Der Perso fürs Netz

Die Einführung des elektronischen Personalausweises im November ist eines der ambitioniertesten IT-Projekte weltweit. Dabei geht es um weit mehr als nur um ein simples Behördendokument.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 14 Kommentare lesen
Lesezeit: 14 Min.
Von
Inhaltsverzeichnis

Die Einführung des elektronischen Personalausweises im November ist eines der ambitioniertesten IT-Projekte weltweit. Dabei geht es um weit mehr als nur um ein simples Behördendokument.

Seit es in Europa kaum noch Grenzkontrollen gibt, brauchen Bundesbürger ihren Personalausweis nur mehr selten zu zücken. Doch das könnte sich ändern: Wenn im November der alte "Perso" durch eine Art Scheckkarte mit elektronischem Chip ersetzt wird, ist das weit mehr als nur ein zeitgemäßes Update eines Identitätsnachweises: Der neue Personalausweis ("nPa") soll ein Vielzweckwerkzeug für die digitale Welt werden. Weitreichende Akzeptanz vorausgesetzt, kann damit der Internet-Geschäftsverkehr auf breiter Front rechtssicher gemacht werden – gut für die Vertrauensbildung bei Verbrauchern, schlecht für Datenspione und Anbieter, die im Trüben fischen.

Ähnlich wie der 2007 eingeführte elektronische Reisepass speichert der nPa-Chip biometrische Merkmale seines Besitzers, nämlich Passbild und auf Wunsch auch zwei Fingerabdrücke. Doch das ist nicht alles: Erstmals können sich Bürger nun mit dem Dokument auch im Internet ausweisen. Amtsgänge wie etwa Wohnungsummeldungen sollen so vom heimischen Rechner aus möglich werden. Auch für die Internet-Wirtschaft eröffnen sich neue Möglichkeiten: Rund 200 Unternehmen arbeiten an Online-Dienstleistungen, die auf dem nPa aufsetzen. Bis 2011 sollen 50 neue nPa-Anwendungen im Netz stehen.

Im Zentrum der neuen Identitäts-Infrastruktur stehen zwei Kürzel: eID und QES:

  • Mit der eID-Funktion (elektronischer Identitätsnachweis) können sich Bürger digital gegenüber einer Behörde oder einem Geschäftspartner ausweisen – oder selbst die Identität eines Geschäftspartners prüfen, so wie man sich bisher etwa den Ausweis eines potenziellen Autokäufers zeigen lässt.
  • Die QES (Qualifizierte Elektronische Signatur) ist das digitale Gegenstück zur eigenhändigen Unterschrift, mit der ein Vertrag besiegelt wird.

Solche digitalen Signaturen gibt es bereits seit 2003. Verbreitung fanden sie bisher aber nur in Nischen wie etwa Anwaltskanzleien, die online rechtssichere Verträge abschließen wollten. Für die breite Masse war das Verfahren zu umständlich, und es gab zu wenig Stellen, die eine digitale Signatur akzeptierten – ein klassisches Henne-Ei-Problem.

Dabei gibt es reichlich Bedarf an einer sicheren Online-Authentifizierung: Allein im vergangenen Jahr verzeichnete das Bundeskriminalamt 6800 Fälle des digitalen Identitätsdiebstahls, darunter knapp 3000 "Phishing"-Fälle, bei denen Betrüger ihren Opfern durch gefälschte Webseiten oder E-Mails persönliche Daten wie Passwörter oder Transaktionsnummern entlockten. Jede erfolgreiche Phishing-Attacke verursachte im Schnitt einen Schaden von 4000 Euro.

Der nPa könnte das Henne-Ei-Dilemma nun überwinden und Phishern das Wasser abgraben: Rund 60 Millionen Bürger sollen in den nächsten sechs Jahren den neuen elektronischen Ausweis bekommen und können damit – zumindest theoretisch – die neuen Identifzierungsfunktionen nutzen. In der Praxis stehen dem zwei Hürden entgegen. Erstens: Die QES wird nicht von der Passbehörde ausgegeben, sie muss separat bei einem sogenannten Trustcenter erworben werden. Zweitens: Um eID und QES nutzen zu können, braucht jeder Bürger ein bis zu 125 Euro teures Lesegerät für seinen nPa.

Werden sich die Bürger trotzdem für die neuen Funktionen ihres Persos erwärmen? Das wird davon abhängen, ob Wirtschaft und Behörden Anwendungen präsentieren können, die Nutzern überzeugende Vorteile bieten. Einige solcher Dienste sind bereits in Arbeit:

  • Der Versicherungskonzern Allianz will mithilfe des nPa Online-Formulare wie das zur Schadensmeldung automatisch mit Name und Adresse des Passinhabers ausfüllen lassen. Kunden brauchen zur erstmaligen Anmeldung dann nicht mehr persönlich in einer Postfiliale zu erscheinen, um sich über das sogenannte PostIdent-Verfahren identifizieren zu lassen.
  • Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) möchte den nPa nutzen, um seinen Kunden bei Ausstellung, Änderung oder Verlust des sogenannten eTickets den Gang in das Kundencenter zu ersparen. Künftig sollen sie sich stattdessen mit dem nPa an Selbstbedienungsterminals ausweisen.
  • Fujitsu Technology Solutions will Neukunden mit dem nPa die Registrierung für den Onlineshop erleichtern – diese müssen nun nicht mehr zahlreiche Eingabefelder per Hand ausfüllen, sondern können ihren Namen und ihre Adresse direkt vom nPa hochladen.