Blick unter die Hüllen der Venus

"Venus Express" soll die Atmosphäre des unwirtlichen Planeten untersuchen und erkunden, weshalb er sich so anders entwickelt hat als die Erde

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Lesezeit: 16 Min.
Von
  • Hans-Arthur Marsiske
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Wolken, Wolken, nichts als Wolken! Gut vierzig Millionen Kilometer ist die Venus näher an der Sonne als die Erde. Dennoch wird es hier niemals heller als an einem trüben irdischen Sommernachmittag. Nur etwa 2,5 Prozent des Sonnenlichts erreichen die Oberfläche. Das meiste wird von einem dichten, gelblichen Wolkenband ins All zurückreflektiert und lässt den Planeten auf der Erde als leuchtenden Abend- und Morgenstern erstrahlen.

Als die Venus im Jahr 1761 zum ersten Mal seit der Erfindung des Teleskops die Sonnenscheibe kreuzte, wollten die Astronomen eigentlich nur die Dauer dieses Sonnendurchgangs möglichst exakt messen, um daraus die Entfernung zwischen Erde und Sonne genauer zu bestimmen. Doch eben das gelang nicht, weil sich die Venus wider Erwarten nicht scharf konturiert zeigte, sondern von einem diffus hellen Lichtsaum umgeben war. Michail Lomonossow von der Universität St. Petersburg und sein französischer Kollege Joseph-Nicolas Delisle deuteten diesen Rand als Atmosphäre und erklärten die Helligkeit des Planeten mit einer reflektierenden Wolkenschicht. Dabei blieb es 200 Jahre lang. Für die irdischen Beobachtungsinstrumente war der Wolkenschleier undurchdringlich.

Erst die Raumfahrt ermöglichte den Blick unter die Dunstglocke. Seit 1961 haben die Sowjetunion und die USA mehr als 40 Sonden zur Venus gestartet - nicht immer mit Erfolg. Jetzt soll mit "Venus Express" erstmals eine europäische Raumsonde die rätselhafte Wolkenwelt unseres Nachbarplaneten erkunden. Jörn Helbert deutet auf seinen Computermonitor, auf dem das Schwarzweißbild eines Kraters erscheint."Das ist die Quetzalpetlatl Corona im Süden der Venus", erläutert der 36-jährige Physiker. "Wir haben sie als Ziel für Orbit 60 bis 70 vorgesehen."

Helbert ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Planetenkunde des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und bereitet das Beobachtungsprogramm für das Instrument "VIRTIS" vor. Irgendwann zwischen dem 26. Oktober und dem 25. November, wenn die Wetterverhältnisse günstig sind, soll es mit Venus Express auf einer Sojus-Fregat- Rakete vom Kosmodrom in Baikonur starten. Der Name steht für "Visible and Infrared Thermal Imaging Spectrometer". Es ist eins von sieben Präzisionsmessgeräten, die ab Anfang Juni nächsten Jahres die Venus mindestens 500 Tage beobachten sollen (siehe Grafik Seite 56). VIRTIS nutzt dabei erstmals aus dem Venus-Orbit spektrale Fenster in der Wolkendecke, die den Blick in tiefere Atmosphärenschichten und womöglich bis auf die Oberfläche erlauben.

Ähnlich wie die Venus-Atmosphäre selbst wurden auch diese Fenster eher nebenbei entdeckt. Der australische Astronom David Allen wollte im Jahr 1984 eigentlich nur eine neue Infrarotkamera testen, die er zur Beobachtung ferner Galaxien entwickelt hatte. Er richtete das Gerät auf die Nachtseite der Venus. Wider Erwarten zeigte das Strahlungsspektrum zwei deutliche Ausschläge im Bereich von 1,7 und 2,3 Mikrometern. Allen interpretierte die Daten richtig als Wärmestrahlung, die aus tieferen Schichten der Atmosphäre stammt. War es also doch möglich, durch die dichte Wolkendecke hindurchzuschauen?