Die Rolle von Computern im Film: menschlich, niederträchtig, unfehlbar

Seite 2: Computer und Krieg

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Einer der wichtigsten Filme des Kalten Krieges wurde nämlich von jenem Stanley Kubrick gedreht, der HAL 9000 so grandios inszenierte. Für seinen Anfang der 60er-Jahre gedrehten Film "Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb" (deutsch "Dr. Seltsam oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben") ersuchten Kubrick und sein Szenarist Ken Adam um eine Drehgenehmigung, um das SAGE-Luftabwehrystem der US-Armee filmen zu dürfen. Doch der Dreh wurde ihnen rundweg verweigert, weil SAGE damals noch im Dienst war. Also dachte sich Ken Adam einen eigenen "War Room" aus, in dem als Computer ein IBM 7000 mitspielte. Als der frühere Filmschauspieler Ronald Reagan US-Präsident wurde und ins Weiße Haus einzog, wollte er genau diesen War Room im Weißen Haus sehen, den Kubrick und Adam virtuos in Szene gesetzt hatten

Bühne frei für NOVAC, den in der Schweiz entwickelten "Nuclear Operative Variable Automatic Computer" und der erste Computer, der in einem Film eine Hauptrolle spielte. Der Supercomputer NOVAC kontrolliert in dem 1954 veröffentlichten Film "Gog" über eine geheime Standleitung zwei riesenhafte Roboter namens Gog und Magog, die in einem US-Labor eine Atombombenexplosion auslösen sollen. So sollte der Kalte Krieg zum heißen Krieg werden, was Spezialagenten des "Office of Scientific Investigation" in letzter Minute verhindern konnten.

Im Film "Der schweigende Stern" nach dem Roman "Die Astronauten" von Stanisaw Lem sind es die Bewohner der Venus, die die Erde mit Atomstrahlen bedrohen. Deshalb startet bereits im Jahr 1970(!) das von einem Computer gesteuerte Raumschiff Kosmokrator zur Venus, um die atomare Bedrohung abzuwenden: In den Film eingeschnitten sind Bilder der Zerstörung von Hiroshima, die die Furchtbarkeit eines Atomkrieges zeigen sollen. Auf der Venus angekommen, findet das internationale Team der Astronauten heraus, dass sich die Venusianer längst selbst ausgelöscht haben, entweder in einem Atomkrieg oder in einem Atomunfall. Mit dieser warnenden Friedensbotschaft geht es zurück zur Erde.

Eine Friedensbotschaft enthielt auch eine westdeutsche TV-Produktion, die legendäre "Raumpatrouille – Die phantastischen Abenteuer des Raumschiffes Orion", die 1966 in sieben Teilen ausgestrahlt wurde. Sie begann mit den Worten: "Was heute noch wie ein Märchen klingt, kann morgen Wirklichkeit sein. Hier ist ein Märchen von übermorgen: Es gibt keine Nationalstaaten mehr. Es gibt nur noch die Menschheit und ihre Kolonien im Weltraum." Sie war die erste deutsche Serie, in der ein Computer "Computer" genannt und nicht als "Elektronenhirn" verballhornt wurde.

Der Bordcomputer des schnellen Raumkreuzers Orion war ein rundliches Ding, das mit einer Tastatur bedient wurde und Datenkarten ausgab, die wiederum den Kurs der Orion steuerten. In der vierten Folge der Raumpatrouille wird der Navigationscomputer der Orion von den gegnerischen Frogs so manipuliert, dass er jedes Besatzungsmitglied an diesem Computer einen Kurs programmieren lässt, der das Raumschiff zu einer Basis der Frogs bringt. Natürlich durchschaut Commander McLane die Manipulation und lässt die Orion zu den Frogs fliegen, nur um die Basis mit einem "Overkill"-Angriff zu zerstören.

Genau elf Tage vor der Ausstrahlung der deutschen Mini-Serie startete in den USA das "Raumschiff Enterprise". Im Star-Trek-Universum spielten zahlreiche Computer wichtige Rollen, angefangen beim persönlichen Tricorder bis hin zum großen LCARS in "Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert", dem Library Computer Access and Retrieval System. Es wurde per Spracheingabe und mit einem Tablet abgefragt und programmiert. Was auf den Tablets zu sehen war, wurde vom künstlerischen Leiter der Serie, Michael Okuda, entworfen. Als "Okudagramme" genießen diese grafischen Bedienoberflächen Kultstatus.

Was wäre Bordarzt „Pille“ ohne seinen Tricorder? Mit heutiger Technik, das hat ein Wettbewerb gezeigt, lässt sich das Diagnosegerät nicht vollständig nachbauen.

(Bild: Paramount Pictures (Universal Pictures))

Ein Wort noch zum Tricorder, mit dem Bordarzt "Pille" McCoy Körperwerte gemessen und wissenschaftliche Tests durchgeführt hat. In der ersten Staffel der ersten TV-Serie wurde dafür ein Salzstreuer verwendet. Im Jahre 2011 setzte die X-Price Foundation ein Preisgeld von insgesamt 10 Millionen US-Dollar für diejenige Firma aus, der es gelingt, einen funktionierenden Tricorder mit möglichst vielen Funktionen zur mobilen Messung von Körperfunktionen zu bauen. Obwohl es keinem Unternehmen gelang, alle geforderten Messungen in einem kleinen Gerät zu vereinen, wurden 2017 die Gewinner ermittelt. Final Frontier Medical Devices gewann 2,6 Millionen Dollar für sein DxtEr genanntes Gerät.

Das Thema Computer und Atomkrieg wurde 1970 in dem Filmklassiker "Colossus: The Forbin Project" (deutsch: Colossus) mit einem richtigen Computer in Szene gesetzt, einer IBM 1620. Colossus ist ein US-amerikanischer Supercomputer, der das Atomwaffenarsenal absichert und eines Tages entdeckt, dass auf sowjetischer Seite ebenfalls ein Supercomputer namens Guardian existiert.

Die beiden tun sich zusammen und bedrohen die Menschheit, um den Frieden zu sichern. Während man in Ost wie West versucht, die Kontrolle zurückzubekommen, lassen Colossus und Guardian in der Ukraine und in Kalifornien Atomraketen detonieren. Sollten sich die Menschen den Anweisungen der Computer nicht fügen, würden alle Raketen gestartet, drohen beide Rechner. Auch so wäre dann der Frieden gesichert, nur eben ohne Menschen, siehe Venus.

Einen Schritt weiter ging es im Film "WarGames" (deutsch: Kriegsspiele), der 1983 in die Kinos kam. Ein jugendlicher Computerfan baut auf der Suche nach neuen Computerspielen mit seinem ollen IMSAI Homecomputer eine Verbindung zu einem Großrechner auf, der Teil des NORAD-Abwehrsystems ist. Dieser lernfähige WOPR-Rechner (War Operation Plan Response) schlägt ihm ein Spiel vor, bei dem ein weltweiter Nuklearkrieg simuliert wird.

Der Junge wählt die Sowjetunion und startet den Erstschlag, während sich WOPR an die Verteidigung der USA macht. Die Eskalation kann dank eines KI-Forschers gestoppt werden, der auf das Spiel aufmerksam wird. Am Ende spielt WOPR allein alle möglichen Kriegsvarianten durch und erkennt, dass alle Varianten eines Atomkrieges in die Katastrophe führen: "Ein seltsames Spiel. Der einzig gewinnbringende Zug ist, nicht zu spielen."

Auf WarGames folgten viele Filme, in denen ein mächtiger Supercomputer mittels Kleinrechner gehackt wurde. Erwähnenswert ist "The Tower" von 1984. In diesem Film fängt das Sicherheitssystem eines Bürogebäudes namens "Lola" mit dem Morden an, weil die Menschen im Gebäude zu viel Energie verbrauchen. Lola läuft auf einer DEC PDP-8, während sie von einem IBM XT aus angegriffen wird: IBM war Sponsor und wollte für seinen gerade erschienenen PC Werbung machen.