Die X-Akten der Astronomie: Der unmögliche Weiße Zwerg

Seite 3: Verräterische Blaue Nachzügler

Inhaltsverzeichnis

Oder der Vorläuferstern hatte sich doch zu einem Roten Riesen mit einem Radius von einer Astronomischen Einheit aufgebläht, sodass im derzeitigen Orbit Masse zum Primärstern überfließen konnte. Der Kern eines solchen Sterns hätte dann aber wenigstens 0,5 Sonnenmassen. Er müsste dann durch einen noch unbekannten Mechanismus die Hälfte seiner Masse verloren haben. Tatsächlich gibt es eine Klasse von Sternen, die sogenannten Field Blue Stragglers, die offenbar durch Massentransfer von Begleitsternen scheinbar verjüngt wurden – sie brennen heißer und blauer als ihr Alter es zulassen würde, denn blaue Sterne leben wegen ihres hohen Energieumsatzes nur ein paar zehn bis hundert Millionen Jahre lang.

Blue Straggler bedeutet blauer Nachzügler, ein treffender Name für einen nachträglich verjüngten Stern. Man kennt diese aus den sehr alten Kugelsternhaufen, in deren Zentren die Sterne so dicht stehen, dass sie manchmal verschmelzen und zu blauen Nachzüglern werden – der Massenzuwachs erhöht den Druck im Stern und heizt so die Fusionsprozesse mächtig an, was die Sterne blau-weiß glühend leuchten lässt.

Field Blue Stragglers heißen so, weil sie im Feld, also außerhalb von Kugelsternhaufen, beobachtet werden, wo Sternkollisionen außerhalb von Mehrfachsternsystemen so gut wie ausgeschlossen sind. Nur ein Massentransfer von einem Begleiter kann sie verjüngen. Für einen Massentransfer spricht die schnelle Rotation dieser Sterne – das einfallende Material hat den Stern wie den Strudel an einem Wasserabfluss in Drehung versetzt – und dass sie von Doppelsternpartnern umkreist werden, die so lichtschwach sind, dass ihre Anwesenheit sich nicht einmal durch eigene Linien im gemeinsamen Spektrum verrät. Die Dopplerverschiebung der Spektrallinien des Primärsterns zeigt jedoch, dass er sich unter dem Einfluss der Schwerkraft eines Partnersterns hin- und herbewegt. Unter diesen finden sich teils solche bis hinab zu 10 Prozent der Sonnemasse mit Orbits weit jenseits der Entfernung für einen stabilen Massentransfer durch einen Stern mit einem so leichten Kern.

Interessanterweise zeigen zwei dieser Blue Stragglers gehäuft Elemente wie Strontium, Barium und Blei in ihrem Spektrum, die wie eingangs erwähnt durch Neutroneneinfang in Sternen von 0,6-10 Sonnenmassen entstanden sein müssen, welche mit Sicherheit Kerne von mehr als 0,4 Sonnenmassen gehabt hatten. So scheint KIC 8145411 vielleicht doch kein seltener Einzelfall zu sein.

Auf welche Weise aber die Masse der Überreste dieser Sterne bei weniger als 20 Prozent der Sonnenmasse enden konnte, weiß bislang niemand.

(mho)