Gen-Check gegen Terror

Die Europäische Kommission will zum Schutz vor Anschlägen die Arbeit mit gefährlichen Organismen einschränken. Forscher zeigen wenig Widerstand.

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Von
  • Susanne Donner
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"Jeden Tag wächst die Gefahr, dass die Biotechnologie den falschen Leuten in die Hände fällt. Ein bioterroristischer Angriff könnte tausende Menschen dahinraffen. Er könnte Viehbestände infizieren, das Trinkwasser verseuchen oder zig Tonnen Lebensmittel vernichten." Dieses Schreckensszenario stammt nicht aus der Feder eines Sciencefiction-Autors, sondern von Lukas Holub, Biosicherheitsexperte bei der Europäischen Kommission. Auf einer Konferenz in Berlin informierte er die versammelten Forscher über ein geplantes Grünbuch der EU zur Vorsorge vor bioterroristischen Angriffen.

Die Veröffentlichung ist für das erste Halbjahr 2007 geplant. Ein Teil der vorgesehenen Regelungen wirkt unkontrovers – der Zugang zu Nahrungsmitteln und zur Gesundheitsversorgung soll gesichert, Labore für B-Waffen-Schnelltests eingerichtet werden. Darüber hinaus aber dürfte es der Freiheit der Forschung an den Kragen gehen: Nicht mehr alle Ergebnisse sollen veröffentlicht werden, nicht mehr jeder Forscher soll mit allen beliebigen Stoffen alles machen dürfen, kündigte Holub an. Wenn etwa ein Forscher Keime entwickele, die gegen gängige Antibiotika resistent wären, müsse ihm das Handwerk gelegt werden. Wie tief die Angst vor Terror sitzt – und wohl auch für wie real die Bedrohung gehalten wird –, zeigte die Reaktion des Auditoriums. Im Großen und Ganzen erntete der EU-Beamte Zustimmung und allenfalls leise Kritik.

"Das ist ein kritisches Gleichgewicht. Auf keinen Fall darf der Fortschritt gehemmt werden", sagte etwa Ralf Wagner, Molekularbiologe an der Universität Regensburg. Trotzdem hat er schon konkrete Vorstellungen, wie eine restriktive Veröffentlichungspolitik aussehen könnte: "Das darf man nicht dem Gutdünken des einzelnen Forschers überlassen. Ein Gremium mit Wissenschaftlern, Biosicherheitsforschern, Politikern und Außenwirtschaftsexperten sollte diese Aufgabe übernehmen." Tatsächlich praktiziert Wagner in seinem eigenen Unternehmen Geneart, das künstliche Genabschnitte anbietet, bereits seit Jahren eine Art Terrorrisiko-Management: Schon seit der Gründung 1999 klopfen dort Mitarbeiter jede Bestellung auf mögliche terroristische Motive ab. Denn etwa künstlich hergestellte Gene des Pockenvirus könnten dazu missbraucht werden, das ausgerottete Virus im Labor nachzubauen. Die Order eines Forschers lässt sich von der eines Terroristen allerdings nur mit Hilfe gewaltiger Datenbanken unterscheiden. Diese müssen jede Woche um neue Erbinformationen von gefährlichen Erregern ergänzt werden, der eigentliche Abgleich dauert dann nur ein paar Sekunden.

"Wären größere Teile des angeforderten Gens zum Beispiel identisch mit dem Erbgut eines B-Waffen-Erregers, würden bei uns sofort die Alarmglocken schrillen", sagt Wagner. In etwa einem von tausend Fällen melde das System Verdächtiges. Bislang allerdings hätten sich alle diese Bestellungen letztlich als harmlos herausgestellt. Neben der Gensequenz prüfen die Experten, wie vertrauenswürdig der Kunde ist und in welchem Land er arbeitet. Aufträge aus dem Iran, Syrien oder Irak werden grundsätzlich nicht angenommen, Bestellungen aus Indien bearbeiten die Genforscher dagegen schon. Ein Mikrobiologe am Pasteur-Institut in Paris würde wohl beliefert werden, während ein Schriftsteller leer ausgehen dürfte.