Das Meer, die Mauer und die Macht der zerstörten Natur

Seite 3: Kühne Pläne der Politik

Inhaltsverzeichnis

Ganz in der Nähe, in einem Viertel namens Akuarium, ließ Jakartas früherer Gouverneur jedoch Dutzende Häuser abreißen. Auch das Meeresforschungsinstitut, von dem die Gegend ihren Namen hat, musste weichen. Einige Nachbarn blieben trotzdem, lebten jahrelang auf einem Trümmerfeld. Auf die Schutzmauer hat einer gesprüht: "Save The Ocean" ("Rettet den Ozean"). Der neue Gouverneur ließ jetzt zumindest ein paar Notunterkünfte bauen.

Nun ist es aber nicht so, dass den Stadtoberen kühne Gedanken fehlten. Bereits nach einer großen Flut 2007 beauftragte der Staat ein niederländisches Unternehmen, mehrere Kilometer vor der Küste eine große Seemauer zu bauen: 57 Kilometer lang, ein Projekt für viele Milliarden. Zwischenzeitlich gab es auch die Idee, dass das Ganze aus dem Weltall wie ein Garuda aussehen sollte: das indonesische Wappentier, ein mythisches Zwitterwesen aus Vogel und Mensch mit gewaltigem Schnabel.

Daraus ist nicht viel geworden. 20 Kilometer außerhalb der Stadt gibt es nun einige künstliche Inseln, wo Wasserflüchtlinge hinziehen könnten. Sie tragen Namen wie Kita (Wir), Masu (Fortschritt) und Bersama (Zusammen). Die meisten Wohnblocks sind aber noch genauso leer wie die Straßen. Dafür wurde ein Stadtrat zu zehn Jahren Haft verurteilt, weil er Schmiergeld angenommen hatte. Wie anderswo in Indonesien ist auch hier Korruption ein großes Problem.

Der neueste Plan ist aber noch um einiges gewaltiger: Das Land soll eine ganz neue Hauptstadt bekommen. Weg aus Jakarta. Weg von Java. 1200 Kilometer weiter. Nach Borneo, das die Indonesier Kalimantan nennen. Die neue Kapitale soll irgendwo auf halber Strecke zwischen den existierenden Großstädten Balikpapan und Samarinda entstehen, die außerhalb des Landes niemand kennt. Noch ist dort Dschungel.

Wie die neue Hauptstadt heißen soll, weiß auch noch niemand. Die Kosten für den Umzug werden auf mehr als 30 Milliarden Euro geschätzt. 2024 – im letzten Amtsjahr von Präsident Joko Widodo, der nicht mehr wiedergewählt werden kann – sollen die ersten Beamten ihre neuen Büros beziehen. Nun wird gespottet, dass die neue Kapitale den Namen Jokograd bekommen könnte.

Die Sorge vor dem Untergang spielt auch bei diesen Umzugsplänen eine Rolle. Nur, dass von den Zehntausenden Beamten, die Jakarta wohl verlassen werden, kaum jemand in den armen Stadtvierteln entlang der Schutzmauer zu Hause ist. Davon, dass auch Slumbewohner nach Borneo umgesiedelt werden, ist keine Rede. Irma Susanti meint: "Ich weiß, dass das viel Geld kostet. Aber wenn die Regierung das für richtig hält, wird das schon in Ordnung sein. Wir sind nur kleine Leute."

Nach einer halben Stunde Gespräch rückt die Frau aus Muara Baru aber heraus damit, dass sie ohnehin nicht bleiben will. Vom Leben hinter der Mauer hat sie genug. Wenn es nach Irma geht, ist die Familie so bald wie möglich weg aus Jakarta. Sie will zurück in ihr Heimatdorf auf der Insel Sulawesi. "Ich bin 30. Aber mein Mann ist schon 50. Und es ist besser, seine späten Jahre zu Hause zu verbringen. Fisch verkaufen kann er auch dort." Wo sie das Wasser noch mit Leben verbinden und nicht so sehr mit Gefahr. (kbe)