Die Windkraft schwimmt sich frei

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Erste Schwimmversuche macht gerade auch WindFloat, ein Projekt von Energias de Portugal (EDF). Der finanzstarke Energiekonzern hat sich vom US-Unternehmen Principle Power einen Schwimmkörper bauen lassen und darauf ein 2-MW-Offshore-Windrad des dänischen Herstellers Vestas mit modifizierter Anlagensteuerung montiert. Der Halbtaucher, der für Tiefen um 50 Meter konzipiert ist, wurde im Herbst vergangenen Jahres vier Kilometer vor der Küste Portugals in etwa 45 Meter Tiefe verankert. WindFloat wurde in einem Trockendock aufgebaut und dann samt Windrad aufs Meer geschleppt. Die Halteseile waren bereits am Grund befestigt, was die Installation von Windrad samt Gründung nach dem Plug-and-Play-Prinzip ermöglichte. Im Vergleich zur Spar-Buoy, die 100 Meter Tiefgang hat, liegt der Auftriebskörper von WindFloat nur etwa 20 Meter unter der Oberfläche.

Der 1200-Tonnen-Koloss weist allerdings eine Besonderheit auf: Das Windrad ist nicht mittig, sondern auf einem der drei senkrecht stehenden Zylinder installiert. Damit die Turbine unter der Last nicht wegkippt, sondern stets im Idealwinkel zum Wind steht, hält ein aktives Ballastwasser-Ausgleichssystem die Anlage in Position. Im Inneren der drei jeweils acht Meter dicken Stahlzylinder sind Kammern eingerichtet, zwischen denen je nach Schräglage bis zu 100 Tonnen Wasser hin und her gepumpt werden. Große Platten am unteren Ende jedes Zylinders dämpfen zudem vertikale Bewegungen. Auf diese Weise wollen die Amerikaner die maximale Kraft aus dem Wind holen – ohne den Anstellwinkel der Blätter zu ändern. Als lagestabile Anlage neigt sich ihr Turm nicht und muss daher auch nicht den Winkel der Blätter korrigieren.

Der Aufwand, der betrieben wird, um die Windräder ruhig zu halten, ist enorm. Dabei sieht SINTEF-Forscher John Olav Tande gar kein Problem in den Bewegungen, vorausgesetzt sie sind nicht zu stark. Im Gegenteil, ganz nach dem Motto "Der Klügere gibt nach" sei es sogar von Vorteil, wenn die Windräder auf eintreffende Böen mit sanftem Zurückschwingen reagieren können: "Ein guter Boxer weicht einem kommenden Schlag ja auch aus", argumentiert der Norweger. So werde das Material geschont. Turm und Flügel könnten elastischer und deshalb mit weniger Materialeinsatz gebaut werden. Dadurch wären sie zudem kostengünstiger.

Dass schwimmende Windräder preiswerter werden müssen, findet auch Hideyuki Suzuki von der Universität Tokio: "Vier Millionen Euro je Megawatt sind erstrebenswert." Für den Forscher und sein Land ist die Technologie von immenser Bedeutung. Doch Japan ist ein Inselstaat – Platz an Land, zudem mit guten Windbedingungen, ist knapp. Und da das Wasser vor Japan tief ist, kommen nur schwimmende Anlagen infrage. "Nach dem Erdbeben und dem Fukushima-Unfall gilt den erneuerbaren Energien viel Aufmerksamkeit", sagt Suzuki. Offiziell sind in Japan zwar gleich sieben neue Projekte in der Umsetzungsphase. Im Wasser befindet sich bislang aber nur eine einzige Anlage: ein 1-kW-Windrad auf einer Spar-Buoy. Eine 2-MW-Anlage soll 2013 folgen. Mitte September 2011 wurde bekannt, dass vor der Küste der Präfektur Fukushima eine Offshore-Windfarm errichtet werden soll. Die Regierung stellt dafür 250 Millionen US-Dollar bereit. Weitere Parks seien in Planung. Involviert ist auch der Multikonzern Mitsubishi, der bis 2017 eine geeignete Plattform speziell für den japanischen Markt entwickeln will. In seiner Forschungsabteilung in England arbeitet das Unternehmen zeitgleich an einer zehn MW starken Anlage für den Offshore-Einsatz. Großbritannien ist für alle Akteure interessant, weil rund um die Insel eine gigantische Offshore-Windenergieleistung ausgeschrieben ist. Bis zum Jahr 2020 sollen Kraftwerke mit insgesamt rund 25 Gigawatt vor den Küsten des Landes stehen – aber vornehmlich auf starren Fundamenten.

Deutschland setzt mit seinen ausgedehnten Flachwassergebieten in Nord- und Ostsee ebenfalls auf Windkraftanlagen mit festen Fundamenten. Doch im Ausland verspricht die schwimmende Windkraft den deutschen Akteuren glänzende Geschäfte. Die Arbeiten des Fraunhofer-Instituts zeugen davon. Jochen Bard ist nicht nur IWES-Abteilungsleiter, sondern auch erster Mann von "HiPRwind", dem EU-Projekt "High Power, high Reliability offshore wind technology", dessen 18 Partnerunternehmen aus acht EU-Ländern schwimmende Windräder, besonders die ganz großen, voranbringen sollen. Denn noch seien etliche Fragen offen, ist der Ingenieur überzeugt. Im Rahmen des Projekts entwickeln Bard und seine Partner gerade ein Halbtaucher-Fundament, das ein 1,5-MW-Windrad vom spanischen Hersteller Acciona tragen soll. Da es in der Mitte des dreieckigen Gebildes steht, kommt der Schwimmer ohne aufwendiges Hin- und Herpumpen von Ballastwasser aus. Das macht die Konstruktion einfacher und günstiger. Die Anlage wird voraussichtlich 2013 vor der Nordküste Spaniens installiert, die für ihre raue See bekannt ist. Hier entsteht ein Testfeld für Offshore-Windtechnologien, dessen Forschungsergebnisse ab 2015 in eine 10- bis 15-MW-Maschine einfließen und dann der gesamten Industrie zur Verfügung stehen sollen. Dafür schießt die EU rund zehn Millionen Euro hinzu. Geht es nach Bard, dann werden in Zukunft noch ganz andere Anlagen aus den Fluten auftauchen: Kraftwerke, die sowohl Wind- als auch Wellen- und Gezeitenströmungsenergie anzapfen, beschreibt der Forscher seine Vision.

Auch Michal Forland, Chef von Sway, glaubt trotz des herben Rückschlags fest an die Zukunft seiner Anlage: "Wir haben jetzt eine wasserdichte Lösung", spielt er auf den Untergang seines Prototyps an. Diese Lösung biete noch weit mehr als Sicherheit gegen hohe Wellen. Das System sei das leichteste und damit das günstigste auf dem Markt. Während der Schwimmer von Principle Power rund 2700 Tonnen und der von Hywind 2300 Tonnen auf die Waage brächte, käme eine Sway, die das glei-che Windrad trägt, mit der Hälfte aus. Möglich macht das ein Turm, der ähnlich wie der Mast von Segelyachten mit Stahlseilen abgespannt ist und so Schwingungen vermeidet. Dadurch werde der Turm nicht nur leichter, sondern auch "zehnmal langlebiger".

Dafür muss die Sway allerdings als sogenannter "Leeläufer" gebaut werden. Bei dieser Konstruktion drehen sich die Flügel auf der windabgewandten Seite des Turms, damit sie nicht mit mit den Abspannseilen kollidieren. Der Vorteil eines solchen Konzepts liegt in seiner Einfachheit: Leeläufer richten sich selbst aus und müssen der Windrichtung nicht aufwendig nachgeführt werden. Wie eine Fahne dreht sich der Turm im Wasser, das sozusagen als Lager dient, in die richtige Richtung. Das spart bewegliche Teile und damit auch Geld. Kritiker halten dagegen, dass man dafür spezielle Leeläufer-Windräder bräuchte. Aber das sieht Forland ganz anders: "Im Prinzip nimmt man eine Standardanlage, dreht die Blätter um und lässt sie rückwärts laufen. So einfach ist das." (bsc)