Corona und die Sorgen der Autoindustrie

Seite 2: BMW hat die gerade Betriebsschließung verlängert

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Bei Daimler sollte eigentlich das Sparprogramm von Vorstandschef Ola Källenius Fahrt aufnehmen. Nach einem harten Jahr mit Gewinneinbruch hat der Konzern schon genug Probleme. Seit zwei Wochen steht die Produktion nun weitgehend, am Montag gehen Zehntausende Beschäftigte für zunächst zwei Wochen in Kurzarbeit. In einem Überlebenskampf sehe er Daimler nicht, sagte Källenius in einem BBC-Interview. Aber klar ist: Sehr lange darf der Zustand nicht anhalten. Zur Sicherheit hat Daimler mit mehreren Banken eine Vereinbarung über eine neue Kreditlinie von 12 Milliarden Euro geschlossen.

BMW meldete im März für knapp 20.000 Beschäftigte Kurzarbeit an. Die Produktion stoppte, voraussichtliches neues Enddatum, wie am heutigen 6. April gemeldet, ist der 30. April. Der Opel-Mutterkonzern PSA will seine 15 geschlossenen europäischen Werke bald hochfahren, konkrete Termine standen zuletzt nicht fest. Ein Konsortialkredit in Höhe von drei Milliarden Euro soll mehr finanzielle Sicherheit geben, wie der Konzern heute (6. April 2020) mitteilte.

Zahlreichen Autohäusern fehlt der Nachschub, aber dort lassen sich derzeit ohnehin kaum Kunden blicken – denn Verkaufsstellen mussten schließen. Dazu kommt die Unsicherheit der Kunden über die wirtschaftliche Entwicklung, Ökonomen erwarten eine tiefe Rezession. Auch Firmenkunden halten sich wegen der schwierigen konjunkturellen Lage zurück.

Zulieferer wie Continental ringen ebenso mit den Krisenfolgen. Im Kerngeschäft mit der Autotechnik und in der Reifensparte stehen 40 Prozent der Standorte still, in Deutschland gilt für 30.000 Menschen Kurzarbeit. Ein Sparkurs greift, Investitionen werden verschoben.

In der Wirtschaftskrise 2008/2009 legte die Bundesregierung ein Konjunkturprogramm für die Autobranche auf. Mit einer Prämie wurde der Kauf von Neuwagen beschleunigt. Mit der sogenannten, erst kürzlich erhöhten Umweltprämie versucht man, den Absatz von E-Autos in ähnlicher Weise anzukurbeln – mit bisher mäßigem Erfolg. Bratzel mahnt, die Lage sei so ernst, dass es erneut Förderprogramme geben müsse: Es dürften "starke Anreize zur Nachfragestimulation notwendig sein, um eine Wiederherstellung und Stabilisierung der Wertschöpfungskette zu ermöglichen." Hilfen zur Liquidität wollen die großen Player bisher nicht in Anspruch nehmen.

Die Ausgangslage ist anders als vor zwölf Jahren. Damals schwappte eine Bankenkrise auf den Realsektor über, heute trifft der "externe Schock" der Corona-Pandemie die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft. Die besondere Gefahr für die Autoindustrie besteht darin, dass sie schon mitten in einem teuren, kräftezehrenden Umbruch zu E-Mobilität und Digitalisierung steckt – und die Viruskrise kommt noch obendrauf.

Die Bundesregierung ist bemüht, Firmen, Jobs und Strukturen zu erhalten. Ein Stabilisierungsfonds gibt die Möglichkeit, dass sich der Staat notfalls an wichtigen Unternehmen beteiligt – intern wird für die gesamte Wirtschaft bereits vor möglichen Übernahmen durch ausländische Konzerne zum Beispiel aus China gewarnt.

Mehr alternative Antriebe sind auch deswegen unumgänglich, weil es die Hersteller mit verschärften Klimazielen zu tun haben. Seit Januar schreibt die EU als Höchstwert 95 Gramm CO2 je Kilometer im Flottendurchschnitt vor – bis 2030 soll die Grenze weiter sinken, bei Verstößen drohen Milliardenstrafen. Der VDA warnt vor Plänen der EU-Kommission, im Zuge des "Green Deal" Vorgaben für die Zeit nach 2030 nun schon weiter zu verschärfen. "Wir müssen die wirtschaftlichen Auswirkungen erst seriös bewerten, bevor wir über mögliche zusätzliche Belastungen sprechen", sagte Müller.

Optimismus in der Krise: Aber es gibt in manchen Bereichen auch Anlass zur Zuversicht – vor allem beim Blick nach China. Dort erholt sich die Nachfrage, der Betrieb ist nach dem "Corona-Monat Februar" (Volkswagen) mit heftigen Einbrüchen im wichtigsten Automarkt der Welt jetzt wieder angelaufen. Einige Hersteller versuchen zudem, mit dem zeitweisen Ausweichen auf Medizinprodukte oder Medizintechnik wie Beatmungsgeräte einen Teil der leerlaufenden Kapazitäten zu überbrücken und gleichzeitig das Gesundheitssystem zu unterstützen.

(fpi)