Der große Linux-Gaming-Guide

Still und leise hat sich Linux zur praxisreifen Gaming-Plattform gemausert. Unzählige Indie- und AAA-Games laufen einwandfrei ohne Frickelei, wir erklären wie.

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Illustration von Albert Hulm

(Bild: Albert Hulm)

Lesezeit: 6 Min.
Inhaltsverzeichnis

Noch vor wenigen Jahren undenkbar, mittlerweile keine Seltenheit mehr: Wenn der Freundeskreis gerade begeistert von den grandiosen Spielwelten von Cyberpunk 2077, Elden Ring oder Baldur’s Gate 3 schwärmt, bleiben auch Linux-Fans nicht außen vor. All diese Spiele und viele mehr laufen nämlich auch unter Linux – in der Regel ganz ohne Frickelei. Wir stellen besonders Gaming-geeignete Distributionen vor und erklären, welche Tools Sie brauchen, um die Spiele zu starten. Für ganz harte Knochen haben wir Alternativen gefunden, damit Sie die dann doch noch unter Linux spielen können.

Vor fast genau zehn Jahren hat Valve eine Linux-Version seiner Steam-Client-Software veröffentlicht und damit den Stein ins Rollen gebracht. Bis dahin war Linux-Gaming eine kleine Nische, Linux-Spiele wurden bestenfalls mit eigenen Installern ausgeliefert. Damit Windows-Games mithilfe der Kompatibilitätsschicht Wine liefen, musste man erst tief in die Details der Wine-Konfiguration einsteigen. Nur selten folgten Linux-Ports für erfolgreiche Titel und wenn, dann mit großer Verzögerung. Der Linux-Client für Steam vereinfachte plötzlich vieles: Zur Installation der unterstützten Spiele reicht – wie unter Windows – ein Mausklick. Doch obwohl Valve mit gutem Beispiel voranging und alle eigenen Spiele auf Linux portierte, blieb das Spieleangebot zunächst klein.

Seither hat Valve hartnäckig weiter auf Linux gesetzt. Valves Spiele-Linux SteamOS machte zunächst eine Bauchlandung als Basis für einen wohnzimmertauglichen Spiele-PC (SteamBox). Als Betriebssystem für Valves Gaming-Handheld Steam Deck feierte es 2022 ein umso erfolgreicheres Comeback. Mit dem Steam Deck hat Valve das Linux-Gaming endlich aus der Nische geholt und viele Menschen zu Linux-Gamern gemacht. Der Erfolg des Gaming-Handhelds motiviert Game-Studios, denn jedem Hersteller ist daran gelegen, dass seine Spiele auf dem Mobilgerät der riesigen Steam-Plattform laufen.

Den Erfolg verdankt die Mobilkonsole nicht zuletzt der Kompatibilitätsschicht Proton, die Valve 2018 in den Steam-Client integriert und nach und nach verbessert hat. Mittlerweile laufen damit tausende Windows-Spiele unter Linux – oft so, dass man kaum einen oder gar keinen Unterschied merkt. In unserem YouTube-Kanal c’t zockt testen wir regelmäßig Spiele unter Linux, eine dafür zusammengestellte Playlist zeigt einen Überblick über Windows-Spiele unter Linux.

Üppige Spieleauswahl unter Linux: Dank Proton stehen viele Steam-Spiele auch unter Linux bereit.

Von der Entwicklung haben auch die Spiele abseits von Steam profitiert. Allerdings läuft da nicht alles automatisch, ein paar Hürden sind noch zu überwinden. Einen webbasierten Launcher für Linux bietet nur die Indie-Plattform Itch.io, große Spiele suchen Sie dort aber vergebens. Epic Games, Ubisoft oder EA wiederum scheren sich keinen Deut um Linux. Die dort verkauften Spiele sind ausschließlich für Windows und müssen über proprietäre Launcher heruntergeladen und installiert werden.

Die Linux-Community hat sich davon nicht abschrecken lassen und fehlende Tools einfach selbst entwickelt. Mit den von Freiwilligen programmierten Werkzeugen können Sie viele dieser Games auf dem freien Betriebssystem nutzen, im Hintergrund werkeln Wine oder Proton. Dabei sind die Open-Source-Tools häufig nicht nur Notbehelf, sondern bieten sogar Vorteile, sie vereinen mehrere Spieleplattformen auf einer Oberfläche. Und auch fürs Troubleshooting haben sich findige Linux-Fans etwas ausgedacht und machen mit praktischen Werkzeugen Konfigurationsoptionen leichter zugänglich. Die wichtigsten Tools fürs Linux-Gaming von Steam über Heroic Games Launcher, Lutris & Co. stellt Ihnen ein weiterer Artikel vor.

Ein paar Fallstricke gibt es allerdings: Nicht alle Spiele laufen auch unter Linux. Meist sind es Anti-Cheat-Mechanismen, die Linux-Gamer aussperren. Das muss allerdings nicht bedeuten, dass Sie auf diese Spiele verzichten müssen. Wollen Sie beispielsweise unbedingt Fortnite spielen, dessen Hersteller Epic die Nutzung unter Linux blockiert, greifen Sie einfach zum Browser. Der knallbunte Shooter steht über mehrere Cloud-Gaming-Dienste bereit, die Sie auch unter Linux nutzen können: Amazon Luna, Xbox Cloud und Nvidia GeForce Now. Wofür sie sich eignen, was sie bieten und kosten, haben wir in einem Artikel zum Cloud-Gaming unter Linux zusammengefasst.

Linux-Gaming (8 Bilder)

Spiele von Epic Games, GOG und Amazon Prime Gaming lassen sich am einfachsten mit dem Heroic Games Launcher installieren, aktuell halten und starten.

Spielen können Sie prinzipiell mit fast jedem Linux-System. Wenn auf Ihrem PC bereits ein aktuelles Linux läuft, müssen Sie daher nicht wechseln. In unserem Überblick über die wichtigsten Linux-Gaming-Tools erfahren Sie dann, welche Tools Sie nachrüsten sollten. Wer darüber nachdenkt, frisch zu Linux zu wechseln, kann sich das Linux-System ganz nach den eigenen Vorlieben aussuchen. Während manche Distributionen sich bereits "ready for gaming" nennen, nur weil der Steam-Client vorinstalliert ist, bringen andere die wirklich wichtigen Tools und weitere Anpassungen mit. Ganz an die Bedürfnisse beim Spielen, Aufnehmen und Livestreamen angepasst ist beispielsweise Nobara Linux. Etwas ausgereifter und ebenfalls aktueller als Ubuntu ist das darauf basierende Pop!_OS. Beide Distributionen bringen aktuelle Treiber und eine passende Softwareausstattung mit, unterscheiden sich aber in einigen Details. Wir haben die beiden verglichen und geben Tipps zur Wahl der richtigen Linux-Distribution fürs Spielen.

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Eins steht fest: Spiele sind kein Grund mehr, auf Linux als Betriebssystem zu verzichten. In jahrelanger Arbeit haben unzählige Freiwillige und nicht zuletzt Valve eine Hürde nach der anderen aus dem Weg geräumt und Linux als Gaming-Plattform etabliert. Umstiegswillige sollten deshalb ruhig mal wieder nachsehen, ob die eigenen Lieblingsspiele tatsächlich zu den wenigen Titeln gehören, die unter Linux keinen Spaß machen oder partout nicht laufen wollen. Wenn die allerdings per Cloud-Gaming bequem im Browser bereitstehen, dann fällt auch dieser Grund weg.

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(lmd)