Das Erdbeben in Taiwan lässt die Weltwirtschaft erzittern

Seite 2: Schwache EU-Anstrengungen

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Die plötzliche Knappheit an Chips 2021 beschleunigte die trägen EU-Prozesse. Denn sie machte einer breiten Öffentlichkeit (wieder einmal) klar, was Fachleute seit Jahrzehnten wissen: Die Chip-Lieferketten sind fragil, obwohl Chips für viele Wirtschaftsbranchen unverzichtbar sind.

"Nearshoring" ist eine angedachte Lösungsmöglichkeit, also mehr lokale Fertigung von Halbleiterbauelementen. Dabei ist Europa in den vergangenen Jahren immer weiter abgerutscht. Es gibt in der EU zwar zahlreiche Chip-Werke (Fabs) sowie mit STMicroelectronics einen der zehn umsatzstärksten Chipfirmen der Welt. Infineon gehört zu den 20 weltweit größten, zudem sitzen hier etwa noch Bosch, NXP, Auftragsfertiger wie Globalfoundries, Intel und X-Fab sowie wichtige Zulieferer wie ASML. Doch der Umsatzanteil der Chipfertigung in Europa liegt unter 10 Prozent des Weltmarkts.

Sehr schnell erschollen 2021 Reden, laut denen die Chipfertigung in Europa durch Subventionen wachsen sollte. Die Umsetzung zog sich dann aber noch zwei lange Jahre hin, erst 2023 wurde der European Chips Act nach dem Vorbild des US Chips Act verabschiedet. Und die EU lobt nur einen Bruchteil der Subventionen aus, die die USA herausfeuern. Das ist kein guter Start, wenn man genau weiß, dass es um ein Wettrüsten der Subventionen geht.

Thierry Breton, EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen, im Mai 2023 auf der IMEC-Veranstaltung ITF World in Antwerpen.

(Bild: c’t Magazin/Christof Windeck)

EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton will den Umsatzanteil der europäischen Chipfertigung bis 2030 auf 20 Prozent des Weltmarkts hochtreiben. Dafür braucht es Abermilliarden an Investitionen, weil auch Taiwan und Korea die Fertigung weiter ausbauen. Über die nächsten zehn Jahre wollen die dort ansässigen Chip-Giganten insgesamt mehr als 500 Milliarden US-Dollar investieren. In den USA geht man von rund 200 Milliarden aus. Daneben sehen die 43 in der EU erhofften Milliarden winzig aus.

Die Fabs für die Chips mit den feinsten Strukturen – zurzeit werden Bauelemente der 3-Nanometer-Klasse produziert – sind die jeweils teuersten, Intel plant für zwei Fabs in Magdeburg mit über 30 Milliarden Euro. Mit diesen Chips lässt sich aber auch pro Wafer am meisten verdienen.

Breton plädiert dafür, dass auch modernste Chips in der EU produziert werden – obwohl bisher nur wenige Firmen in der EU solche Chips entwickeln und in ihre Produkte einbauen. Breton geht es darum, mit anderen starken Chip-Nationen auf Augenhöhe verhandeln zu können.

Trotzdem steckt die EU in dieses Projekt nur wenige "frische" Milliarden, sondern widmet im Wesentlichen Mittel um und erlaubt vor allem den einzelnen Mitgliedsstaaten höhere nationale Förderquoten.

Donald Trump bei einem Besuch einer Schiffswerft in Wisconsin 2020

(Bild: Weißes Haus)

Schon vor 2021 hatte die EU Anstrengungen verstärkt, die hiesige Chip-Branche zu stärken – und zwar vor allem unter dem Eindruck der US-Regierung von Donald Trump. Denn der zog nicht nur gegen China in einen Handelskrieg, sondern auch gegen Europa, getreu seinem Motto "America First!".

Die Angst davor, dass die US-Regierung den Export von Chips für europäische Supercomputer und Autohersteller beschränken könnte, war etwa eine wesentliche Triebfeder für die European Processor Initiative (EPI). Mit dem Brexit brach der EU auch der lokale CPU-Champion ARM mit Sitz in Cambridge weg, daher setzte man zusätzlich aufs RISC-V-Pferd als alternativen CPU-Befehlssatz.

Als Atommacht ist Frankreich besonders stark an möglichst hoher Autonomie bei Supercomputern interessiert – keine Kernwaffen ohne Simulation. Digitale Souveränität bedeutet in diesem Zusammenhang, Hardware fürs High-Performance Computing (HPC) im eigenen Land oder Bündnis fertigen zu können.

Dazu kommt, dass Frankreich den USA und auch den dortigen IT-Konzernen deutlich kritischer gegenübersteht als etwa Deutschland und andere EU-Länder. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron plädiert häufig für eine stärkere EU, etwa auch bei der Rüstung.

(Bild: EPI)

Der Franzose Thierry Breton war einst Firmenchef sowohl von Bull als auch Atos, die traditionell Supercomputer fürs französische Militär liefern. Breton dürfte den Halbleitermarkt sehr viel besser kennen als das Gros der europäischen Politiker. Es ist aber wohl auch kein Zufall, dass das bei EPI führende Unternehmen SiPearl in Frankreich sitzt (aber etwa auch eine deutsche Niederlassung hat).

Eine zweite Trump-Regierung in den USA verheißt für Europa wenig Gutes. Auch bei Halbleitern könnte Trump argumentieren, dass die Europäer dafür zu wenig investieren, oder sie als Druckmittel in Handelskriegen einsetzen.

Vorbild dafür sind die Exportbeschränkungen nach China, die bisher mit anderen Argumenten begründet werden: Die militärische Macht Chinas soll nicht auch noch durch westliche Halbleiter weiter anschwellen. Aber bei den Sanktionen sind militärische und wirtschaftliche Aspekte nicht immer scharf zu trennen – China ist eben auch wirtschaftliche Weltmacht und Konkurrent.