Fachkräfte: Der Mangel an IT-Spezialisten wird wohl noch zunehmen

Seite 2: Schwacher Frauenanteil

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Informatik ist zum zweitbeliebtesten Studienfach nach BWL aufgestiegen, noch immer gelingt es aber nicht, das Fach für Frauen attraktiv zu machen: Im genannten Zeitraum ist der Frauenanteil im Informatikstudium von 12,5 auf 18,6 Prozent nur schwach gestiegen. Wolf hält das Informatik-Studium für attraktiv, "denn sonst wäre es nicht so beliebt und es wären nicht zahlreiche hybride Studiengänge entstanden". Bio-, Medizin- und Medien-Informatik sind Beispiele dafür. "Durch diese Angebote können Studieninteressierte sich gemäß ihren Neigungen für eine Anwendungsdisziplin der Informatik entscheiden", sagt Wolf. Auch diese sogenannten Bindestrich-Studiengänge sind sehr beliebt.

Nach Angaben der Hochschulrektorenkonferenz bieten fast alle Hochschulen Brückenkurse an, um Studierende auf das notwendige Niveau zu bringen. Dennoch schließt nur etwa die Hälfte aller Studienanfänger in Informatik das Studium erfolgreich ab. Im Prüfungsjahr 2018 sind es nach Auskunft des statistischen Bundesamts 13.126 gewesen. Dem gegenüber stehen mehr als zehnmal so viele offene Stellen. Da wird klar, dass die Lösung nicht allein im eigenen Land liegt und noch mehr Studenten kurzfristig nicht helfen, vielleicht mittelfristig in knapp zehn Jahren.

Für Professor Enzo Weber, Forschungsbereichsleiter Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IAB gibt es drei Quellen, aus denen der hohe Bedarf an IT-Fachkräften gedeckt werden kann. "Zunächst geht es darum, den Nachwuchs im Bildungssystem für IT zu begeistern. Außerdem qualifizierte Zuwanderer anziehen und Weiterbildung in den Unternehmen ausbauen." Dass Unternehmen zunehmend im Ausland aktiver werden bei der Mitarbeitersuche weiß das IAB aus Betriebsbefragungen. "Zuwanderung ist bei IT-Fachkräften aber schwierig, weil Digitalisierung ein globales Thema ist und ein weltweit starker Wettbewerb herrscht." Die rechtlichen Voraussetzungen für berufliche Zuwanderung in Mangelberufen wir der IT sind gegeben.

Ein erfolgreicher Weg, um rasch an IT-Fachkräfte zu kommen, besteht für Arne Hosemann darin, Freelancer zu beschäftigen. Hosemann ist Mitgründer von Expertlead in Berlin, einem digitalen Marktplatz, über den Unternehmen IT-Freiberufler in aller Welt finden können. "Wer nicht nur nach klassischen Vollzeitmitarbeitern sucht, sondern offen ist für zeitlich begrenzte Unterstützung auch aus dem Ausland, wird seine Digitalprojekte erheblich schneller voranbringen als Unternehmen, die nur traditionell rekrutieren."

Günstiger als hier sind die IT-Spezialisten aus Portugal, Brasilien und der Ukraine nicht. Bei hochqualifizierten Fachkräften sieht Hosemann "eine Tendenz hin zu global fairen Honoraren, unabhängig vom Standort". In der jüngsten Bitkom-Studie beklagen die Unternehmen, dass Gehaltsvorstellungen und Qualifikation der Bewerber oft nicht zusammenpassen. Darin liegt die größte Schwierigkeit der Firmen, ihre offenen Stellen zu besetzen. Nach dem Gesetz der freien Marktwirtschaft wird sich daran wenig ändern lassen, denn Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. In diesem Fall den Lohn.

Wie geht es weiter? Professor Weber vom IAB prognostiziert "einen zwar weiter steigenden Bedarf, aber auch einer Zunahme an IT-Fachkräften", was letztlich nicht zu Entspannung führt. In der Bitkom-Befragung geben 65 Prozent an, dass sich im kommenden Jahr der Fachkräftemangel weiter verschärfen wird. Wann der Verband die nächste Rekordmarke an offenen Stellen verkünden wird, ist daher allein eine Frage der Zeit. (anw)