Beton kann auch anders

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Welche ästhetische Architektur bei gleicher Festigkeit in der Praxis möglich ist, zeigt die Fußgängerbrücke im baden-württembergischen Albstadt-Lautlingen: Mit 97 Metern ist sie die bislang längste in Carbonfaserbeton gebaute Brücke und mit einem Gesamtgewicht von 200 Tonnen nur gut halb so schwer wie in klassischer Bauweise aus Stahlbeton.

Im Labor geht es derzeit sogar noch eleganter. Mike Schlaich von der TU Berlin hat in seiner Versuchshalle eine Carbonbrücke mit 13 Metern Spannweite errichtet. Die Carbonseile sind nur einen Millimeter dick, auf ihnen liegen Betonplatten, damit Passanten die Brücke betreten können. Möglich wären allerdings auch Holzplanken, denn sie haben keine stabilisierende Funktion. "Die Konstruktion kann das Gewicht von 100 Personen problemlos tragen", so der Forscher. Er hält 200 Meter lange Betonbrücken mit Carbonbewehrung für möglich. Um die Materialkombination weiter zu verbessern, hat Schlaich den vorgespannten Carbonbeton entwickelt. Dabei werden Textilfäden im Beton vorgespannt – ganz wie die Stahlseile beim Spannbeton "So können noch schlankere Teile gefertigt werden", erklärt er. Der Einsatz von Carbon werde noch einmal wirtschaftlicher. Auch der Rückbau sei kein Problem. Versuche zeigten, dass sich eine Carbonbewehrung vom Beton sortenrein trennen lässt.

"Festigkeitssteigerungen großen Ausmaßes wirken sich aber auch nachteilig aus", merkt Zámolyi an. "Die Sprödigkeit des Materials erhöht sich, und der Carbon bricht dann auf Querbeanspruchung leicht." Auch deshalb erkunden Materialforscher ganz neue Alternativen. Nicht nur mit Carbon, auch mit Fasern aus Glas, Aramid oder Basalt können Verbundfasergewebe für extreme Leichtbauweisen hergestellt werden.

Die kühnsten Versionen sind Baustoffe, die man wachsen lassen kann: Pilzstrukturen und Bambus. "Das Wurzelgeflecht eines Pilzes kann sehr gut Druckkräfte aufnehmen", erklärt Dirk Hebel vom Future Cities Laboratory in Singapur. "Und Bambuskomposit ist fast ebenso zugfest wie Stahl." Ob der Biobaustoff allerdings auch genauso witterungsbeständig ist, müssen Experimente erst noch zeigen. Hebel jedenfalls glaubt, dass sich mit hochfesten, natürlichen Faserverbundbewehrungen eine ganz neue architektonische Dimension eröffnet: eine grüne Betontechnologie. Der Paradigmenwechsel im Bauwesen – er hat bereits begonnen. (jle)