Die Erben des Space Shuttle

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Doch der große Wurf des Präsidenten löst nicht das Problem, Ersatz für die Raumfähren zu finden. Auf dem US-Markt werben bereits zahlreiche private Unternehmen damit, den Transport ins All schon bald besser, sicherer und billiger als die staatliche Raumfahrtagentur erledigen zu können. Funktionierende Raketen oder Raumschiffe haben die meisten allerdings nicht vorzuweisen. Doch es gibt auch ernst zu nehmende Kandidaten wie SpaceX und Orbital Science, die von der Nasa bereits mit insgesamt 450 Millionen Dollar gefördert werden, und zwar mit einem Programm unter dem Namen COTS (Commercial Orbital Transportation Services). Das hatte die US-Raumfahrtagentur 2006 gestartet, um nach dem Ende der Space Shuttle einen kostengünstigen Transport von Fracht und Astronauten zur ISS durch private US-Unternehmen zu organisieren. Beide Firmen haben bereits lukrative Verträge in der Tasche: Bei SpaceX hat die Nasa für 1,6 Milliarden Dollar zwölf Versorgungsflüge zur ISS in Auftrag gegeben, 133 Millionen pro Flug. Orbital Sciences erhält für acht Versorgungsflüge sogar 1,9 Milliarden Dollar.

SpaceX, gegründet 2002 von Elon Musk, dem Co-Erfinder des Internet-Bezahlsystems PayPal, ist ein Neuling im Raumfahrtsektor und hat weitgehend in Eigenregie eine Orbitalrakete unter dem Namen "Falcon" entwickelt. SpaceX setzt dabei auf preiswerte, modulare und wiederverwendbare Technik. Die Triebwerke verzichten etwa auf ein kompliziertes separates Kühlsystem und kühlen stattdessen mit Flüssigsauerstoff, bevor dieser in die Brennkammer gepumpt wird. Erstmals soll auch die erste Raketenstufe nach ihrem Ausbrennen geborgen und wiederverwendet werden – wie genau das funktionieren soll, darüber schweigt sich das Unternehmen aus. Auch das von SpaceX entwickelte "Dragon"-Raumschiff soll mit Fallschirmen zurück auf die Erde schweben und vollständig wiederverwendbar sein. Die kegelförmige Kapsel kann entweder als autonom navigierender Frachter für die ISS oder – nach Einbau eines Lebenserhaltungssystems – als Behausung für bis zu sieben Astronauten dienen.

Vor allem wegen der einfachen Konstruktion wirbt SpaceX damit, das billigste orbitale Transportsystem überhaupt und eines der sichersten zu besitzen. Lediglich rund zehn Millionen Dollar soll ein Start der Falcon 1 kosten – das Einstiegsmodell mit knapp 200 Kilo Nutzlast. Andere Anbieter verlangen mindestens das Anderthalbfache. Auch ein Start der Schwer-lastrakete Falcon 9 (neun Triebwerke, knapp zehn Tonnen Nutzlast) wäre mit 46 Millionen Dollar konkurrenzlos günstig.

Doch so manches von dem, was SpaceX verspricht, hat bereits die bisherige Praxis widerlegt. Die Falcon 1 hatte drei Fehlstarts und flog erst im vierten Anlauf erfolgreich. Das drückt nicht nur auf die Erfolgsbilanz der angeblich sichersten Rakete der Welt, auch die Kosten für die Fehlstarts fließen in die bisherigen Preiskalkulationen für SpaceX-Raketenstarts nicht ein. Die Falcon 9 absolvierte ihren ersten Flug Anfang Juni zwar erfolgreich, doch aus dem Recycling der ersten Stufe wurde nichts – sie verglühte beim Wiedereintritt in die Atmosphäre. SpaceX-Chef Elon Musk ließ offen, wie das Problem gelöst werden könnte. Auch die Termine des COTS-Vertrages mit der Nasa kann SpaceX nicht einhalten. Drei Falcon-9-Testflüge mit einer Dragon-Kapsel sollten ursprünglich bis Jahresende stattfinden; beim dritten Flug muss die Kapsel an die ISS ankoppeln. Doch kürzlich verschob SpaceX zwei Flüge auf 2011.

Im Gegensatz zu SpaceX ist Orbital Sciences ein seit fast drei Jahrzehnten etablierter Raketen- und Satellitenbauer. Das Unternehmen arbeitet vor allem für das US-Militär, unter anderem bei Raketenabwehr-Projekten. Für Versorgungsflüge zur ISS entwickelt Orbital Sciences seit 2008 die "Taurus-II"-Rakete und den "Cygnus"-Raumtransporter. Beide Komponenten sind Weiterentwicklungen bereits flugerprobter Hardware – Taurus basiert auf abgerüsteten Interkontinentalraketen, die zylindrische Cygnus-Kapsel ist eine verkleinerte Version eines Frachtcontainers, den die Nasa in der Ladebucht des Space Shuttles einsetzt. Cygnus soll zwei Tonnen Nutzlast zur ISS bringen können. Ein erster Test für Cygnus und Taurus-II ist für Mitte 2011 geplant.