Fußball macht Robotik massentauglich

Seite 2: RoboCup@home

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heise Online: Das Team Carpe Noctem von der Universität Kassel kooperiert mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), um Roboterteams zu entwickeln, die autonom auf dem Mond arbeiten sollen. Doch dieses Anwendungsszenario ist räumlich und zeitlich weit weg. Wie ist es mit näherliegenden Anwendungen im Haushalt, wie sie etwa bei RoboCup@home erprobt werden? Das Team von Tech United nutzt für diesen Wettbewerb die gleiche Plattform wie in der Middle Size League, oder?

Molengraft: Es handelt sich um eine etwas größere Version mit einem zusätzlichen Rad. Aber es ist viel Erfahrung aus der Middle Size in das Design eingeflossen. Ohne diese Erfahrung hätten wir den Roboter nicht innerhalb eines halben Jahres bauen können. Mein Ziel ist es, ihn in drei bis vier Jahren so weit entwickelt zu haben, dass wir ihn allen Forschern als Open Source zum Nachbau für etwa 10.000 Euro anbieten können. Roboter wie der PR2 oder der Care-O-bot, mit denen Forschungsteams heute arbeiten, kosten mehrere hunderttausend Euro.

Ein weiteres Ziel ist es, diesen Robotern die kognitiven Fähigkeiten zu geben, um die Welt um sie herum zu verstehen. Statt das Weiterreichen einer Tasse in jedem Detail zu programmieren, sollte der Roboter das Konzept „Tasse“ verstehen. Hiermit beschäftigen sich derzeit mehrere Forschungsprojekte in Europa. Ich selbst leite das Projekt RoboEarth, bei dem es um die Entwicklung eines World Wide Web für Roboter geht, über das sie Informationen austauschen und voneinander lernen können. Hierbei besteht eine große Herausforderung darin, geeignete Methoden zu finden, um Wissen zu repräsentieren. Es geht ja nicht nur darum, das Wissen zu speichern, sondern damit zu arbeiten und Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.

Ein Tech-United-Spieler beim Einwurf. Insgesamt wirken die niederländischen Roboter beim Ausführen der Pässe sicherer, mehrmals gelang es den Kontrahenten aus dem Iran aber, Pässe abzufangen.

heise Online: Das klingt faszinierend. Aber wo bleibt die Verbindung zum Fußball?

Molengraft: Auf den ersten Blick mögen Fußballroboter und Roboter, die im Haushalt helfen sollen, nicht viel miteinander zu tun haben. Aber schauen Sie sich Roboter in der Fabrik an: Sie führen ständig die gleichen Bewegungen in einer vollständig kontrollierten Umgebung durch, komplett vorprogrammiert. Für einen privaten Haushalt, in dem sich ständig etwas verändert, funktioniert das nicht. Hierfür brauchen Roboter kognitive Fähigkeiten, müssen ihre Umgebung verstehen. Das ist das andere Extrem des Robotereinsatzes.

Das Fußballfeld liegt dazwischen: In mancher Hinsicht ist es weniger strukturiert als die Fabrik, hat aber immerhin noch das grüne Feld mit den weißen Linien, die die Orientierung erleichtern. Zugleich ändert sich die Situation auf diesem Spielfeld aber ständig. Was wir hier lernen hilft uns auf jeden Fall, Roboter für den Einsatz in vollständig unstrukturierten Umgebungen zu entwickeln.

heise Online: Eine andere Herausforderung ist es, eine Veranstaltung wie den RoboCup zu organisieren. Sie haben immerhin im Jahr 2006 schon einmal RoboCup Dutch Open organisiert, oder?

Molengraft: Daran war ich persönlich nicht beteiligt. Doch wir als Team Tech United denken schon seit einigen Jahren darüber nach, die RoboCup-Weltmeisterschaft in den Niederlanden zu veranstalten, haben es jetzt aber mit etwas mehr Nachdruck betrieben. Ursprünglich wollten wir einen Vorschlag für die RoboCup-WM 2014 einreichen, doch nachdem Osaka absagen musste, wurde daraus plötzlich 2013. Jetzt bin ich umso mehr froh, dass wir die Dutch Open durchführen. Wir lernen sehr viel, was uns bei der Organisation der WM helfen wird.

heise Online: Worin besteht für Sie die größte organisatorische Herausforderung?

Molengraft: Eine klare Botschaft an die Öffentlichkeit zu übermitteln. Die Zuschauer sollen einen Eindruck davon bekommen, worum es bei der Robotik geht, was wir heute schon können und was sie in Zukunft erwarten dürfen. Von Besuchern höre ich häufig Sätze wie: „Ich wusste gar nicht, dass es so etwas überhaupt gibt.“ Für uns ist das Alltag, aber viele Leute wissen nichts darüber.

Parallel zu den Turnierspielen der Erwachsenen hatten Kinder heute die Möglichkeit, sich in Workshops unter fachlicher Anleitung mit Robotern vertraut zu machen.

Es geht auch darum, junge Menschen für diese Technologie zu interessieren. Wenn ich zurückdenke, kann ich verschiedene Momente identifizieren, die in mir etwas ausgelöst und mich inspiriert haben. Ich bin sicher, dass Veranstaltungen wie diese junge Leute auf ähnliche Weise inspirieren werden.

heise Online: Mir gefällt der spielerische Zugang, den Sie hier eröffnen, mit Möglichkeiten, Roboter selbst auszuprobieren, aber auch Workshops, bei denen Kinder mehr darüber lernen können. Angesichts der geringen Zahl teilnehmender Teams scheinen mir aber fünf Tage etwas zu lang zu sein.

Molengraft: Das kann sein. Wir werden uns nach der Veranstaltung gründlich mit dieser und anderen Fragen beschäftigen. Im Voraus lässt sich vieles nicht einschätzen, etwa die Zahl der Zuschauer. Am ersten Tag waren es 500, gestern kamen 1.000. Wenn sich das so fortsetzt, könnten es am Wochenende noch viel mehr werden. Damit wäre ich sehr zufrieden. Der Zweck dieser Veranstaltung ist es, möglichst vielen Menschen die Idee der Robotik zu vermitteln. Für die Teilnehmer allein ließe sich der Aufwand nicht rechtfertigen.

heise Online: Wird es bei der RoboCup-WM 2013 einen Wettbewerb in der Middle Size League geben?

Molengraft: Wir werden hier einen sehr schönen Centercourt mit zwei Spielfeldern haben, das garantiere ich. Wir werden uns darum bemühen, so viele gute Teams wie möglich hierher zu bringen.

heise Online: Wird Tech United nach vier zweiten Plätzen endlich den Weltmeistertitel gewinnen?

Molengraft: Ich muss gestehen, dass ich mich nach dem Stress der letzten Turniere in Singapur und Istanbul entschlossen habe, nicht mehr so sehr auf den Turniererfolg zu schauen. Natürlich wollen wir weiterhin gewinnen. Aber unabhängig davon, ob wir Erster oder Zweiter geworden sind, haben wir gute Forschung betrieben und wunderbare Roboter entwickelt. Wir sollten auch nicht den Spaß an der Sache verlieren. Aber um die heise Online klar zu beantworten: Wenn wir nicht dieses Jahr in Mexiko gewinnen, dann auf jeden Fall nächstes Jahr in Eindhoven. (dab) (dab)