Erdgas: Wo sich wie viel einsparen lässt – und wie man Menschen dazu motiviert

Durch Wettbewerb und den Vergleich mit anderen lassen sich Menschen erfahrungsgemäß gut motivieren. Doch beim Gassparen fehlen die technischen Voraussetzungen.

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(Bild: Vova Shevchuk / Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Trotz überraschend gut gefüllter Gasspeicher sind wir noch nicht über den Berg. "Nur wenn der Verbrauch um rund 20 Prozent gegenüber den vergangenen drei Jahren sinkt und (…) zusätzliches Gas über die neuen deutschen Terminals importiert wird, ist es unwahrscheinlich, dass auch bei einem kalten Winter eine Gasmangellage in Deutschland auftritt“, schreibt das Science Media Center (SMC). Ist eine solche Einsparung für Privathaushalte realistisch?

"Ja, aber es ist verbunden mit einer Komforteinschränkung", sagt Professor Dirk Müller vom E.ON Energy Research Center gegenüber dem SMC – etwa in Form kälterer Räume oder kürzerem Duschen. Dabei gebe es allerdings noch Luft nach unten: "Über die Jahre konnte man statistisch beobachten, dass es in den Räumen immer wärmer geworden ist. Das sind Effekte, die man jetzt gut nutzen kann."

Doch wie genau lassen sich Leute dazu motivieren? "Menschen sind außerordentlich stark an Routinen gebunden und Routinen zu überwinden ist schwierig", meint Professor Ortwin Renn, Wissenschaftlicher Direktor am Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung in Potsdam. "Was wir im Rahmen der aktuellen Krise tun, kann durchaus auch mittel- und langfristig zu neuen Routinen führen – dass man sich beispielsweise nicht daran gewöhnt, bei minus 20 Grad Außentemperatur im T-Shirt im Wohnzimmer zu sitzen."

Um solche Verhaltensänderungen anzustoßen, sei der Preis zwar ein "ganz wichtiger Baustein", meint Felix Müsgens, Professor für Energiewirtschaft an der TU Cottbus-Senftenberg. Dieser müsse aber noch ergänzt werden durch "zusätzliche Informationen über den Gasverbrauch" – damit die Menschen ein direktes Feedback erhalten, was ihre Einsparbemühungen bringen. Oder ob sie mehr oder weniger verbrauchen als ihre Nachbarn. "Wir haben in vielen Untersuchungen festgestellt, dass der soziale Abgleich mit anderen ein ganz wichtiger Koordinator ist, um das eigene Verhalten einzustufen", sagt Renn. "Wenn ich sehe, alle anderen kommen mit der Hälfte der Energie aus, dann überlege ich mir schon, was mache ich eigentlich falsch."

Doch hier beginnen die technischen Schwierigkeiten. "Es ist immer noch so, dass Haushalte besser über ihre Stromrechnungen Bescheid wissen als über ihre Erdgas-Rechnung", gibt Müsgens zu bedenken. Doch selbst beim Strom verbreiten sich Smart Meter nur schleppend. Vergleichbare Zähler für den Gaskonsum gibt es noch gar nicht. Dazu kommt, dass die reine Verbrauchsmenge, selbst wenn sie in Echtzeit an eine App übermittelt würde, wenig aussagekräftig wäre, wenn sie nicht in Beziehung gesetzt wird zum Wetter oder zum Verbrauch vergleichbarer Haushalte.

Dabei müsse es aber gar nicht auf die einzelne Kilowattstunde ankommen, argumentiert Renn. In den Niederlanden habe man gute Erfahrungen mit smarten Thermostaten gemacht, die mit einer Ampel anzeigen, ob man sich über oder unter dem monatlichen Durchschnittsverbrauch befinde. "Die sind zwar nicht 100 Prozent zuverlässig, aber die niederländischen Kolleginnen und Kollegen haben mir versichert, dass sie sehr verhaltensprägend sind", so Renn.

Um zumindest eine grobe Orientierung zu bieten, welche Maßnahmen wie viel bringen, hat das SMC die einzelnen Maßnahmen zum Gas sparen miteinander verglichen. Hier die wirkungsvollsten:

Heizung Gasverbrauch Heizung
Raumtemperatur 20 statt 21 Grad -10 Prozent
Raumtemperatur 19 statt 21 Grad -20 Prozent
Nachtabsenkung (23 – 6 Uhr) von 21 auf 19 Grad -8 Prozent
Nachtabsenkung (23 – 6 Uhr) von 21 auf 17 Grad -14 Prozent
Kombination von 1 + 4 -20 Prozent
Kombination von 2 + 4 -27 Prozent
Warmwasser Gasverbrauch Warmwasser
20 statt 35 Minuten duschen (pro Tag und Haushalt) -27 Prozent
6 statt 35 Minuten duschen (pro Tag und Haushalt) -45 Prozent

Geschätztes Sparpotenzial durch Verhaltensänderungen deutschlandweit pro Jahr. Die tatsächlichen Einsparungen hängen vom Zustand des Hauses, dem Verhalten und dem realen Wetter ab.

(grh)