Die Wüste lädt

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Nur ein paar Gebäude weiter arbeitet seit Januar ein Team um den griechischen Robotikforscher Kostas Alexis an Navigationssystemen für Drohnen, damit sie sich auch ohne GPS selbstständig zurechtfinden und ihre Route planen können. Kostas sprang bei der renommierten ETH in Zürich ab, um sein eigenes Labor in Reno aufzubauen. Bislang hat er vier Postdocs aus aller Welt angeworben. "Für einen jungen Professor wie mich war das ein Angebot, das ich nicht ablehnen konnte", sagt Alexis, dessen altes Schweizer Team mit einem Gleiter namens "Atlantic Solar" den Weltrekord für den längsten autonomen Flug aufstellte.

Den optimistischen Schätzungen von Marktforschern zufolge könnten sich Drohnen in Nevada zu einem Geschäft mit zwei bis drei Milliarden Dollar Jahresumsatz entwickeln. Bei Reno steht mit dem Stead Airport ein kompletter ehemaliger Militärflughafen zur Verfügung, auf dem sich Start-ups austoben können. Ein einsamer Tower überragt auf 1500 Meter Höhe mehr als 2000 Hektar Wüste, in der Spezialeinheiten noch vor ein paar Jahren den Einsatz in Afghanistan probten. Jetzt steht ein Neubau vor dem Rollfeld, in dem sich Drohnenfirmen einmieten können. Seit es landesweite Regeln für unbemannte Systeme gibt, ist die Zahl offiziell angemeldeter Testflüge explodiert.

Allein im Januar stiegen in Nevada ebenso viele Drohnen auf wie im gesamten vierten Quartal 2015. Anfang April kündigte auch die Nasa an, dort ein Forschungszentrum für unbemannte Fluggeräte einzurichten. Die Zeichen des Wandels sind bereits unübersehbar. Auf leer stehenden Grundstücken direkt neben angeschlagenen Casinos sind Apartmenttürme emporgewachsen, ehemalige Büroruinen sind mittlerweile "Innevation Center" (schreibt sich wirklich mit "e") oder Maker-Labore. Szenebars, Restaurants, kleine Brauereien und Brennereien für Hochprozentiges schießen aus dem Boden – sichere Indizien für eine beginnende Gentrifizierung und steigende Einkommen. Die Planer der regionalen Wirtschaftsförderung in Reno rechnen damit, dass sich die Einwohnerzahl der Stadt bis 2019 um 65000 Menschen erhöhen wird.

Zwei Probleme gehen damit allerdings einher, die Nevada bislang noch nicht gelöst hat: Das Wachstum treibt die Lebenshaltungskosten in die Höhe, und es fehlt der Nachschub an Wissensarbeitern. In vier Jahren sank die Arbeitslosenquote von 14 auf 5,5 Prozent, während sich der Preis für ein Einfamilienhaus verdoppelte. "Mitte des nächsten Jahres haben wir Vollbeschäftigung", sagt Mike Kazmierski, Chef der regionalen Wirtschaftsförderung in Reno. "Wir müssen dringend mehr talentierte Leute importieren, Wohnungen und Schulen bauen."

Importierte Akademiker wie Kostas und Rojas sollen daher nur die Vorhut sein. Bis 2020 will die UNR 280 neuen Professuren schaffen. Damit stockt sie ihr Lehrpersonal im Eiltempo um rund 50 Prozent auf. "Wir ziehen inzwischen junge Talente an Land, die sonst nach Stanford oder Berkeley gehen würden – nicht zuletzt dank der Ausstrahlung von Tesla", freut sich Jeff Thompson, Dekan für Natur- und Ingenieurwissenschaften.

Die Früchte der wissenschaftlichen Arbeit sollen möglichst rasch in kommerzielle Anwendungen einfließen. So sind Kostas und Rojas gemeinsam mit der Beratungsfirma Deloitte und dem Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme (IVI) am jüngsten Plan Nevadas beteiligt, in Las Vegas einen "City Demonstrator" aufzubauen.

Man denke darüber nach, mit deutschen Industriepartnern in Las Vegas eine feste Linie autonomer Elektrotaxis einzurichten, sagt IVI-Professor Matthias Klingner. Am ersten Workshop in Nevada nahmen zahlreiche renommierte Hersteller teil – von Bosch, Daimler über Ford und Siemens bis zum Ridesharing-Dienst Lyft und dem Bezahldienst Square. "Wir reden hier nicht von abgesperrten Flächen, sondern von einer echten Stadt mit jeder Menge Verkehr und unberechenbaren Fußgängern. Das kann sonst niemand offerieren", glaubt Karsten Heise.

Die Universität Reno bietet zudem einem halben Dutzend Neugründungen Räumlichkeiten, Studenten und Startkapital. So kann sich Wirtschaftsförderer Kazmierski darüber freuen, dass er seit 2010 nicht nur Tesla, sondern mehr als 100 weitere Firmen zur Ansiedlung bewegt hat: "Wir sind auf dem besten Weg, Hightech zu einem wichtigen Teil unserer Wirtschaft zu machen.

Wir sind von null auf drei Prozent gekommen und werden bald bei zehn Prozent liegen." Dan Langford, der von Australien den Weg nach Nevada fand und das Center for Advanced Mobility kommissarisch leitet, glaubt sogar: "Nevada kann das neue Detroit werden." (bsc)