Marke durchbrochen hätte, sind rein theoretischer Natur: Für die Aussagen wurden „x86-Flops“ herangezogen, die angeben sollen, wie viele Rechenzyklen die GPU-Aufgaben auf einem Prozessor benötigen würden. Demnach würde Summit 800 "x86-PetaFlops" stemmen.

Derzeit werden die F@H-Macher von freiwilligen Helfern geradezu überrannt. Es gibt Server-Probleme, sodass die bereitgestellte Rechenleistung nicht immer in vollem Umfang genutzt werden kann. Im Support-Forum versprechen die F@H-Admins Besserung und helfen bei Problemen; die Server-Kapazitäten zur Verteilung der Rechenpakete hat das Projekt seit März verdoppelt.

Wer sich an F@H beteiligt, spendet nicht nur Rechenleistung, sondern auch Stromkosten. Selbst flotte Notebooks ziehen unter Volllast durchaus 50 Watt aus der Steckdose, starke Gaming-Rechner auch 150 Watt oder gar mehr. Das kann bei Rund-um-die-Uhr-Betrieb zu erheblichen Stromkosten führen: Stromkosten mal Leistungsaufnahme mal Betriebszeiten.

Im 50-Watt-Beispiel ergibt das bei 30 Cent pro Kilowattstunde etwa 36 Cent pro Tag, also umgerechnet rund 11 Euro im Monat oder 130 Euro im Jahr. Beim 150-Watt-Boliden können knapp 400 Euro im Jahr anfallen. Nun wird zwar kaum jemand einen solchen Rechner ständig durchlaufen lassen, aber man sollte zumindest an die Stromrechnung denken.