Die X-Akten der Astronomie: Der unmögliche Weiße Zwerg

Bestimmte Sterne werden am Lebensende zu Weißen Zwergen. Für deren Masse gibt es aber Grenzen. Mit einem, der dagegen verstößt, beginnt eine neue Artikelserie.

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Anomalien im All: Der unmögliche Weiße Zwerg
Lesezeit: 12 Min.
Von
  • Alderamin
Inhaltsverzeichnis

Dank immer besserer Technik, innovativen Ansätzen und internationaler Kooperation erlebt die Astronomie eine Blüte. Doch während viele Beobachtungen dabei helfen, Theorien zu verfeinern oder auszusortieren, gibt es auch immer wieder Entdeckungen, die einfach nicht zu passen scheinen. Mysteriöse Signale, mutmaßliche Verstöße gegen Naturgesetze und – noch – nicht zu erklärende Phänomene. In der Öffentlichkeit wird dann gerne darüber diskutiert, ob es sich um Spuren außerirdischer Intelligenz handelt, Wissenschaftler wissen, dass es am Ende fast immer eine natürliche Erklärung gibt. Aber überall wird die Fantasie angeregt.

In einer Artikelserie auf heise online werden wir in den kommenden Wochen einige solcher astronomischen Anomalien aus einer jüngst vorgestellten Sammlung vorstellen und erklären, warum alle Erklärungsversuche bislang an ihnen scheitern.

Das Weltraumteleskop Kepler ist ein Superstar unter den Raumsonden, hat es doch die große Mehrzahl der aktuell bekannten Exoplaneten entdeckt, also Planeten um fremde Sterne. Kepler suchte dafür nach den winzigen Verdunklungen bei Sternen, die durch diese Planeten verursacht werden, die aus unserer Perspektive vor den Sternen vorüberziehen (sogenannte Transits) und einen winzigen Teil (1,0 bis 0,01 Prozent) der Sternoberfläche abschatten. Auf diese Weise hat Kepler die Kataloge gut befüllt, aber auch Ungewöhnliches entdeckt. Ein ganz besonderes Exemplar ist ein Weißer Zwerg, den es eigentlich noch lange nicht geben dürfte. Um das zu erklären, müssen wir aber etwas weiter ausholen.

Die X-Akten der Astronomie

Das dramatische Ende massiver Sterne als Supernova ist hinlänglich bekannt. Kleinere Sterne von der Größe unserer Sonne enden allerdings nicht in einer spektakulären Explosion. Den weitaus größten Teil ihres Lebens fusionieren Sterne in ihrem Kern Wasserstoff zu Helium. Wenn am Ende ihres Lebens der Wasserstoff im Kern zur Neige geht, verlagert sich die Wasserstofffusion mehr und mehr in eine Schale um den Kern. Im Kern sammelt sich die Helium-"Asche" an und verdichtet sich mehr und mehr unter ihrem Eigengewicht und dem Druck des darüberliegenden Sterns zu einem Objekt von etwa der Größe der Erde, bis schließlich der sogenannte Entartungsdruck der Elektronen einen weiteren Kollaps verhindert.

Das Pauli-Prinzip besagt, dass zwei Elektronen im gleichen Volumen nicht in allen ihren Eigenschaften übereinstimmen dürfen und limitiert somit die Zahl der Elektronen auf gleichem Energieniveau, sodass die Elektronen im entarteten Gas alle möglichen Energieniveaus bis fast zur Lichtgeschwindigkeit auffüllen müssen. Weiter lässt sich das Gas dann nicht mehr verdichten.

Je mehr Masse der entartete Kern hat, desto höher kann er durch weiteres Schrumpfen die Energie der Elektronen treiben und umso kleiner und heißer wird der Kern, ohne dass der Entartungsdruck dadurch zunähme. Sterne von mindestens 0,6 Sonnenmassen erreichen so noch die Temperatur, bei der Helium fusioniert und Kerne bis zum Magnesium bildet. Beim sogenannten s-Prozess können durch bei den Fusionsprozessen freigesetzte und von Kernen eingefangene Neutronen sogar Elemente schwerer als Eisen entstehen. Elemente wie Strontium, Zirkon, Barium, Bismut, Quecksilber und Titan gehen zum größten Teil auf das Ende von Sternen mit 0,6 bis 10 Sonnenmassen zurück.

Während der Kern schrumpft, bläht das Schalenbrennen von Wasserstoff den Stern äußerlich immer weiter auf, er wird zum Roten Riesen mit 100 und mehr Sonnendurchmessern. An der weit vom Massenzentrum entfernten Oberfläche sind die Gasdichte und die Schwerkraft so gering, dass der von den Magnetfeldern des Sterns angetriebene Sternenwind den Roten Riesen große Mengen an Gas in den Weltraum verlieren lässt. So bläst der Stern allmählich seine gesamte Hülle fort.

Zurück bleibt nur der nackte, etwa erdgroße entartete Kern, der aus der Fusionsphase noch auf mehrere 10.000 K aufgeheizt gleißend weiß leuchtet, aber wegen seiner kleinen Oberfläche insgesamt nicht sehr hell ist – ein Weißer Zwerg. Seine Materie ist so dicht gepackt, dass ein Kubikzentimeter davon um die 1000 Tonnen Masse aufbringt. Ein Stern von einer Sonnenmasse hinterlässt einen Weißen Zwerg von 0,6 Sonnenmassen, Sterne von einer halben Sonnenmasse solche von 0,4 Sonnenmassen.

Sterne von weniger als einer halben Sonnenmasse blähen sich nicht zu Roten Riesen auf. In Sternen wie der Sonne ist der Kern vom Austausch mit dem Rest des Sterns abgeschnitten, weil in den tieferen, heißen Schichten des Sterns die Wärme durch Strahlung nach außen befördert wird. Nur in den äußeren Schichten wird sie durch aufsteigendes Gas nach oben transportiert, also durch Konvektion, die mit einer Umwälzung des Gases einhergeht. Damit kann so ein Stern nur einen kleinen Teil seines Wasserstoffs der Fusion zuführen.

Sterne von weniger als einer halben Sonnenmasse, die sogenannten Roten Zwerge, sind im Inneren kühler, bis zur Fusionszone konvektiv und können so fast ihren gesamten Wasserstoffvorrat im Kern verbrennen, ohne zum Schalenbrennen übergehen zu müssen. Wenn sie mindestens 10 Prozent der Sonnenmasse aufbringen, schrumpfen sie dabei allmählich im Ganzen unter ihrem Gewicht zu einem Weißen Zwerg zusammen.

Da unter dem vergleichsweise geringen Druck in ihrem Inneren die Fusion zudem nur stark gedrosselt abläuft – selbst die Sonne erzeugt in einem Kubikmeter ihres Kerns weniger Wärme als ein gleich großer Misthaufen – leben die leichtesten Roten Zwerge extrem lange. Nicht Milliarden Jahre, wie die Sonne, sondern tausende Milliarden – Billionen. Weitaus länger als das bisherige Alter des Universums. Deswegen sollte es im Universum keine Weißen Zwerge von 10 bis 30 Prozent der Sonnenmasse geben.