Deutschland in der Digitalen Dekade: So steht Deutschland im EU-Vergleich

Die EU-Kommission misst den Fortschritt der EU-Staaten bei der Digitalisierung und vergleicht sich mit anderen Ländern. Ihre Methodik hat sie zuletzt verändert.

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Inhaltsverzeichnis

Mit dem "Digital Economy and Society Index" (DESI) überwacht die Europäische Kommission den technischen Fortschritt und die digitale Entwicklung der EU-Staaten. Der Index zeigte den Ländern von 2014 bis 2022, wo sie stehen und in welchen Bereichen sie sich verbessern können. Seit vergangenem Jahr ist der Index in den Bericht zur Digitalen Dekade integriert, um beide besser miteinander abzustimmen. Mit der Digitalen Dekade möchte die EU-Kommission umfassende und nachhaltige digitale Transformationen in allen Wirtschaftssektoren erreichen. Wir schauen uns in diesem Artikel an, was sich geändert hat und wie die EU ihren eigenen und Deutschlands Fortschritt einschätzt.

Angesichts der beschleunigten technischen und geopolitischen Entwicklungen möchte die EU eine führende Position in der weltweiten Wirtschaft besetzen. Um ihre Fort-, aber auch Rückschritte besser zu überblicken, hat sie die Methodik des DESI angepasst, Indikatoren überarbeitet und hinzugefügt, wie etwa für Glasfaserversorgung oder KI.

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Um die Ziele der Digitalen Dekade bis 2030 zu erreichen, mussten die Mitgliedstaaten der Europäischen Kommission nationale Fahrpläne vorlegen, in denen sie ihre geplanten Maßnahmen ausformulieren. Aufgrund der nationalen Fahrpläne kann die Kommission die Fortschritte der Länder einschätzen und abwägen, ob die Maßnahmen genügen. Der Bericht zur Digitalen Dekade kann den Mitgliedstaaten also auch als Grundlage für politische Maßnahmen dienen. Außerdem haben die Mitgliedsstaaten 127 Mrd. Euro für "digitale Reformen und Investitionen in die nationalen Aufbau- und Resilienzpläne" zur Verfügung gestellt. Das soll die Digitalisierung noch einmal beschleunigen und externe Abhängigkeiten verringern. Den Bericht erstellt die Generaldirektion Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien der Europäischen Kommission.

Bis er in diesen Bericht integriert wurde, ging es beim DESI eher darum, die Leistungen der EU-Staaten zu vergleichen. Doch der Bericht zur Digitalen Dekade legt den Fokus auf die gemeinsamen Anstrengungen der Länder: Jedes Land soll „nach besten Kräften etwas beitragen“ – mit Rücksicht auf die jeweiligen Ausgangspositionen.

Für das Jahr 2022 hatte die Europäische Kommission die Indikatoren des Index bereits überarbeitet. Bei der Dimension digitale Kompetenzen kam etwa die Versorgung mit Glasfaser bis zum Gebäude hinzu, um die Gigabit-Konnektivität der Länder besser zu erfassen. Außerdem wurde der Indikator für die Nutzung mobiler Breitbanddienste aktualisiert, um die Internetnutzung mit verschiedenen mobilen Geräten abzubilden. Der Cloud-Indikator soll den Umgang mit fortgeschrittener Cloud-Technologie genauer erheben. Und auch für das Themengebiet KI ist eine neue Analyse dazugekommen.

Dimensionen, Sub-Dimensionen und Indikatoren des DESI-Berichts (3 Bilder)

Die vier Dimensionen des DESI-Berichts
(Bild: heise online, erstellt mit draw io)

Mit seiner Integration in den Bericht zur Digitalen Dekade änderte sich der DESI 2023 erneut. Dabei stechen einige Details ins Auge: Zum Beispiel fällt der Indikator für Frauen in IT-Berufen weg, wenn es um die Erhebung der digitalen Fähigkeiten der Gesellschaft geht. Bei den digitalen Infrastrukturen fehlt der Preisindex für Breitbanddienste, bei der digitalen Transformation von Unternehmen der Punkt "ökologische Nachhaltigkeit". Dafür kommen einige Unterpunkte hinzu, die meisten bei der Digitalisierung der öffentlichen Dienste. Dort finden sich jetzt Indikatoren für den Nutzer-Support, die Eignung für Mobilgeräte und der Zugang zu elektronischen Gesundheitsdatensätzen.

Die Daten für den Bericht stammen von verschiedenen Quellen, etwa aus Studien von Capgemini, Omdia, Point Topic, empirica, PredictBy und IHS Markit. Außerdem wurden etwa Eurostat, e-Government Benchmark und die Dienststellen der Europäischen Kommission über den Kommunikationsausschuss sowie nationale statistische Ämter hinzugezogen.

Für die Daten nennt der Bericht als Voraussetzung, dass sie regelmäßig erhoben werden müssen, idealerweise jährlich. Zudem müssen sie als relevante Metriken in den jeweiligen Bereichen akzeptiert worden sein.

Als Äquivalent zum DESI-Bericht gibt es auch den iDESI-Bericht, der die EU in einen weltweiten Vergleich stellt. Dieser Vergleich ist nun auch Teil des Berichts zur Digitalen Dekade. Er erhebt unter anderem, in welchen technischen Bereichen die Regionen Schwerpunkte setzen. So liegen die größten Anstrengungen der EU mit einem Anteil von 23 Prozent beispielsweise im Bereich der Infrastruktur Cloud Computing.

Die Studie "Analytical insights into the global digital ecosystem (DGTES)", die der Bericht zurate zieht, differenziert außerdem den relativen Aufwand, den verschiedene geografischen Gebieten im Vergleich zum Weltdurchschnitt betreiben. Dabei kommt heraus, dass sich Europa erheblich verbessern könnte. Der Anteil der EU an den weltweiten Einnahmen auf dem Markt für IT, Telekommunikation und Unterhaltungselektronik sei in den vergangenen zehn Jahren drastisch gesunken, so die Analyse – in den letzten neun Jahren um 10,5 Prozent. Die USA haben hingegen um 9,2 Prozent zugelegt. Die EU ist also dazu angehalten, ihre technische Führungsrolle wieder zu stärken und den digitalen Wandel verstärkt voranzutreiben. Das betrifft vor allem die Bereiche kritische Rohstoffe, Halbleiter, IT-Software (Cloud- und Edge-Software) sowie die Cybersicherheit.

Relativen Gewichtung der digitalen Bereiche in der EU, China, den USA und dem Rest der Welt (abgekürzt RoW).

(Bild: Screenshot, Bericht zur Digitalen Dekade 2023)

Der Bericht zur Digitalen Dekade kommt zum Schluss, dass die Maßnahmen der EU beschleunigt, vertieft und stärker koordiniert werden müssen, um die Ziele bis 2030 zu erreichen. Dafür sollen die Mitgliedstaaten drei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts investieren, etwa in kritische Infrastrukturen und Technologien. Der Erfolg der Digitalen Dekade sei für den zukünftigen Wohlstand entscheidend. Laut Bericht ließe sich eine erfolgreiche Agenda mit einem Wert von 2,8 Billionen Euro beziffern – 21 Prozent der Wirtschaftsleistung der EU.

In den vorangegangenen Texten der Artikelreihe zum Stand der Digitalisierung in der EU haben wir uns bereits angeschaut, wie Deutschland in den vier Kategorien abschneidet: In der Kategorie digitale Kompetenzen hat Deutschland Nachholbedarf. Es belegt Platz 23 von 28. Nur 49 Prozent der Deutschen besitzen grundlegende digitale Kompetenzen, damit liegt die deutsche Quote unter dem EU-Durchschnitt. Deutschland bildet Menschen eher am Arbeitsplatz weiter. Ob es den Wechsel im Bildungssystem schafft, um Kindern schon früh digitale Kompetenzen zu vermitteln, wird sich zeigen.

Die vier Kategorien aus dem Bericht zur Digitalen Dekade 2023 im Überblick.

(Bild: Bericht zur Digitalen Dekade 2023, Screenshots durch heise online montiert)

Deutschlands digitale Infrastruktur weist auch grobe Mängel auf. Obwohl Deutschland zuvor ein erhebliches Budget in die Kommunikationsinfrastruktur investierte, liegt das Land trotzdem nur im Mittelfeld auf Platz 13. Der Glasfaserausbau kommt nur schleppend voran, die 5G-Netze auf dem Land sind lückenhaft und die Einführung von 5G steht vor regulatorischen Hürden.

Auch die Integration digitaler Technik durch Unternehmen stagnierte in den Jahren 2022 und 2023. Die meisten Unternehmen stellten die Digitalisierung ihrer Prozesse zwar trotz des Kriegs in der Ukraine nicht ein, fahren diesbezüglich aber einen eindeutigen Sparkurs. Die meisten kleinen bis mittelständischen Unternehmen integrieren Technik wie ERP oder E-Commerce. Deutschlands Großunternehmen stehen durch die Nutzung von Big Data und KI leicht überdurchschnittlich da, Defizite gibt es bei der Integration von Cloud-Diensten und E-Rechnungen.

Und auch bei den digitalen Behördengängen belegt Deutschland mit Platz 18 einen hinteren Platz. Laut Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sollen die wichtigen öffentlichen Dienste bis 2030 online und zugänglich sein. So sollen Bürger etwa ihr Auto anmelden oder eine Geburtsurkunde beantragen können. Maßgeblich für die digitalen Dienste in Deutschland sollte das Onlinezugangsgesetz (OZG) sein: Das neue OZG 2.0 sollte frühere Fehler ausbügeln, scheiterte jedoch im Bundesrat. Hier bleibt es spannend, wie schnell das neue Gesetz auf die Straße kommt.

Die Europawahl findet am 9. Juni statt. Deutsche Staatsangehörige sowie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats der Union können ihre Stimme abgeben. In Deutschland müssen sie dafür mindestens 16 Jahre alt sein und an ihrem Wohnort im Wählerverzeichnis stehen. Wer per Briefwahl abstimmen möchte, kann den sogenannten Wahlschein bis zum Freitag vor dem Wahltag, 18:00 Uhr, beantragen.

Mit diesem Artikel schließt unsere Reihe über die Digitale Dekade. Wenn Sie mehr über die diesjährige Europawahl und die EU-Digitalpolitik lesen möchten, haben wir einige Artikel auf unserer Themenseite zusammengestellt.

(stri)