Blick unter die Hüllen der Venus

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TRANSPARENTE ATMOSPHÄRE

Die US-Sonde "Galileo" begutachtete die Fenster später aus der Nähe. Am 10. Februar 1990 flog sie dicht an der Venus vorbei, um in deren Schwerefeld Schwung für die weitere Reise zum Jupiter zu holen. Bei dieser Gelegenheit wurde unter anderem das "Near-Infrared Mapping Spectrometer" (NIMS) aktiviert, das gleichzeitig eine große Zahl Bilder in verschiedenen Wellenlängen im Nah-Infrarot aufnehmen kann. Diese Bilder zeigten Strukturen in den tieferen Schichten der Atmosphäre mit einer Auflösung von etwa 50 Kilometern. Da die verschiedenen Wellenlängen die Wolkenschichten unterschiedlich weit durchdringen, konnten die Forscher aus den Daten ein dreidimensionales Bild der Atmosphäre ableiten.

Natürlich war das nur eine Momentaufnahme. Aber sie half zum einen, die von der Erde aus gewonnenen Beobachtungsdaten besser zu interpretieren. Zum anderen zeigte sie das Potenzial der beiden Infrarot-Fenster. Mit Venus Express wollen die Forscher diese Informationsquelle nun kontinuierlich über einen längeren Zeitraum ausschöpfen.

Neben den bereits von Galileo genutzten Beobachtungs- Fenstern soll VIRTIS noch nach weiteren Spektralbereichen zwischen 0,25 und 5 Mikrometern suchen, in denen die Atmosphäre durchlässig ist. "Modellrechnungen deuten auf die Existenz solcher Fenster hin", sagt Helbert. "Vielleicht gelingt es uns, aus dem Orbit direkt die Oberfläche zu betrachten." Zwar ist die Venus-Oberfläche durch Radarabtastungen mittlerweile nahezu vollständig erfasst, fotografische Aufnahmen gibt es aber bislang nur sehr wenige. Denn mit einer Oberflächentemperatur von etwa 470 Grad Celsius ist die Venus der heißeste Planet des Sonnensystems. Zugleich herrscht ein Druck, der einer Tauchtiefe von über 900 Metern in den irdischen Meeren entspricht und die meisten U-Boote zerquetschen würde. Die wenigen Sonden, die überhaupt die Oberfläche des Planeten erreichten, konnten unter diesen mörderischen Bedingungen höchstens eine Stunde lang Daten übermitteln.

SONDE AUS ERSATZTEILEN

Venus Express wird eine Landung auf dem unwirtlichen Planeten gar nicht erst versuchen. Ein so schwieriges Unterfangen wäre innerhalb des vorgegebenen, engen Entwicklungsrahmens unmöglich zu realisieren gewesen. Das Projekt ist auch so schon ehrgeizig genug: Hervorgegangen ist es aus einem Aufruf der europäischen Weltraumorganisation Esa vom März 2001, Vorschläge für Weltraummissionen einzureichen, die das für die Marssonde "Mars Express" entwickelte Design nutzen können. Weitere Bedingung: Die Mission sollte spätestens im Jahr 2005 starten - ein ungewöhnlich knapp bemessener Zeitrahmen. Die Idee, eine Sonde zur Venus zu senden, war am überzeugendsten, weil viele Instrumente verwendet werden können, die als Ersatzteile für die Marserkundung wie für die Kometenmission "Rosetta" bereits gebaut worden sind.

Eine exakte Kopie von Mars Express lässt sich aber nicht zur Venus schicken. Dafür sind die Bedingungen im Umfeld der beiden Planeten, vor allem die Temperatur- und Strahlenbelastung, zu unterschiedlich. Insbesondere im Infrarot-Bereich arbeitende Spektrometer wie VIRTIS müssen auf einer Seite der Sonde montiert werden, die stets von der Sonne wegzeigt. Das klingt einfacher, als es ist. Denn für eine optimale Datenübertragung gilt es, die Sonden gleichzeitig so auszurichten, dass ihre Parabolantennen zur Erde weisen. Beim Mars Express ist das kein Problem, da sich Erde und Sonne von dort aus gesehen immer ungefähr in derselben Richtung befinden. Die der Antenne gegenüberliegende Seite der Sonde ist folglich stets im Schatten und kann das empfindliche Spektrometer tragen. Für die Venus, die die Sonne auf einer dichteren Bahn umkreist als die Erde, gilt das nicht. Um die wärmeanfälligen Detektoren zu schützen und zugleich eine gute Kommunikation mit der Erde zu gewährleisten, musste an der Venus-Sonde daher gegenüber der Hauptantenne eine zweite, kleinere Antenne angebracht werden.

Eine weitere, durch die größere thermische Belastung erzwungene Änderung gegenüber Mars Express betrifft die Solargeneratoren, die das Gefährt mit elektrischem Strom versorgen. Die Silizium-Solarzellen der Marssonde wären einer Temperaturspanne von minus 150 bis plus 135 Grad Celsius nicht gewachsen gewesen und wurden deshalb durch weniger empfindliche Gallium-Arsenid-Zellen ersetzt. Sie versorgen die Sonde in Erdnähe mit 800 Watt Strom, produzieren im Venus- Orbit mit 1400 Watt jedoch weit mehr Elektrizität als erforderlich. Eine entsprechend modifizierte Elektronik muss diesen Energieüberschuss auffangen. Fünf Monate nach dem Start soll die Sonde in eine Umlaufbahn um die Venus einschwenken, die über die Pole führt. Einmal wird dann noch der Hauptantrieb aktiviert, um die lang gestreckte, elliptische Flugbahn endgültig auszurichten. Ihr nächster Punkt liegt etwa 250 Kilometer über der Venus-Oberfläche, ihr fernster mehr als 66000 Kilometer weit weg.