Das Erdbeben in Taiwan lässt die Weltwirtschaft erzittern

Weltweit sind Firmen von Chips aus Taiwan abhängig. Daran ändert sich trotz enormer Risiken wenig, wie Christof Windeck analysiert.

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Nahaufnahme eines Chip-Wafers

(Bild: c’t Magazin)

Lesezeit: 11 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die Weltwirtschaft ist stark von Halbleiterchips aus Taiwan abhängig. Das dortige Erdbeben am 3. April führte diese riskante Situation wieder einmal deutlich vor Augen. Dennoch ändert sich wenig, obwohl die Unwägbarkeiten wachsen – nicht nur wegen der Drohungen Chinas, sich Taiwan einzuverleiben.

Das Erdbeben in Taiwan am 3. April kostete mindestens neun Menschen das Leben und verletzte wohl über Tausend. Außerdem weckte es bei vielen Firmen rund um den Globus Befürchtungen, dass Lieferungen wichtiger Halbleiterchips ausbleiben oder viel teurer werden können. Denn taiwanische Firmen produzieren einen erheblichen Teil sämtlicher weltweit verkauften Chips.

Ein sehr schweres Erdbeben in Taiwan könnte daher die Weltwirtschaft hart treffen; einen Vorgeschmack darauf gab vor drei Jahren der lange anhaltende Chipmangel, der eine indirekte Folge der Coronapandemie war.

Eine Analyse von Christof Windeck

Christof Windeck ist leitender Redakteur im Hardware-Ressort von c’t. Der Elektrotechniker schreibt seit 1999 über Prozessoren, PC-Komponenten, Server, Rechenzentren, Embedded Systems, Firmware und Security. Christof Windeck (Kürzel ciw) betreut auch die c’t-Kolume Bit-Rauschen und den zugehörigen Podcast.

In Bezug auf das Erdbeben vom 3.4.2024 gaben die taiwanischen Chipfertiger schon Entwarnung: Die Schäden halten sich in Grenzen.

Doch extremere Folgen für die Chip-Lieferkette hätte ein Angriff von China auf Taiwan. Experten von Bloomberg schätzen den dadurch möglichen Schaden auf bis zu 10 Billionen Euro, nämlich rund 10 Prozent des Bruttoweltprodukts.

Eine solche Krise würde vermutlich in Europa schlagartig Massenarbeitslosigkeit und viele andere schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. Nicht nur brächen die Lieferketten zusammen, sondern auch die Exporte nach China und Taiwan. Die deutschen Autohersteller verkaufen mehr als ein Drittel ihrer neuen Fahrzeuge in China.

Trotz dieser Bedrohung sinkt die Abhängigkeit von taiwanischen Chipfirmen bisher nicht erkennbar. Und es gibt noch weitere Risiken.

In Taiwan sitzt mit TSMC (Taiwan Semiconductor Manufacturing Company) der mit riesigem Abstand marktführende Auftragsfertiger für Halbleiterbauelemente. TSMC ist der wichtigste Zulieferer für US-amerikanische Chip-Weltmarktführer wie Nvidia, AMD, Qualcomm und Broadcom, aber auch Apple. Auch Intel bestellt dort viele Chiplets. Mit UMC sitzt noch ein weiterer großer Chip-Auftragsfertiger (Foundry) in Taiwan, zudem gibt es mehrere Fabs für DRAM-Speicherchips.

Eingang zur Fab 6 von TSMC in Tainan, Taiwan.

(Bild: TSMC)

Die zweite führende asiatische Chip-Nation ist Südkorea, vor allem wegen Samsung Semiconductor / Foundry und SK Hynix. Samsung ist die weltweit zweitgrößte Chip-Foundry und zugleich Marktführer bei DRAM- und NAND-Flash-Speicherchips, SK Hynix ist bei Speicherchips die Nummer zwei vor Micron aus den USA.

Die Chip-Dominanz von Taiwan und Korea ist kein Zufall, sondern Ergebnis jahrzehntelanger staatlicher Förderung, auch mit hohen Subventionen.

Zumindest in Taiwan hat der Chip-Fokus ausdrücklich auch das Ziel, die USA und andere westliche Nationen als Schutzmächte an das Land zu binden. Denn Taiwans gigantischer Nachbar China sieht den Inselstaat als abtrünnigen Teil seiner selbst und droht immer wieder mit der Invasion. Südkorea wiederum hat den bedrohlichen Nachbarn Nordkorea. Wegen der Bedeutung der Chips für den Weltmarkt, aber auch wegen der geopolitischen Lage der beiden Länder haben die USA ein starkes Interesse, sie zu schützen.

Sieben der zehn weltweit größten Chipfirmen kaufen bei TSMC in Taiwan zu; bei Intel und STMicroelectronics ist es aber nur ein Teil der Chips und Chiplets.

(Bild: Gartner, c’t Magazin)

China selbst spielt als Zulieferer von Chips für den Weltmarkt vom Umsatz her keine große Rolle. Es gibt dort zwar erhebliche Fertigungskapazitäten, aber die bedienen vor allem den lokalen Markt. Trotzdem ist Elektronik aus China essenziell für die Welt: Von dort kommt ein großer Teil der billigeren, einfacheren Bauelemente, etwa simple Widerstände, Kondensatoren und Mikrocontroller. Auch Knappheit bei diesen Bauteilen stört die Lieferkette, wie sich schon mehrmals zeigte. Und China setzt seine Marktdominanz strategisch ein, auch das ist kein Hirngespinst.