Die Gen-Chirurgen

Seite 3: Die Gen-Chirurgen

Inhaltsverzeichnis

TURBO FÜR DIE MEDIKAMENTENPRODUKTION

In der Zwischenzeit hat Sangamo die Möglichkeit, die Kasse über Technologie-Dienstleistungen zu füllen. So will beispielsweise der Pharmakonzern Pfizer per Zinkfinger die Produktion von Medikamenten beschleunigen. „Firmen, die Antikörper oder andere Protein-Pharmazeutika produzieren, sind sehr an Technologien interessiert, die die Ausbeute und Geschwindigkeit der Protein-Produktion verbessern“, sagt Lanphier. Denn bisher ist es eine langwierige und mühsame Angelegenheit, Säugetierzellen gentechnisch so zu verändern, dass sie bestimmte Proteine produzieren, die dann als Medikamente eingesetzt werden können. Sangamos Zinkfinger-Proteine sollen die Gene stimulieren, die für die Herstellung der medikamententauglichen Eiweiße nötig sind, und so die Ausbeute erhöhen – quasi ein Turbolader für die Medikamentenproduktion.

Eine weitere Anwendung können die Zinkfinger in der Stammzellforschung finden. Denn die Technik macht es möglich, bestimmte Schlüsselgene zu regulieren, die die Entwicklung der Stammzellen in das gewünschte Gewebe anstoßen. „Wir haben das zum Beispiel für das Gen Oct-4 gezeigt“, sagt Sangamo-Forschungschef Philip Gregory, der bis 2000 an der Ludwig-Maximilians-Universität in München geforscht hatte, bevor er nach Kalifornien zog. Embryonale Stammzellen bleiben nur so lange im undifferenzierten Zustand, wie das Oct- 4-Gen normal aktiv ist. Wenn die Sangamo-Forscher das Gen jedoch über einen Zinkfinger mit eingebautem Genstopper stumm schalten, differenzieren die Zellen zu Gewebe, das für die Ernährung des Embryos nötig ist. Verstärkt man die Aktivität von Oct-4, verwandeln sich die Zellen in frühembryonale Gewebetypen. Und das, ohne dass irgendwelche Spuren der Manipulation in den Zellen zurückbleiben, denn die Zinkfinger verschwinden im Laufe der Zellteilungen.

„Wenn man weiß, was man regulieren will, dann können wir die Zelle in jede gewünschte Entwicklungsrichtung treiben“, sagt Gregory. Doch in Zeiten, in denen Biotechs ohne fertige Produkte von Investoren misstrauisch beäugt werden, konzentriert man sich auch bei Sangamo lieber auf anwendungsnahe Projekte. Was dem börsennotierten Unternehmen derzeit zu akademisch ist, verfolgt Albert Jeltsch von der International University Bremen.

Der Biochemiker bastelt selbst ganz ähnliche Werkzeuge. Er hängt an den DNA-bindenden Zinkfinger ein Enzym namens Methyltransferase, das kleine Anhängsel an die DNA klebt, so genannte Methylgruppen. Diese chemischen Anhängsel wirken auf die Gene wie ein Vorhängeschloss: Sie werden inaktiv, was zum Beispiel im Fall von viralen oder Krebsgenen wünschenswert wäre.

Tatsächlich gibt es bereits Versuche, Krebsgene über eine gesteigerte Methylierung abzuschalten. Aber dabei wird nur die natürlich vorkommende Methyltransferase in den Zellen stimuliert, was den Nachteil hat, dass nicht nur Krebsgene, sondern auch viele andere wichtige Gene stillgelegt werden. Mit der Sangamo-Technik ließe sich das Abschalten exakt steuern. Jeltsch hofft, auf diese Weise die Gene eines Virus stilllegen zu können, das beim Menschen Herpesbläschen verursacht. „Bei viralen Erkrankungen bieten die Zinkfinger-Proteine den Vorteil, dass sie nur in den Zellen eingreifen, in denen die Virusgene vorhanden sind“, sagt der Bremer Forscher. Erste Versuche, die Schlüsselgene für die Virusaktivierung abzuschalten, seien erfolgreich gewesen.

Allerdings kann Jeltsch noch nicht sagen, ob sein Werkzeug nicht auch an anderen Stellen der DNA unerwünschte Methylierungen setzt. Denn die Zinkfinger weisen dem Werkzeug zwar mit hoher Wahrscheinlichkeit den Weg zum richtigen Zielgen. Doch vereinzelte Irrtümer könnten ausreichen, das Erbgut an einer entscheidenden Stelle zum Negativen zu verändern. Eine unerwünschte Methylierung wäre da noch recht harmlos, aber was, wenn an dem Zinkfinger eine molekulare Schere hängt, die dann irgendwo im Erbgut herumschneidet?

Bevor man eine solche Technologie in der Therapie anwendet, müsse man da natürlich sicher sein, sagt Jeltsch: „Da haben wir das gleiche Problem wie die Kollegen in Kalifornien.“ Dort nimmt man die Sicherheitsbedenken durchaus ernst, doch bisher hätten Tests keinen Hinweis auf Fehlfunktionen der künstlichen Zinkfinger-Proteine ergeben, versichert Forschungschef Gregory. Zwar könnten die Fusionsproteine theoretisch auch ohne DNA-Bindung überall im Genom unkontrolliert aktiv werden, räumt er ein. Aber offenbar passiere das nicht. „Vielleicht, weil wir nichts machen, was die Natur nicht längst gelöst hätte“, sagt Gregory. Denn Kombinationen von DNA-Bindungsdomänen mit anderen funktionellen Domänen gibt es auch in natürlichen Proteinen.