Elf Dateien müsst Ihr sein

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Die Transponder leiten die Daten an einen Zentralrechner weiter, der daraus 3D-Positionen errechnet. Diese wiederum übernimmt zusammen mit einem Geschwindigkeitsvektor die Anwendungssoftware – eine manuelle Nachbearbeitung ist beim LPM nicht notwendig. Zusätzlich können über einen eigenen Telemetriekanal Informationen wie Herzfrequenz und Körpertemperatur mitgesendet werden. Am Ende wird alles mit dem Videobild synchronisiert und mit Daten aus anderen Systemen wie etwa Amisco kombiniert. Schließlich wollen Vereine wie der FC Bayern nicht nur die genauen Werte aus dem Training haben, sondern auch die unter Realbedingungen aus dem Spiel hinzunehmen – und da ist LPM verboten.

Mithilfe dieser Technik kann ein Trainerteam heute in Sekundenschnelle die kleinsten Details ermitteln. Nicht nur, wie schnell ein Stürmer sprinten kann – eine für Spielerkäufe mitentscheidende Kategorie. Sondern auch, wie hart sein Schuss noch ist, wenn er den Sprint auf Schusstempo abgebremst hat – gut zu wissen für die Technikoptimierung. Dazu kommt eine Vielzahl von Informationen über die Laufwege, die Ballkontakte, das Zusammenwirken mit den Mitspielern und natürlich Fitnessdaten, die mit anderen, manuell ermittelten Werten – etwa die Laktatkonzentration im Blut – zusammengeführt werden.

Hier aber lauert ein Problem: Wie finden sich die Trainerteams im Wust der Daten noch zurecht? Können sie die Interpretationsarbeit überhaupt leisten? Während etwa der FC Bayern dafür eigene Kräfte anstellt und andere diese Leistung zukaufen wie der DFB von MasterCoach, setzen Vereine wie der 1. FC Köln auf ein Netzwerk, an dem viele mitarbeiten und auf das auch viele Zugriff haben. Darin sehen die Kölner einen weiteren Zusatznutzen: "Die Vernetzung der Informationen innerhalb eines Klubs kann keines der konventionellen Systeme gewährleisten", sagt Boris Notzon, Diplom-Sportmanager und Leiter des Kölner "SportsLab". Dieses Institut, praktischerweise nur einen Steinwurf von der Deutschen Sporthochschule entfernt, sammelt mithilfe dreier festangestellter und 30 freier Mitarbeiter alle erhältlichen Informationen zur Spielanalyse, zur Gegnerbeobachtung, zur Leistungsdiagnostik und für das Scouting.

Die Datenbank im Trainingszentrum des 1. FC hat eine Kapazität von 95 Terabyte und ist über eine eigene 1-Gigabyte-Glasfaseranbindung ans Kölner Citynetz angeschlossen. Die Zahl der Spieler, die hier erfasst sind, beziffert Notzon auf 31000. Aufgerufen werden ihre Daten in einer Spezialsoftware namens "SoccerLab", die einem Fußball-Manager-Spiel ähnelt. Hierauf haben die Trainer, Spieler, Manager oder Physiotherapeuten des Kölner Erstligisten differenzierte Zugriffsrechte. Die Spieler bekommen zusätzlich handliche Abspielgeräte mit vorbereiteten Filmen, um sich auf den jeweils nächsten Gegner einzustellen.

Den Fußballprofis die Resultate wissenschaftlicher Vorarbeiten nahe zu bringen, gehört zu den praktischen Problemen des technischen Fortschritts, denn nicht jeder Kicker ist mit den modernsten Geräten vertraut. Doch parallel zu den neuen Analysemethoden sind auch die Ausgabegeräte komfortabler geworden. Und die aktuelle Fußballer-Generation ist schon mit iPhone, Videotisch-Analyse im Fernsehen und Mannschaftsbesprechungen mit interaktiven Bildschirmen – den "Smartboards" – aufgewachsen. "Die Spieler wollen das heute wirklich haben, die rufen in den Player-Lounges die Informationen eigenständig ab", sagt Jens Urlbauer von MasterCoach.

Auch sein Kollege Christofer Clemens wird bei Spielen der DFB-Auswahl, wenn er im gleichen Hotel residiert, regelmäßig nach Informationen über Gegenspieler-Eigenschaften gefragt. Da kann es dann auch passieren, dass Philipp Lahm oder Heiko Westermann bei ihm anklopfen und sich nach persönlichen "Vorlieben" ihrer nächsten Gegenspieler erkundigen. Gute Informationen können hier Gold wert sein – genau wie beim "Elfmeterzettel" Jens Lehmanns im WM-Viertelfinale gegen Argentinien 2006. An diesem berühmten Wisch war Clemens auch beteiligt. Seitdem er aber Mitglied der technischen Stu-diengruppe der FIFA ist, wird er sich mit solchen Tricks nicht unbeliebt machen wollen.