Endlager Tiefsee

Matthias Haeckel forscht am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel zu marinen bio-geo-chemischen Kreisläufen.

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(Bild: GEOMAR)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Karsten Schäfer

Sie haben Plastikmüll in der Tiefsee gefunden – und dann festgestellt, dass eine Ihrer Expeditionen selbst ihn dort hinterlassen hat. Wie kam das?

Haeckel: Wir waren südlich der Galapagosinseln im Perubecken in 4000 Meter Wassertiefe unterwegs und haben dort ein altes Störungsexperiment des Meeresbodens nach 26 Jahren untersucht, um die Auswirkungen von zukünftigem Tiefseebergbau zu verstehen. Dabei kamen uns ein paar Kunststoffteile vor den Roboterarm, und wir haben zugegriffen. Wir konnten sie genau datieren. Das waren ein Quarkbecher und eine Coladose in einer Plastiktüte deutscher Herstellung, die bei früheren Expeditionen 1989 und 1992 oder 1996 in diesem Gebiet über Bord gegangen sein müssen.

Der Kunststoff ist nicht verrottet?

Nein. Wir haben eine ganze Reihe von Untersuchungen gemacht, damit war aber keinerlei Abbau nachweisbar.

Warum nicht?

Das liegt zum einen daran, dass in der Tiefsee die Temperaturen mit rund zwei Grad sehr gering sind, und weil dort unten wenig Nahrung ankommt, sind die Stoffumsätze sehr viel langsamer. Das wird vielleicht mit dem Plastik auch passieren. Aber weil Plastik schwer abbaubar ist, wird das eher Zehntausende bis Hunderttausende Jahre dauern.

Gibt es nicht auch Bakterien, die Plastik abbauen?

Ja, aber das waren bisher alles Versuche, die bei 35 bis 50 Grad stattgefunden haben. Die könnte man vielleicht in Kläranlagen einsetzen. Das wird dann vermutlich aber auch länger dauern. Auf dem Plastik aus der Tiefsee haben wir zwar besondere Mikroorganismengemeinschaften gefunden, die so in den nächsten paar Hundert Kilometern kaum nachweisbar waren. Aber zumindest mit unseren Möglichkeiten konnten wir nicht nachweisen, dass sie das Plastik zersetzen.

Was machen die Mikroorganismen dann?

Das wissen wir noch nicht so richtig. Es gibt die Hypothese, dass sie Weichmacher aus den Kunststoffen herauslösen können. Das wäre natürlich interessant, weil viele von diesen Stoffen giftig sind und etwa PVC bis zur Hälfte aus Weichmachern besteht. Aber das ist bisher nur eine Hypothese.

TR 9/2020

Was bedeutet das denn für die großen Mengen an Kunststoff, die sich im Meer befinden?

Der Großteil des Plastiks, der im Ozean landet, schwimmt nicht oben auf der Oberfläche, sondern wird besiedelt und sinkt dann ab. Fast alles, was ins Meer eingetragen wird, landet am Ende auf dem Tiefseeboden. Und wir erwarten, dass auch unter den großen Plastikmüllstrudeln der Großteil des Plastiks auf dem Meeresgrund landet. Wir wissen allerdings nicht, über welche Zeiträume das passiert. Das zu untersuchen ist sehr zeitaufwendig. Aber wir fangen jetzt an.

(bsc)