Atomkraft: Fukushima Daiichi 12 Jahre nach dem Super-GAU

Am 11. März 2011 wurde nach einem Tsunami das Atomkraftwerk Fukushima Daiichi zerstört. Der eigentliche Rückbau hat noch nicht begonnen.

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Tanks für kontaminiertes Wasser auf dem Gelände des AKW Fukushima Daiichi

(Bild: Tepco)

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Zwölf Jahre nach dem Super-GAU im japanischen Atomkraftwerk Fukushima Daiichi in Japan wird der Rückbau der vier havarierten Reaktoren immer noch vorbereitet. Die Reaktoren werden weiterhin erkundet, der Rückbau kann nach Schätzungen noch etwa 40 Jahre dauern. Seit dem Unfall infolge eines Erdbebens vor der japanischen Küste und einem 15 Meter hohen Tsunami am 11. März 2011 hat sich zudem eine große Menge radioaktiv kontaminiertes Kühl- und anderes Wasser angesammelt, das auf dem Gelände des AKW gesammelt wird.

Dessen Betreiber Tepco war ursprünglich davon ausgegangen, dass die Lagerkapaztität der Tanks von 1,327 Millionen m³ im Sommer 2022 erschöpft sein würden. Dieser Punkt wurde wegen vergleichsweise geringer Niederschlagsmengen erst im Februar dieses Jahres fast erreicht, schildert die deutsche Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS). Bis zum Jahr 2028 sollen die eindringenden Grund- und Regenwassermengen von täglich 275 m³ auf 50 bis 70 m³ verringert werden. Dazu sollen auf dem Anlagengelände weitere Flächen versiegelt und eine neue Schutzhülle um den Block 1 errichtet werden, die verhindern soll, dass Regenwasser in das Gebäude eintritt.

Im Juli 2022 hatte die japanische Atomaufsichtbehörde NRA einen Antrag von Tepco genehmigt, das Wasser über ein Abwasserrohr ins Meer einzuleiten. Es stammt aus Niederschlägen und dem Grundwasser, zudem wird seit dem Unfall ständig Wasser durch die drei verunglückten Reaktorblöcke 1 bis 3 gepumpt. Zunächst sollte so verhindert werden, dass sich der Kernbrennstoff erneut aufheizt und weitere Schäden zu verhindern. Auch sollte das Wasser die starke Gammastrahlung abschirmen. In den Reaktorgebäuden nimmt das eingespeiste Wasser radioaktive Stoffe wie Cäsium-137 und Strontium-90 auf und vermischt sich mit Grundwasser und Niederschlägen.

Das Wasser aus den Reaktorgebäuden wird verschiedentlich gefiltert. Im Advanced Liquid Processing System (ALPS), das es mitunter zweimal durchläuft, werden ihm 62 Radionuklide entzogen, mit Ausnahme der weichen Betastrahler Tritium und Kohlenstoff-14 (C-14), wie die GRS erläutert. Da sich Tritium als radioaktives Wasserstoff-Isotop chemisch ähnlich verhält wie nicht-radioaktiver Wasserstoff und in Wassermolekülen gebunden wird, lässt es sich in industriellem Maßstab nicht entfernen. C-14 kann dem Wasser ebenfalls nicht entzogen werden. Ihm wird keine wesentlich radiologische Bedeutung beigemessen, weil dieses Nuklid nicht dazu führe, dass die für eine Einleitung ins Meer zulässige Gesamtkonzentration an Betastrahlern überschritten wird.

Die Einleitung durch ein 1 Kilometer langes Rohr soll voraussichtlich dieses Jahr beginnen. Das Verfahren wird von Tepco und der japanischen Atomaufsicht beispielsweise gegenüber der Verdampfung bevorzugt, unter anderem weil die Vorhersage als auch die spätere Messung der Verteilung der Radionuklide im Meer wegen der relativ konstanten Meeresströmungen einfacher sein soll als bei einer Verdampfung mit ihren variablen Wetterbedingungen. Tepco rechnet über die nächsten 30 Jahre, in denen das Wasser ins Meer geleitet werden soll, mit einem zusätzlichen Dosisbeitrag von etwa 0,001 bis 0,0001 Millisievert/Jahr pro Person. Das würde rund einem Tausendstel der natürlichen Hintergrundstrahlung in Japan entsprechen. Die Internationale Atomaufsichtbehörde IAEA kam nach Inspektionen vor Ort in Fukushima zu dem Ergebnis, dass die Menge des Tritiums, das im Wasser verbleibt, unter den nationalen Grenzwerten für Trinkwasser bliebe.

Tepco führt Tests mit Fischen durch, die in ALPS-behandeltem Wasser aufgezogen werden. Damit will das Unternehmen nachweisen, dass sich das Tritium in den Fischen nicht anreichert. Das Vorhaben, das Wasser in den Pazifik zu leiten, stößt nämlich auf Kritik ortsansässiger Fischer, auch in den Nachbarländern Südkorea und China sowie auch in Pazifikstaaten. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace weist darauf hin, dass sich die radioaktive Belastung im Wasser verteilt, aber der Meeresboden belastet wird. Dies geschehe bereits länger schon dadurch, dass der Regen aus den Fukushima Daiichi umliegenden Bergen und Wäldern radioaktive Partikel in die Flüsse und schließlich in den Pazifik wasche.

Zwischen dem 12. und 15. März 2011 ereigneten sich mehrere Wasserstoffexplosionen in den Blöcken 1, 3 und 4 und zerstörten sie weitreichend. In den Blöcken 1 bis 3 kam es zu Kernschmelzen, das geschmolzene Kernmaterial soll den Reaktordruckbehälter durchdrungen und sich teilweise am Boden des Sicherheitsbehälters angesammelt haben.

Block 1 des AKW soll etwa im Jahr 2027 eingehaust werden. Innerhalb der Einhausung sollen Trümmerteile und Brennelemente geborgen werden. Im Januar 2023 wurden laut Meldung von NHK mithilfe eines Roboters Proben aus dem Sicherheitsbehälter entnommen, die voraussichtlich Kernmaterial enthalten. An Block 2 wurde im Juni 2022 mit den Fundamentarbeiten für die Gerüstkonstruktion des Brennelemente-Handhabungsgebäudes begonnen.

Von dort aus sollen künftig die in Transportbehälter verpackten Brennelemente für den weiteren Transport auf ein Fahrzeug abgelassen werden können. Die Bergung der Brennelemente aus dem Lagerbecken soll in den Jahren 2024 bis 2026 geschehen vorgesehen.

In Block 3 wurde vom 14. Juni bis 19. Juli 2022 die Kühlung vollständig unterbrochen, um Leckstellen am Sicherheitsbehälter zu lokalisieren und zu untersuchen, wie sich eine langfristige Unterbrechung der Kühlung auswirkt. Dabei wurde kein signifikanter Anstieg der Temperatur am Boden des Reaktordruckbehälters festgestellt. Block 4 war am 11. März 2011 abgeschaltet, die Brennelemente befanden sich außerhalb des Reaktordruckbehälters im Brennelementlagerbecken. Bis Ende Dezember 2014 konnten alle Brennelemente aus Block 4 geborgen werden. Anschließend wurde Block 4 eingehaust.

Nach dem Reaktorunfall am 11. März 2011 waren alle 54 der zuvor in Japan betriebenen Atomkraftwerke für rund zwei Jahre abgeschaltet. Zehn Anlagen sind wieder im Leistungsbetrieb: Genkai-3 und -4, Ikata-3, Sendai-1 und -2, Takahama-3 und -4, Ohi-3 und -4 sowie Mihama-3, weitere sollen folgen.

Anfang 2023 hat die japanische Regierung beschlossen, neue Atomkraftwerke zu bauen und für bestehende AKW längere Laufzeiten zuzulassen. Statt der bislang gesetzlich vorgeschriebenen maximalen Laufzeit von 60 Jahren soll nach den ersten 30 Betriebsjahren alle 10 Jahre eine Laufzeitverlängerung geprüft und gewährt werden, wenn alle Sicherheitsanforderungen erfüllt werden. Eine Höchstgrenze für den Betrieb ist nicht vorgesehen.

(anw)