Die Gen-Chirurgen

Seite 4: Die Gen-Chirurgen

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NEUE TECHNIK, ALTE PROBLEME

Doch auch wenn Sangamos Technik eine neue Ära einläuten mag, müssen sich die Sangamo-Forscher mit denselben Problemen herumschlagen, an denen ihre Zunft seit Anbeginn ihrer Existenz herumdoktert: Auch die maßgeschneiderten Zinkfinger müssen irgendwie in die Zellen hinein. Zwar sei es prinzipiell möglich, die Proteine direkt in die Zellen zu schleusen, sagt Gregory. Doch Sangamo geht auch hier einen eleganteren Weg: Die Forscher verabreichen den Zellen lediglich die Gene, mit deren Hilfe sie die Zinkfinger- Proteine selbst zusammenbauen können – in Form von DNA, die frei in der Zelle schwimmt. So wie die Zinkfinger-Proteine haben auch diese DNA-Stücke nur eine gewisse Überlebenszeit in der Zelle – gerade lang genug, um die gewünschte Veränderung im Erbgut der Zelle möglich zu machen, dann lösen sich die Gentech-Werkzeuge auf.

„Wir bekommen Zinkfinger also prinzipiell in die Zelle hinein“, sagt Gregory, doch die Frage sei, bei wie vielen Zellen das gelingt. „Reicht es für einen therapeutischen Effekt, wenn wir 10, 20 oder 30 Prozent der Zellen erreichen?“ Im Fall der Behandlung von SCID reichten die 18 Prozent veränderter Blutzellen, um eine Körperabwehr zu etablieren. Bei anderen Krankheiten könnte es jedoch nötig sein, mehr Zellen zu verändern, bevor ein therapeutischer Effekt eintritt.

Schärfster technologischer Konkurrent der Zinkfinger ist die so genannte RNA-Interferenz-Technologie (RNAi), die Gene mit Hilfe kleiner RNA-Fragmente abschalten kann, und zwar sehr effizient. Die Zinkfinger-Technologie beherrscht jedoch die ganze Palette von Stummschalten, Aktivieren und Reparieren. Aber mittlerweile kann jedes durchschnittliche molekularbiologische Labor RNA-Interferenz nachvollziehen und für die eigenen Experimente nutzen. Demgegenüber bedarf es eines reichen Erfahrungsschatzes, um den passenden Zinkfinger für eine gegebene Zielsequenz zu erstellen. „Die Konstruktion der Zinkfinger für eine bestimmte Zielsequenz ist keine Routine, sondern nach wie vor eine Kunst“, sagt Gregory. Zwar kennen die Forscher mittlerweile die Regeln, die bestimmen, aus welchen Proteinbausteinen ein Zinkfinger bestehen muss, damit er an bestimmten DNA-Bausteinen kleben bleiben kann. Doch es ist Erfahrung, wie sechs solcher Zinkfinger miteinander arrangiert werden müssen, damit sie die 18 DNA-Bausteine umfassende, einzigartige Zielsequenz im Erbgut erkennen.

"Wir verstehen immer noch nicht genau, was da vor sich geht“, räumt Gregory ein. Direkte Konkurrenz auf dem eigenen Fachgebiet jedenfalls hat Sangamo kaum zu befürchten, denn es gibt kein anderes Unternehmen, das die Zinkfinger-Technologie beherrscht. Kurz nachdem Lanphier mit Sangamo gestartet war, entschied sich zwar auch Nobelpreisträger Aaron Klug, sein Wissen über Zinkfinger in ein Unternehmen zu investieren. Doch 2001 fusionierte seine britische Gendaq mit Sangamo, denn gegen ein Patent, das Sangamo laut Lanphier weltweite Rechte an „jedem Zinkfinger für die Regulation jedes Gens in jedem Zelltyp eines jeden Organismus“ einräumt, sahen die Gendaq- Anteilseigner wenig Chancen.

Die Komplexität verhindert zwar, dass sich jedes Labor seine Zinkfinger selbst herstellt, der Produktion von Zinkfingern als Therapeutikum tut das jedoch keinen Abbruch. Denn im Vergleich zum Aufwand, den Pharmakonzerne bei der Suche nach neuen Wirkstoffen treiben, nimmt sich die Zinkfinger- Tüftelei harmlos aus, sagt Geschäftsführer Lanphier und lehnt sich zufrieden im schwarzen Sessel zurück. „Was es mit dem Logo von Sangamo auf sich hat?“ Lanphier folgt dem Blick auf die kupferne Schrift mit den wellenartig verzerrten Lettern. Der Name stamme von der Firma seines Großvaters aus dem Sangamon County in Illinois, die Strommessgeräte verkauft habe. „Die Wellen symbolisieren also elektrischen Strom“, sagt Lanphier und grinst: „Jedenfalls hat es nichts mit irgendwelchem San Francisco Surfing Stuff zu tun.“

Text entnommen aus TR 03/2006. Das Heft ist seit dem 23. Februar am Kiosk zu haben oder hier portokostenfrei zu bestellen. (wst)