Auf dem Weg zur grünen Großmacht

Seite 3: Chinas eigener Markt für Elektroautos

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China spielt dabei eine besondere Stärke aus: den eigenen Markt. Auf das Land entfällt die Hälfte des weltweiten Absatzes an Elektroautos. Zugleich ist es die größte Herstellernation. Diesen Hebel setzt Peking ohne große Skrupel an. Im vergangenen Jahr hat das Industrieministerium beispielsweise den koreanischen Anbietern LG, Samsung und SK Innovation erhebliche Steine in den Weg gelegt. Nur Autos, in denen Batterietypen verbaut waren, die sich auf einer Positivliste befanden, erhielten die vorgesehenen Zuschüsse von mehreren Tausend Euro zum Kaufpreis. Hersteller, die am Markt eine Rolle spielen wollten, waren also gezwungen, die Produkte zu verwenden, die auf der Liste standen. Die Kriterien dafür, wer es auf die Liste schafft, waren so zugeschnitten, dass ausschließlich chinesische Anbieter dafür infrage kamen. Koreanische Batterien galten damit als unverkäuflich.

Auch die 38 Provinzen und Großstädte des Landes preschen mit jeweils eigenen Initiativen vor, um Förderung zu bekommen und in Peking gut dazustehen. Die Provinzpolitiker hoffen jeweils darauf, das große Los zu ziehen und künftig einen Weltmarktführer zu beherbergen. Dafür geben sie gern Bauland und gewähren Steuererleichterungen. Die örtlichen Unis bilden gezielt Ingenieure und Physiker aus.

Die Zentralregierung lässt diese Konkurrenz bewusst zu. "Sie ist ein wichtiger Mechanismus, um Champions zu schaffen", sagt Industrieexperte Richter. Dabei sei einkalkuliert, dass nicht alles klappt, was die Regionalfürsten anschieben. "Während ein gescheitertes Projekt in Deutschland als viel kritisierter Fehlschlag gesehen wird, probiert China mehr aus – auch wenn es kurzfristig gesehen Kapital kostet."

Als Nachteil entstehen durch diesen Ansatz leicht Überkapazitäten. Das ließ sich gut bei der Entwicklung der Solarwirtschaft beobachten: Chinas regional gepäppelten Photovoltaikhersteller hatten – von billigen Krediten angetrieben – bis 2012 so hohe Kapazitäten aufgebaut, dass sie nicht nur den einheimischen Bedarf, sondern die gesamte weltweite Nachfrage locker decken konnten. Die Preise gingen in den Keller, die deutsche Solarwirtschaft endete als Kollateralschaden.

"Das Land ist gut darin, gigantische Projekte anzustoßen", bemängelt Umweltexperte Li Shuo. Aber an kleinen Projekten scheitere es. So gebe es beispielsweise viel Potenzial für Solarpanels auf Dächern in Großstädten. Diese Minikraftwerke gerieten jedoch in den Hintergrund, während die Regierung im Westen das halbe Land mit gigantischen Stromparks pflasterte – von denen einige bis heute auf den Anschluss ans Stromnetz warten.

Auch chinesische Unternehmen wie der ehemalige Weltmarktführer Suntech aus der Stadt Wuxi wurden zahlungsunfähig. Für den Bürgermeister von Wuxi ein teurer Fehlschlag – aus Sicht der Metaplaner in Peking ein Bauernopfer.

All diese Fördermaßnahmen für erneuerbare Energien und E-Mobilität zusammengenommen, werden Experten zufolge massiv auf den Weltmarkt durchschlagen. Bei Lithium-Ionen-Batterien wird China beispielsweise 2020 einen Marktanteil von 62 Prozent haben, schätzen Analysten von Benchmark Mineral Intelligence. Die gewaltigen Produktionskapazitäten, die in den Megafabriken des Landes entstehen, werden die Preise auf dem Weltmarkt drücken, sodass am Ende nur noch vier Produktionsländer übrig bleiben. Außer China werden das der Prognose zufolge die USA, Südkorea und Polen sein, wo der koreanische Speicherspezialist LG Chem eine große Fabrik errichtet hat.

Ein erster Preisverfall bei den Akkus ist in China bereits zu beobachten. Experten von Bloomberg New Energy Finance erwarten im Jahresverlauf einen Rückgang von bis zu 40 Prozent. Der Grund: Die Regierung hat in diesem Jahr die Förderinstrumente angepasst – der Zuschuss zum Kaufpreis sinkt um 30 Prozent und soll mittelfristig ganz abschmelzen. Denn in der Praxis haben die ursprünglichen Fördermechanismen falsche Anreize gesetzt. Die Kombination aus einer Positivliste von privilegierten Herstellern und Subventionszahlungen hat die Anbieter dazu verleitet, die Preise zu hoch anzusetzen. Der Wettbewerb kam nicht richtig in Gang.

Das neue System soll wieder mehr Konkurrenz schaffen. Die effizientesten Hersteller haben plötzlich wieder Vorteile. Deshalb könnten auch ausländische Konzerne Marktanteile gewinnen – vorausgesetzt, sie produzieren in China. Für die 500 Millionen Euro teure Akku-Fabrik von Daimler im sächsischen Kamenz sind das keine guten Vorzeichen. (bsc)