Der Traum vom umweltfreundlichen Auto
Materialwissenschaftler auf der ganzen Welt arbeiten derzeit daran, vollelektrische Fahrzeuge endlich praktikabel zu machen. Auf einer Konferenz in Boston zeigten sie erste Ergebnisse.
- Kevin Bullis
Wer heutzutage ein Elektroauto fahren will, muss noch immer mit Einschränkungen leben – Reichweiten von mehreren 100 Kilometern sind zwar möglich, doch die verbauten, leistungsfähigen Batterien sind immer noch extrem teuer und benötigen komplexe Sicherheitstechnik, damit es nicht zu Beschädigungen kommt. Zudem ist ihre Lebensdauer eingeschränkt, was Elektromobile für den Ottonormalverbraucher bislang weitgehend unattraktiv macht.
Die passende Technik, um diese Probleme zu lösen, ist aber nicht mehr weit entfernt. Forscher arbeiten zurzeit an langlebigen Batterien mit deutlich höherer Energiekapazität und verbesserter Haltbarkeit aus kostengünstigeren Materialien. Damit werden vollelektrische Fahrzeuge womöglich sehr bald praktikabel – diese schöne neue Zukunft wurde zumindest auf dem letzten Treffen der internationalen Gesellschaft für Materialwissenschaften (Materials Research Society, kurz MRS) in Boston präsentiert.
Stanley Whittingham, Erfinder der ersten kommerziellen Lithium-Ionen-Batterie und Professor für Chemie, Material- und Ingenieurwissenschaften an der State University of New York, gab sich auf dem Treffen dahingehend optimistisch. Mit einer Einschränkung: Er glaubt, dass Reichweiten von mehr als 160 Kilometern eher mit so genannten Plug-In-Hybriden bewältigt werden, statt mit vollelektrischen Fahrzeugen. Diese ähneln heutigen Benzin-Elektro-Hybriden, wobei die Batterie deutlich größer ist. Geladen werden könnten diese Fahrzeuge entweder durch den Benzinmotor an Bord oder vorab aus der Steckdose.
Whittingham rechnet damit, dass sich die aktuelle Batteriekapazität bald verdoppeln wird. Viel mehr sei aber wahrscheinlich nicht drin. Viel wichtiger werde in Zukunft sowieso ihre Sicherheit, Langlebigkeit und ihr Preis. Wenn Elektroautos eine weite Verbreitung finden sollen, sei zudem eine der Hauptaufgaben, den Kobalt-Anteil innerhalb der aktuellen Lithium-Ionen-Technik zu ersetzen. "Es gibt einfach nicht genügend Kobalt", sagte der Forscher in Boston. Er selbst arbeite daher an Mischmetall-Elektroden, in denen kein oder nur wenig Kobalt steckt.
Ein interessanter anderer neuer Akkutyp, den es auf dem MRS-Treffen ebenfalls zu sehen gab, könnte sich besonders für Plug-In-Hybriden eignen. Die so genannte Lithium-Eisenphosphat-Batterie nutzt das günstige Metall Eisen statt Kobalt und bietet eine grundlegend sicherere Batteriechemie. Sie arbeitet außerdem mit geringeren Spannungen, was ihre Lebensdauer verlängert - der Elektrolyt-Anteil zersetzt sich langsamer.
Yet-Ming Chiang, Materialwissenschaftler am MIT, arbeitet an Lithium-Eisenphosphat-Akkus. Normalerweise müssen Ingenieure dabei zwischen hoher Leistung (etwa für Elektrowerkzeuge oder Hybrid-Fahrzeuge) und hoher Energie (für längere Laufzeit) wählen. Computermodellen zufolge, die Chiang beim MRS-Treffen zeigte, könnte sich dieses Problem mit Hilfe von Elektroden aus Nanostrukturen beheben lassen, bei denen zwei verschiedene Partikelarten in einer speziellen Anordnung verwendet werden. Dadurch könnte sich die Energiekapazität für Hochleistungsanwendungen verdoppeln, ohne dass man an einer ganz neuen Batteriechemie arbeiten müsste.
In Boston wurde außerdem eine Experimentaltechnik gezeigt, um neue Elektrodenstrukturen zu schaffen – was im Endergebnis zu bis zu vier Mal mehr Kapazität führen könnte. Chemieprofessor Peter Bruce von der University of St. Andrews in Schottland setzt dabei auf einen bekannten Ansatz, bei dem sich der Akku wie eine Brennstoffzelle verhält. Ähnliche Batterien wurden bereits gebaut, allerdings sind sie nicht aufladbar.
Normalerweise sitzen in einer Batterie all jene Stoffe, die notwendig sind, um die chemische Reaktion zur Stromerzeugung einzuleiten. Bei der Kreation des Schotten wird jedoch einer der Reagenzien, der Sauerstoff, einfach aus der Luft gewonnen. Während bei Brennstoffzellen Wasserstoff-Ionen mit Sauerstoff kombiniert werden, was dann Wasser ergibt, kombinieren sich die Lithium-Ionen in der Bruce-Batterie mit Sauerstoff, um Lithium-Peroxid zu bilden. Die Verwendung von Sauerstoff hat noch einen Vorteil: Da dieser nicht in der Batterie mitgeführt werden muss, schrumpft das Gewicht. Im Experiment erreichte Bruce mit solchen Batterien bis zu 700 Milliampere-Stunden pro Gramm Akku – mehr als vier Mal so viel Leistung wie heutige Batterien. Das Laden und Entladen funktionierte zudem über zahlreiche Zyklen.
Bislang nutzt Bruce noch reinen Sauerstoff. Eine funktionierende Batterie, die mit Umgebungsluft funktioniert, würde dagegen eine Membran benötigen, die wie der Stoff Gore-Tex funktioniert: Wasser und CO2 müssen draußen bleiben. Außerdem ist wohl ein Ventil nötig, um die Sauerstoffversorgung abzuregeln, wenn keine Spannung produziert werden soll.
Ein noch größeres Problem bei aktuellen Akkus wollen die Forscher ebenfalls angehen, wie auf dem MRS-Treffen gezeigt wurde: Batterien verlieren ungefähr die Hälfte ihrer Energie in Form von Wärme, während sie entladen werden. Dies führt wiederum zu großen Hitze-Management-Problemen, was den Energiespar-Bemühungen bei Hybriden und vollelektrischen Fahrzeugen deutlich widerspricht. "Es wäre toll, wenn Kollegen wie Bruce hier weiterkämen", sagte Whittingham. Und selbst wenn es keine derart dramatischen Kapazitätsverbesserungen gibt, wie von Bruce angedacht – auch ein geringerer technischer Fortschritt lässt das vollelektrische Fahrzeug näher rücken. "Den Autoherstellern würde es doch schon ausreichen, wenn die Kapazität nur um das Doppelte steigt, die Batterie dafür aber zehn Jahre hält", so Whittingham.
Ăśbersetzung: Ben Schwan. (wst)