Extremwetter und die Energieversorgung: Texas war nur der Anfang

Viele Energiesysteme sind auf klimawandelbedingte Disruptionen nicht oder nur schlecht vorbereitet.

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Schnee in Texas – wie hier in einem anderen US-Bundesstaat – ist extrem selten.

(Bild: Matthew T Rader / Unsplash)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Sarah Fletcher
  • Jesse Jenkins
Inhaltsverzeichnis

Im Februar wütete eine seltene arktische Kaltluft über Zentralamerika und wehte mitten hinein nach Texas. Temperaturen fielen in tiefe Minusbereiche, beinahe brach die Stromversorgung zusammen. Ein Staat, der bekannt ist für seine reichhaltigen Energiequellen, musste das weitläufige Versagen der eigenen Erdgas- und Elektrizitätssysteme konstatieren. Mehr als vier Millionen Texaner blieben tagelang ohne Strom.

Die wahrscheinliche Ursache: Eisige Temperaturen trieben die Stromnachfrage auf einen Winterrekord, der mit zuvor nichts vergleichbar war – nicht einmal mit jenem Extrem-Szenario, das sich der staatliche Stromnetzbetreiber, der Electric Reliability Council of Texas (kurz: ERCOT), überlegt hatte. Ziemlich schnell waren dutzende Erdgasplantagen und einige Windturbinen außer Betrieb und stürzten das texanische Versorgungsnetz in eine Krise. Um den Ausfall des gesamten Systems zu verhindern, leitete ERCOT Notabschaltungen ein und trennte so Millionen von Kunden vom Netz.

Wissenschaftler sind noch damit beschäftigt, herauszufinden, ob die sich schnell erwärmende Arktis häufigere Zusammenbrüche des "Polarwirbels" vorantreibt. Jedenfalls soll dieser für den Frost in Texas verantwortlich sein. Klar ist bereits, dass der Klimawandel extreme Wetterverhältnisse wie Hitzewellen, Dürren, Waldbrände und Überflutungen häufiger und schlimmer machen wird. Jedes Ereignis dieser Art kann eine fragile Infrastruktur an den Rand des Zusammenbruchs bringen, so wie eben in Texas geschehen.

Doch wie darauf vorbereiten? Zum Aufbau einer sogenannten Klimaresilienz bräuchte es allein in den USA ein Investment von bis zu 100 Milliarden US-Dollar im Jahr. Eine sorgfältige Planung kann helfen, die angegriffenen Ressourcen zu erhalten. Schaut man sich die Schwierigkeiten in Texas rückblickend an, so lassen sich einige zentrale Lektionen aus ihnen ziehen, wie sowohl fragile Infrastrukturen als auch vulnerable Gemeinschaften besser geschützt werden können, um widerstandsfähiger gegen extreme klimatische Veränderungen zu werden.

Die Einwohnerinnen und Einwohner von Texas mussten viel erleiden, Menschen starben. DafĂĽr ist nicht einfach der Netzausfall verantwortlich. Erdgasquellen und Leitungen froren ein, die Gasproduktion und Versorgung der staatlichen Pipelines wurde unterbrochen und die Leistung der Kraftwerke halbierte sich genau zu dem Zeitpunkt, als die Nachfrage zunahm. Andernorts kam es zu einem Stromausfall bei Wasseraufbereitungsanlagen und zugefrorene Rohre fĂĽhrten zu einem Druckverlust bei Verteilungsnetzen. Bewohner konnten die gefrorenen StraĂźen nicht mehr sicher nutzen.

Infrastruktursysteme lassen Glühbirnen in normalen Zeiten leuchten und das Wasser kommt verlässlich aus dem Hahn – doch im ungünstigen Fall führen sie zu Problemen. Extreme Wetterbedingungen können auch dazu führen, dass mehrere Bereiche eines kritischen Systems gleichzeitig ausfallen. Diese Art von zeitgleichen Katastrophen ist weitaus wahrscheinlicher als man denkt. Will man also eine widerstandsfähige Infrastruktur aufbauen, muss man mit extremen Ereignissen rechnen, die große Teile des Systems mit einem Mal treffen könnten, seien es Schneestürme, Waldbrände, Wind oder Überflutungen. Letztlich werden die schlimmsten Auswirkungen, die der Ausfall einer Infrastruktur auf Menschen hat, nicht von dem Ausfall selbst verursacht. Es sind stattdessen die eisigen Temperaturen, denen Menschen ausgesetzt sind, ein Mangel an sauberem Trinkwasser, schwindende Lebensmittelvorräte, und die Angst, dass Hilfe nicht rechtzeitig eintreffen könnte.

Hinzu kommt, dass die Bevölkerungsgruppen, die in der Geschichte schon immer marginalisiert wurden, auch über die wenigsten Ressourcen verfügen, um sich vor den menschlichen Opfern eines infrastrukturellen Versagens zu schützen. In Texas waren obdachlose Menschen am ehesten von den eisigen Temperaturen gefährdet. Zufluchtsorte, begrenzt durch Social-Distancing-Auflagen, kamen schnell an ihre Kapazitätsgrenzen. Viele einkommensschwache Stadtteile gehörten zu den Ersten, bei denen der Strom verschwand. Und People of Color sind in beiden dieser Gruppen unverhältnismäßig stark repräsentiert.

Was kann man tun? Mit dem schwächsten Glied der Infrastruktur sollte begonnen werden. Energiesysteme können und müssen widerstandsfähiger gegen extreme Wetterbedingungen werden. Windturbinen arbeiten in der Antarktis, Gasanlagen werden in Alberta betrieben und Gasbohrungen in Alaska durchgeführt. Wetterfestigkeit kann teuer werden, doch die erschwinglichsten Schritte, beispielsweise bei Windturbinen oder bei dem Einsatz von Begleitheizungen und Isolierung, damit Drucksensoren bei Erdgas oder Atomkraftwerken nicht einfrieren, sind diese Kosten im Zweifelsfall sehr wert.

Es ist schwer zu entscheiden, welche Investitionen zur Schadensbegrenzung seltener Ereignisse angemessen sind. Doch es handelt sich um eine Kalkulation, die nicht von der Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses abhängen sollte, sondern von dem Schweregrad seiner Konsequenzen.

Ohnehin ist es unmöglich, jeden Zentimeter einer Infrastruktur gegen die Vielzahl aller möglichen Katastrophen zu schützen. Es wäre also auch sinnvoll, die Versorgung kritischer Ressourcen wie Strom zu diversifizieren, wo immer möglich. Erdgaskraftwerke, die zwei Drittel der texanischen Erzeugungskapazität ausmachen, waren hauptsächlich mitverantwortlich für die Versorgungsknappheit. Weist das Netz aber eine gemischte Vielzahl an Erzeugungsquellen an verschiedenen Orten auf, die jeweils unterschiedlich anfällig für andere Formen von Extrembedingungen sind, wäre es insgesamt widerstandsfähiger gegenüber einem einzelnen Ereignis.

Sarah Fletcher ist Juniorprofessorin an der Stanford University. Sie untersucht die Themen Wasserversorgung, Infrastruktur-Planung, und Klimaanpassung. Jesse Jenkins ist Juniorprofessor an der Princeton University und forscht im Bereich Energiesysteme und Maschinenbau.

(bsc)