Games: Kann KI das Spiele-Erlebnis verbessern?

Seite 4: Nicht zu schlau

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Ein noch größeres Maß an Individualität für Spielcharaktere entwickelt Johannes Büttner, Reasearch Assistant im Bereich Human-Computer Interaction an der Universität Würzburg. Er füttert die KI nicht mit großen Datensets, damit sie Muster nachahmt. Er nutzt Reinforcement Learning: Der Agent interagiert mit seiner Umgebung und lernt dabei. "Wenn der Agent etwas Gutes macht, wird er belohnt, und andersrum. Dadurch kann er etwa lernen, wie ein Problem in einem Spiel gelöst wird", sagt Büttner. Das kann bereichernd für die Spielerfahrung sein, wenn NPCs mit den Spielenden zusammenarbeiten sollen und keine Gegner sind. Problematisch bei diesem Ansatz sei aber der Faktor Zeit, gibt Büttner zu bedenken.

"Die KI muss erst Erfahrungen machen, um lernen zu können und gut zu funktionieren", sagt er. Das birgt zwei Gefahren. Die erste wäre, dass die KI gerade zu Beginn des Spiels schwach wirkt. Besonders für Blockbuster-Spiele wäre das aber kaum tragbar. Die millionenschweren Spiele müssen sich millionenfach verkaufen. Durchwachsene Spielerlebnisse kurz nach der Veröffentlichung können die Verkaufschancen aber erheblich mindern.

Das zweite Risiko ist bekannt: Das Balancing gelingt nicht, die KI wird zu gut und es macht schlicht keinen Spaß mehr, gegen sie zu spielen. Für diese Gefahr kennt Johannes Büttner jedoch einen Lösungsansatz. Upside Down Reinforcement Learning heißt der. Die KI lernt zwar, Probleme immer besser zu lösen, darf aber – von den Entwickelnden so festgelegt – nicht so gut spielen, wie sie eigentlich könnte. "Die KI hat dann eine Anzahl an Punkten, die sie verbrauchen kann. Wenn die ausgeschöpft sind, nimmt sie sich zurück."

Angepasste Gegner​

2020 ließ Sony eine Methode patentieren, die die Spielstärke menschlicher Spieler analysiert und Computergegnern erlaubt, aus erfolgreichen Verhaltensweisen ihrer menschlichen Gegner zu lernen. Solche Patente besetzen aber in der Regel nur ganz allgemein das Feld – sie bedeuten nicht, dass das Problem generell gelöst ist.

2022 konnte Sony mit dem Autorennspiel Gran Turismo 7 zeigen, dass es funktioniert: Ein mit Verstärkungslernen trainierter Software-Agent passt sich im direkten Wettbewerb an die stärksten menschlichen Gegner an und versucht, sie zu schlagen – jedoch ohne hoffnungslos überlegen zu werden. So erhöht KI den Reiz des Spiels.

Am Anfangsgebiet eines Spiels hat die KI beispielsweise 20 Punkte auf ihrem Aktionskonto. Für eine bestimmte, besonders intelligente Aktion verbraucht sie zehn Punkte. Also stehen ihr hier nur zwei solcher Aktionen zur Verfügung. So wird verhindert, dass die Gamer von der KI überrannt werden – aber auch, dass hilfreiche NPCs so stark werden, dass die Spielenden eigentlich gar nicht mehr spielen müssen, weil die NPCs alles erledigen. "Das ist auch eine schöne Möglichkeit, um Schwierigkeitsstufen in Games viel genauer anzupassen", sagt Büttner. Anstatt bei einem höheren Schwierigkeitsgrad die Schadenspunkte eines Gegners zu erhöhen, könnte die KI einfach etwas mehr von der Leine gelassen werden.

Ob diese neuen KIs die Spielewelt nach 20 Jahren auf ein neues Level heben werden? Der Ruf nach besserer KI ist seit Jahren laut – was das in der Praxis für die Spielerfahrung bedeutet, werden die ersten Produkte zeigen. Aber schon heute kommen viele Spiele voller Bugs und Glitches auf den Markt und deren Protagonisten führen noch kein Eigenleben.

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