Die Revolution der Reproduktion

Seite 2: Gebärmutter ausbessern

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Schon der Flicken könnte medizinisch relevant sein, hofft Mats Hellström, ein Regenerationsspezialist aus Brännströms Team. Mit ihm könnten sich künftig Gebärmuttern von Patientinnen mit einer starken Narbenbildung reparieren lassen. Solche Vernarbungen können nach Kaiserschnitten oder der Entfernung von Myomen auftreten. Bevor es so weit ist, muss die Neubesiedlung des extrazellulären Gerüsts mit Zellen noch effizienter werden. "Ich denke, in fünf bis zehn Jahren könnten wir funktionierende Gewebelappen haben, um Stellen an der Gebärmutter auszubessern", sagt Hellström.

Das Endziel aber ist der Organersatz. Ohne Spenderin wird es zwar auch dann nicht funktionieren. Aber die Methode würde die Zahl passender Gebärmuttern deutlich erhöhen, weil keine Abstoßungsreaktionen mehr zu fürchten wären. Schließlich bestünde das Organ aus körpereigenen Zellen der Empfängerin. Um dem Ziel näher zu kommen, benutzt Hellström die Gebärmutter von Schafen.

Ein fertiges Organ haben sie zwar noch nicht, aber immerhin schon erfolgreiche Verfahren, um die ursprünglichen Zellen zu entfernen. Nun arbeiten die Schweden gemeinsam mit australischen und österreichischen Wissenschaftlern daran, den Uterus unter anderem mit mesenchymalen Stammzellen neu zu besiedeln. "Schafe sind eine gute Vorbereitung, um in Zukunft Experimente mit menschlichen Gebärmuttern durchzuführen. Sie haben fast die gleiche Größe, und ihr Uterus ist dem menschlichen viel ähnlicher als etwa der eines Schweines."

Bis allerdings eine Gebärmutter speziell für eine Patientin angefertigt werden kann, schätzen die schwedischen Forscher, wird es noch weitere zehn bis fünfzehn Jahre dauern. Alan Flake vom Children's Hospital in Philadelphia arbeitet derweil daran, den Mutterleib komplett zu ersetzen. Nicht von Anfang an, zumindest nicht zum jetzigen Zeitpunkt, aber in einem sehr frühen Stadium der Menschwerdung. Die Mediziner wollen jenen Säuglingen eine ähnliche Umgebung wie in der Fruchtblase anbieten, die schon um die 23. Schwangerschaftswoche zur Welt kommen – und damit 17 Wochen zu früh. Zu diesem Zeitpunkt wiegen die Frühchen gerade einmal 500 bis 600 Gramm. Bisher getestet haben die Ärzte die neu entwickelte Fruchtblase an per Kaiserschnitt zu früh geborenen Lämmern.

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Die Tiere verbrachten gut einen Monat in einer mit artifiziellem Fruchtwasser gefüllten beinahe sterilen Kunststoffhülle. Über ihre Nabelschnur waren sie mit einer künstlichen Plazenta verbunden. Auf eine externe Pumpe haben die Forscher dabei verzichtet: Das Herz der Lämmer pumpt selbst das Blut zur Auffrischung mit Sauerstoff in die Maschine. Denn selbst der kleinste Druck von außen könnte dem unterentwickelten Herzen des Tieres schaden, ist Flakes Team überzeugt.

"Wenn wir ein System außerhalb des Körpers entwickeln können, das weiteres Wachstum und Reifen der Organe nur für einige Wochen erlaubt, können wir die Chancen für extreme Frühchen dramatisch verbessern", sagt Flake. Am Ende könnte die künstliche Fruchtblase nach weiteren Verfeinerungen in einigen Jahren zur Verfügung stehen. Bis dahin plant das US-Team, das künstliche Fruchtwasser zu verbessern, etwa mit Substanzen, von denen man weiß, dass sie die Entwicklung des Darms fördern. Außerdem soll das sogenannte Biobag für Babys anders aussehen als das der Lämmer und eher an einen Inkubator erinnern. Der Brutkasten könnte Frühchen Risiken wie Auskühlung, Keime oder künstliche Beatmung ersparen.

"Der entscheidende Fortschritt in Richtung künstliche Fruchtblase wird natürlich begünstigt von der immer schneller voranschreitenden Entwicklung biomedizinischer Technologien", kommentiert Thomas Kohl, Leiter des Deutschen Zentrums für Fetalchirurgie & minimal-invasive Therapie am Universitätsklinikum Gießen. "Ob das System auch für Frühgeburten vor der 22. Schwangerschaftswoche eingesetzt werden kann, wird sich zeigen, sobald es ausgereift ist und sich bewährt hat. Aber ich gehe davon aus, dass Wissenschaftler versuchen werden, auch jüngere ungeborene Kinder auf diese Weise zu retten."

Die menschliche Fortpflanzung löst sich damit zunehmend von den biologisch gesetzten Grenzen. Der Mutterleib bleibt wichtig, aber für immer kürzere Zeitspannen wirklich überlebenswichtig. Aber auch das könnte nur eine weitere Etappe sein. Denn in den Biotech-Laboren bahnen sich noch weit radikalere – und für manchen beängstigende – Umwälzungen an. Die Menschwerdung im Labor ist nicht mehr undenkbar.

Katsuhiko Hayashi von der japanischen Kyushu University in Fukuoka ist es gelungen, aus Körperzellen von Mäusen Eizellen herzustellen, die am Ende gesunden Nachwuchs hervorbrachten. Dafür entnahmen die Forscher Bindegewebszellen aus dem Schwanz von Weibchen, verwandelten diese in pluripotente, also multitalentierte Stammzellen. Diese sogenannten iPS-Zellen entwickelten sich anschließend in Nährlösungen zu unreifen und dann zu reifen Eizellen. Diese wurden im nächsten Schritt befruchtet und von Mäusen ausgetragen. Von den erzeugten 4048 Eizellen erhielten die Forscher 1348 Embryos. Insgesamt kamen am Ende acht Mäusebabys zur Welt, so die Veröffentlichung vorigen Oktober im Fachmagazin "Nature".