Was wiederbelebte Mammuts für den Arten- und Klimaschutz bringen

Auf der UN-Bioversitätskonferenz geht es um den Erhalt von Arten und Lebensraum. Nach der Idee von George Church sollen auch ausgestorbene Tiere dabei helfen.

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(Bild: Shutterstock/Dotted Yeti)

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Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler
Inhaltsverzeichnis

Er ist nicht nur für die Entwicklung bahnbrechender Molekulartechnologien, sondern auch für ausgefallene wissenschaftliche Ideen bekannt. Einen seiner neuesten Pläne umweht ein Hauch von Jurassic Park: Der renommierte Harvard-Molekularbiologe und Genetiker George Church will die vor 4000 Jahren ausgestorbenen Wollhaarmammuts wiederbeleben. Genauer gesagt will sein von namhaften Investoren unterstütztes Start-up Colossal Biosciences Asiatische und Afrikanische Elefanten mit Wollhaarmammut-Genen widerstandsfähiger gegen Kälte und auch gegen Viren machen.

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(Bild: Miha Creative / Shutterstock.com)

Diese "Mammufanten" sollen – wie früher die Mammuts – die arktische Tundra bevölkern und die heute bewaldeten Feuchtgebiete wieder in eine ausgedehnte Grassteppe verwandeln. Die bindet dann Kohlendioxid und die Schneedecke reflektiert die Sonneneinstrahlung.

Auch verspricht sich Church von den Kolossen, dass sie beim Grasen im Schnee einerseits kalte Luft an den Boden gelangen lassen und andererseits das Eis im Boden durch ihr Gewicht verdichten. Beides soll das Auftauen des Permafrostbodens und damit die Freisetzung riesiger klimaschädlicher Methanmengen verhindern.

Sie wollen Wollmammuts wieder zum Leben erwecken und verfolgen damit auch ökologische Ziele. Was erhoffen Sie sich?

Wir konzentrieren uns auf zwei ökologische Folgen: Die Überlebensfähigkeit der Elefanten zu verbessern, denn alle Elefantenarten sind vom Aussterben bedroht. Hierdurch würden sie einen neuen Platz außerhalb der Reichweite der meisten Menschen erhalten. Und die Arktis würde wieder zu einem Ökosystem werden, das nach Ansicht vieler Ökologen früher viel lebendiger war.

In Duvannii Yar hat George Church Knochen von Wollmammuts ausgegraben.

(Bild: Eriona Hysolli)

Am wichtigsten ist jedoch, dass hier 1.400 Gigatonnen Kohlenstoff im Boden eingeschlossen sind, die aufgrund der höheren Durchschnittstemperaturen freigesetzt werden. Ein Großteil davon ist Methan, das 30- bis 80-mal schlimmer für das Klima ist als Kohlendioxid. Das ist wichtiger als die anthropogenen Kohlenstoffquellen, bei denen es sich hauptsächlich um Kohlendioxid handelt, die nur zehn Gigatonnen pro Jahr ausmachen. Es wäre also wichtig, die Temperaturen zu senken.

Wie helfen die Mammufanten dabei?

Einige Modelle deuten darauf hin, dass ein höheres Verhältnis von Gras zu Bäumen, wie es vor Tausenden von Jahren der Fall war, auf dreierlei Weise helfen würde: erstens durch eine höhere Reflexion der Sonneneinstrahlung, die sogenannte Albedo. Zweitens lassen grasende Pflanzenfresser, die den Schnee zertrampeln, die minus 40 Grad Wintertemperaturen besser zum Boden durchdringen, um den methanreichen Boden am Auftauen zu hindern. Eine dicke, flauschige Schneeschicht ist wie eine Daunendecke, aber wenn man den Schnee so zusammenpresst, dass er zu festem Eis wird, hat er eine sehr hohe Wärmeleitfähigkeit. Und der dritte Vorteil wäre eine bessere Fotosynthese-Rate durch das Gras, weil das CO2-Bindung und nicht bloß eine Verlangsamung des Kohlenstoffverlustes bedeutet.

Dieser Text stammt aus: Technology Review 5/2022

(Bild: 

Technology Review 5/2022 im heise shop

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Was sind die wichtigsten Schritte für die Wiedererweckung des Wollhaarmammuts?

Der erste Schritt besteht darin, eine Technologie zu entwickeln, mit der Dutzende bis Tausende Änderungen an der Keimbahn vorgenommen werden können. Der zweite Schritt wäre, die Reproduktion so weit zu steigern, dass die Tiere in einem angemessenen Zeitraum eine Wirkung entfalten können. Und drittens geht es darum, sie so zu platzieren, dass sie von Knotenpunkten aus in Regionen mit hohem Kohlenstoffgehalt und geringer menschlicher Bevölkerungsdichte wandern.

Haben wir die Technologie für präzise gentechnische Änderungen?

Ja. Wir haben bei verschiedenen Schweinestämmen 42 Veränderungen zum Zweck der Gewebetransplantation erfolgreich durchgeführt. Sie sind so gesund, dass sie Organe für präklinische und klinische Versuche an Menschen spenden. In menschlichen Zellen haben wir sogar 24 000 Änderungen durchgeführt, die stabil vererbt werden. Für die Mammuts haben wir eine Liste von Editierungen zusammengestellt, bei denen die mütterlichen und väterlichen Genvarianten der kälteresistenten Vorfahren gleich waren. In vielen Fällen werden diese auf die Kälteresistenz ausgerichtet sein.

Was müssen Sie noch anpassen, damit die Tiere an die Umwelt gut angepasst sind?

Die meisten der Kältetoleranz-Genvarianten, die wir untersuchen, betreffen die Dicke der Fettschicht, das Haar und die Wolle – und zwar körperweit. Auch kleine Ohren, spezialisierte Fettdepots, Skelettstrukturen, Stoßzähne. Wir wollen in der Lage sein, sowohl kurze als auch lange Stoßzähne zu erzeugen. Kurze Stoßzähne könnten einen Schutz gegen Wilderei darstellen. Oder gar keine Stoßzähne, denn in freier Wildbahn hat sich gezeigt, dass Elefanten auch ohne Stoßzähne zurechtkommen.

Stammen diese Gene aus Mammut-DNA-Proben? Und woher wissen Sie, wo sie eingefügt werden sollen – sprich: Ist die ursprüngliche genetische Struktur der Mammuts bekannt?

Ja, es gibt viele gefrorene Mammuts. Mammutgenome gehören zu den am besten sequenzierten Genomen der Welt. Auch Elefantengenome stehen gleich an zweiter Stelle hinter dem des Menschen. Wir haben also eine gute Kartierung der Gene, denn insbesondere die Asiatischen Elefanten sind den Mammuts mit 99,6 Prozent Erbgutübereinstimmung sehr ähnlich. Die Veränderungen, die wir zum Beispiel im Blut, im Hämoglobin, vornehmen, liegen vielleicht in der Größenordnung von fünf. Man kann es sich fast so vorstellen, dass Elefanten und Mammuts Mutanten des jeweils anderen sind.

Wie wollen Sie eine ausreichend große Mammutpopulation aufbauen, auch um Inzucht zu vermeiden?

Die Idee ist, mit einer Herde Afrikanischer oder Asiatischer Elefanten zu beginnen, die ein paar wolligere Mitglieder hat und groß genug ist, um schnell zu einer vielfältigen Herde heranzuwachsen. Es gibt eine große Überlappung bei den Temperaturen – Winter für die Asiatischen Elefanten und Sommer für die Mammuts ist ziemlich ähnlich. Sie werden dabei von Anfang an genetisch vielfältig sein, weil sie die Vielfalt der Elefantenwirte plus die Vielfalt, die wir einführen, besitzen. Wir versuchen auch, die künstliche Vermehrung außerhalb des Körpers zu ermöglichen, sodass wir im Prinzip gleichzeitig Tausende Tiere mit unterschiedlichen genetischen Kompositionen erschaffen können.

Sie planen also, künstliche Gebärmütter für Mammuts zu verwenden?

Richtig. Wir wollen das aus zwei Gründen tun. Ich meine, es ist spekulativ. Es wurde bei Säugetieren noch nicht nachgewiesen, es gibt also keine Garantie. Aber unsere zwei Gründe sind, dass wir erstens die natürliche Fortpflanzung der gefährdeten Elefantenarten auf keinen Fall beeinträchtigen wollen. Der zweite Grund ist, dass wir die gesamte Entwicklung beobachten möchten. Dabei ist es viel einfacher, die Entwicklung in einem Labor zu verfolgen, als wenn sie in einer wilden Mutter stattfindet.

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Könnte die künstliche Gebärmutter, die bei frühgeborenen Lämmern getestet wurde, ein Ansatzpunkt sein?

Ja, wir stehen in Kontakt mit der Gruppe von Alan Flake vom Children’s Hospital of Philadelphia. Das Lamm-Experiment ist sehr aufregend. Wir können durch das epigenetische Reprogrammieren von Stammzellen fast jede Zelle herstellen, in diesem Fall Gefäße und Gebärmutterschleimhaut. Es gibt also einige Fortschritte, vor allem beim Menschen.

Aber wir müssen noch herausfinden, wie man die Nabelschnur befestigen kann. Denn der Erfolg des Experiments hing von einer Nabelschnur ab – die ist bei einer künstlichen Befruchtung allerdings nicht automatisch vorhanden. Bei Elefanten nistet sich das Embryo 42 Tage nach dem Eisprung in der Gebärmutter ein. Die fetalen Nabelschnur-Blutgefäße bilden sich einige Tage später.

Wäre später nicht auch Populationskontrolle nötig? Erfahrungen mit europäischen Wisenten haben gezeigt, dass sie bei unkontrollierter Vermehrung etwa Hirschpopulationen nicht genug Nahrung übrig lassen.

Unser Team kooperiert mit dem Pleistozän-Park in Sibirien, wo Sergey und Nikita Zimov die Beziehungen von ungefähr zehn wieder ausgewilderten Arten untersuchen. Wir können von dieser Dynamik lernen, da es der Umgebung, in der wir arbeiten wollen, sehr nahekommt. Außerdem ist es wichtig, nach Möglichkeiten zu suchen, ihre Wanderungen zu lenken. Vielleicht können wir ihre Bewegung durch das gezielte Pflanzen von Stauden beeinflussen. Aber wir werden ihre Wanderungen weit weg von allen Bevölkerungszentren beginnen, für den Anfang mindestens 100 Kilometer.

Kann Ihr Plan schnell genug funktionieren, um den Klimawandel rechtzeitig einzudämmen?

Unsere Hoffnung ist, dass es rechtzeitig klappt. Der Colossal-Geschäftsführer Ben Lamm hat das Ziel von sechs Jahren bis zum ersten künstlichen Kalb ausgegeben. So lange hat es ungefähr gedauert, bis wir das zweite und dritte gentechnisch veränderte Schwein hatten. Bei Mammuts dauert die Trächtigkeit zwar länger, aber wir haben auch mehr Erfahrung.

Und wir glauben, dass wir durch die künstlichen Gebärmütter von den ersten paar Elefantenkälbern auf Tausende parallel hochskalieren können. Die Skalierung hängt damit nicht von dem langsamen Zuchtprozess ab. Normalerweise dauert es etwa neun Jahre bis zur Geschlechtsreife, fast zwei Jahre bis zur Schwangerschaft, und sie bekommen nur ein Kalb pro Schwangerschaft. Wenn wir also wollen, dass es schnell geht, müssen viele Embryonen gleichzeitig wachsen – und zwar ohne Leihmütter.

Wie würden Sie den Erfolg des Projekts messen?

Messungen von Kohlendioxid, Methan und Bodentemperaturen: Die Freisetzung von Methan und Kohlendioxid soll verringert werden und die mittlere Sommer- und Wintertemperatur am Boden sinken.

Gibt es andere Initiativen zur Auswilderung, die Interesse an Ihrem Colossal-Projekt haben?

Demnächst kündigen wir einige Kooperationen in Nordamerika an. Es sieht sehr vielversprechend aus.

(vsz)