Gesundheitswesen: "Wir brauchen eine gemeinwohlorientierte Forschungsagenda"

Seite 3: Gesundheitsforschungsdaten in der Black Box

Inhaltsverzeichnis

Wie verfügbar sind Daten aus klinischen Studien?

Die Existenz von klinischen Studien lässt sich über die sogenannten Studienregister feststellen. Allerdings werden nicht alle Daten und Ergebnisse zu diesen Studien veröffentlicht. Dies ist nicht sachgerecht, schon allein gegenüber den Probanden und Probandinnen, die sich für die Studie bereitgestellt haben. Viele machen ja unter der Voraussetzung und der Zusage mit, dass durch ihre Teilnahme Wissen für zukünftige Patientinnen und Patienten generiert wird. Wenn das Wissen aber in einer Black Box bleibt, ist das kein generiertes Wissen, sondern ein ganz großes Problem. Daneben ist das natürlich auch höchst ineffizient: großer Mittelaufwand ohne Wissenstransfer.

Wie gehen Sie damit um?

Wir sind im IQWiG in der sehr privilegierten Situation, dass wir qua Gesetz für die Nutzenbewertung neuer Arzneimittel alle Daten übermittelt bekommen. Wir können also in einem Bereich, in dem sonst öffentlich zugängliche Informationen oft in relevantem Ausmaß fehlen, alle Daten auswerten. Dieses Privileg nutzen wir auch für eigene Forschung, um auf das Problem aufmerksam zu machen und Änderungen zu forcieren: So konnten wir beispielsweise auch feststellen, dass in den öffentlich zugänglichen Quellen nur 50 Prozent aller Daten vorhanden sind. Das ist ein großes Problem, das aus meiner Sicht gesetzlich angegangen werden muss.

Soll das nicht jetzt über die europäischen Regelungen zum Europäischen Gesundheitsdatenraum EHDS angepackt werden?

Im Vorschlag der EU-Kommission zum EHDS ist zwar eine Veröffentlichungspflicht vorgesehen, doch erst nach 18 Monaten – und dann noch mit der Einschränkung, dass das nicht die Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift verhindern darf. Letzteres kann mindestens zu einer sehr langen Verzögerung von Veröffentlichungen führen. Es bleibt damit offen, ob die Daten nach drei, fünf oder sieben Jahren veröffentlicht werden. Wir fordern, dass die Ergebnisse von Studien, und zwar alle Ergebnisse, also Studienberichte, binnen 12 Monaten veröffentlicht werden müssen.

Welche Rolle spielen KI-Systeme schon heute in der täglichen Arbeit des IQWiG?

Wir haben vor vier Monaten eine interne Arbeitsgruppe KI gestartet, die sich genau mit dieser Frage auseinandersetzen soll. KI kann ganz generell Arbeitsabläufe unterstützen, bezogen auf unsere Hauptaufgaben insbesondere Datenauswertungen oder die Selektion von relevanten Studien aus Datenbanken. Dazu gibt es bereits Forschungsprojekte, unter anderem einer anderer befreundeten Institution in Österreich hat. Selbst haben wir beispielsweise untersucht, inwieweit etwa ChatGPT Vorrecherchen zu Wissenschaftsprojekten unterstützen kann.

Aber Sie selbst werden ja auch zu KI-Gutachten angefragt werden?

Beispielsweise können Röntgenbilder der Lunge KI-gestützt ausgewertet werden. Hier wird die Frage sein, ob das tatsächlich einen Vorteil erbringt gegenüber der bisherigen Auswertung durch Radiologen. Man kann sich auch verschiedene Mischformen in der Versorgungspraxis vorstellen. Das wird auch bei uns als Forschungsprojekt bzw. Gutachten-Auftrag landen.