CMIS - neuer Standard für die ECM-Industrie

Seite 2: Auswirkungen

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Als SQL für das Dokumenten-Mangement lässt sich CMIS durchaus bezeichnen. Durch die Einführung von SQL als Zugriffssprache für relationale Datenbanken zu einer Zeit, als die Hersteller noch ihre proprietären Landschaften und Protokolle pflegten – ähnlich wie in der ECM-Welt – hat der Nutzen von Datenbanken erst seinen Höhepunkt erreicht und Firmen wie Oracle wuchsen zu weltweiter Größe. Die Chancen ergeben sich mit CMIS nun wieder. Unternehmen wie IBM oder Microsoft stehen daher nicht ohne Grund hinter CMIS – denn der Nutzen an Standardisierung, Interoperabilität und Funktionen ist enorm.

Viele Standards, etwa für Workflows, Geschäftsprozesse und Dokumenten-Repositorys, haben einen hohen Grad an Kompatibilität nie erreichen können. Speziell zu den vorhandenen Content-Repository-Standards wie JCR (Content Repository API for Java), spezifiziert durch die JSRs 170 und 283, besteht der Unterschied, dass CMIS keine Einschränkung auf einen speziellen Technik-Stack wie Java vorschreibt. Alle beteiligten Hersteller können den Standard auf den bestehenden Repositorys umsetzen, was einen erheblich geringeren Einsatz von Ressourcen bedeutet.

Unternehmen, die Lösungen auf der Basis von Content-Management-Systemen realisiert haben oder vorhaben, das zu tun, können die Aufgabe nun anders angehen. Ähnlich wie Anbieter von Datenbanken und anwendende Unternehmen vom SQL-Standard profitieren, brauchen sich nun die Unternehmen im ECM-Bereich nicht mehr um die technischen Aspekte der Realisierung einer Applikation kümmern und müssen genauso wenig im Kontext eines bestimmten Anwenders denken.

Sie können sich auf die Wertschöpfung und die Anforderungen des Kunden konzentrieren und nicht evaluieren, wie ihre Techniken in das Ökosystem eines bestimmten Anbieters passen. Das sind gute Nachrichten für die Anwender und Kunden, die eine Einschränkung durch die Bindung an einen Anbieter vermeiden wollen. Auf der Herstellerseite lässt sich schließlich das Risiko der Marktkonzentration reduzieren. Damit ergeben sich Chancen für kleine, aufstrebende Unternehmen, da diese nun fachlich zentrierte Lösungen anbieten können, ohne auf proprietären Repository-Schnittstellen achten zu müssen.

Derzeit lässt sich feststellen, dass auf Kundenanforderungen angepasste Techniken weit verbreitet sind. Sie kosten manchmal mehr als das Zehnfache der ursprünglichen ECM-Software-Lizenzen. Ein großer Teil des Geldes wird dabei in wieder verwendbare Applikationspakete geleitet, die wiederum für den Einsatz mit mehreren Repositorys bestimmt sind. Neue Lösungen, die Collaboration- und Social-Networking-Fähigkeiten integrieren, werden auch umfangreichen Content enthalten und genauso die von CMIS gebotenen Funktionen benötigen.Davon dürften auch Cloud-Applikationen und Content-orientierte SaaS-Produkte von CMIS profitieren.

Die Anwender des Standards können fortan Content Repositorys mit einem ähnlichen Ansatz verwenden, so wie das bei den SQL-Datenbanken der Fall ist. Sobald eine fachliche Anwendung ein Content Repository benötigt, lassen sich die Funktionen als Service buchen und verwenden, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, für welches Repository die Applikation ursprünglich ausgelegt war.

Das kann zur Entstehung von Unternehmen von der Größe der Client-Server-Unternehmen und solchen führen, die ihr Geschäft auf dem Web aufbauen. Durch die Standardisierung bleiben die Plattformen, die auf der Spezifikation basieren, voraussichtlich lange erhalten. Ähnlich war das zumindest bei Unix (bis Linux), SQL und Java.

Von CMIS profitieren viele Nutzer: Die Einführung und Integration wird einfacher, eine Migration von Repositorys lässt sich besser umgehen, und Softwarehäuser können Anwendungen entwickeln, die sich für unterschiedliche Verzeichnisse nutzen lassen. Ob alle die Chancen in vollem Umfang nutzen, wird sich erst in ein paar Jahren zeigen. Dass die Chancen aber bestehen, steht fest.

Christian Thiede
ist Sales Manager DACH bei dem ECM-Anbieter Alfresco Software, der den CMIS-Standard mit ausgearbeitet hat.
(ane)