Beton kann auch anders

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Gegen solche Materialermüdungen bringen Bauingenieure jetzt UHPC in Stellung – Ultra High Performance Concrete. „Der Ultrahochleistungsbeton verspricht eine Lebensdauer von 150 bis 200 Jahren, also eine etwa doppelt so lange Haltbarkeit wie konventioneller Beton“, schätzt Betontechnologe Schmidt aus Tests und Hochrechnungen. Hinzu kommt: "Weil Ultrabeton die Druckfestigkeit von Stahl erreicht, ungefähr das Vierfache von Normalbeton, benötigt man bis zu 50 Prozent weniger Material", erklärt Schmidt. "So wird insgesamt 40 Prozent weniger CO2 bei der Zementherstellung freigesetzt." Durch die hohe Verdichtung von UHPC können Feuchtigkeit, Salz und aggressive Abgase praktisch nicht mehr in den Beton eindringen. Das schützt den Bewehrungsstahl.

In UHPC bildet der Zement wie in normalem Beton beim Aushärten wenige Nanometer große, nadelartige Gesteinskristalle. Sie verzahnen sich miteinander und sorgen so für die Festigkeit von Zement und Beton. Dabei entstehen allerdings winzige Hohlräume. Beim UHPC haben die Ingenieure auch diese Hohlräume weitestgehend gefüllt – mit Flugasche aus den Filtern von Kraftwerken oder Mikrosilika, einem feinen Pulver, das bei der Chipherstellung entsteht. "Je weniger Porenraum entstehen kann, desto stabiler wird der Beton", erklärt Schmidt. Gegenwärtig erreicht UHPC eine Festigkeit von 200 Newton (rund 20 Kilogramm) pro Quadratmillimeter; das entspricht etwa viermal mehr als bei hochwertigem Normalbeton. Als „High-End“ gilt bei UHPC eine Festigkeit von über 800 Newton pro Quadratmillimeter. Auch in der Praxis ermöglicht das neue Hightech-Material besonders leichte und filigrane Bauwerke.

"Die Druckfestigkeit", so Experte Schmidt, "sorgt zudem dafür, dass Oberflächen ganz nach Bedarf gestaltet werden können, etwa spiegelglatt, filigran gerillt oder gar durchbrochen." Wie eine filigrane Spitzendecke kann die Konstruktion dann ein Gebäude umhüllen – etwa beim MuCEM-Museum in Marseille.

Während weltweit Ultrabeton-Bauten wie Pilze aus dem Boden schießen, bleibt in Deutschland das ganz große UHPC-Richtfest bisher aus. Genehmigungsbehörden legen strenge Maßstäbe für zeitraubende Einzelprüfungen an. "Verbindliche Normen werden gerade erst erarbeitet", so Schmidt. Bauherren zögern zudem, weil UHPC dreimal so teuer ist wie Beton. Doch einer Studie der Universität Kassel zufolge gleicht sich dieser Nachteil wieder aus. In der Gesamtrechnung – weniger Baustoff, längerer Lebensdauer, geringerer Wartungsaufwand – ist ein UHPC-Gebäude nicht kostspieliger als ein herkömmliches.

Richtig interessant wird es allerdings, wenn Ingenieure den Ultrabeton nicht mit Stahl bewehren, sondern mit Carbon. "Mit dem Textilbeton machen wir den Schritt zur Filigranität, Leichtigkeit und Ästhetik des Betonbaus der Zukunft", hofft Manfred Curbach, Professor für Massivbau an der TU Dresden. "Carbon Concrete Composite (C³) ist mehr als nur die reine Bewehrung – es ist eine vollkommen neue Bauweise." Dafür wurde Curbach zusammen mit seinen Forscher-Kollegen Chokri Cherif und Peter Offermann am 30. November mit dem Deutschen Zukunftspreis belohnt.

Faserbewehrte Betone werden zwar schon seit Jahrzehnten eingesetzt. Doch erst seit Kurzem gelingt es, die Fasern mit besonderen Nähwirkmaschinen zu einem Netzwerk zu verweben. Nun kann der Verbundwerkstoff seine Qualitäten voll ausspielen.

Aus bis zu 10000 Endlos-Filamenten mit einem Durchmesser von wenigen Mikrometern werden Bündel in jeder gewünschten Maschenweite erzeugt, sogenannte Rovings. Die Matte wird in den Beton eingegossen, und das Bauteil kann beliebig geformt werden, sogar dreidimensional. Nach der Aushärtung nimmt das Gewebe die auf das Bauteil wirkenden Zugkräfte auf.

Carbon werde langfristig den Stahl im Beton ersetzen, ist Curbach überzeugt. Noch aber kostet ein Kilogramm mit 16 Euro rund 16-mal mehr als ein Kilogramm Stahl. Doch die hohen Kosten werden durch Materialeinsparung kompensiert. "Die Dichte von Carbon beträgt circa ein Viertel der Dichte von Stahl", erklärt Curbach. "Sie bekommen also die vierfache Menge, wenn Sie ein Kilogramm kaufen." Hinzu kommt: Carbon ist ungefähr fünfmal so fest. "Bezogen auf seine Leistung ist Carbon also sogar günstiger als Stahl. Auf jeden Fall sind sie auf Augenhöhe." C³-Beton ist auch nicht rostanfällig. Die nötige Betonschicht kann also viel dünner sein. Während Bewehrungsstahl zum Schutz vor Korrosion von mindestens 20 Millimeter Beton überdeckt sein muss, kommt man bei der Textilbewehrung mit wenigen Millimetern aus.