Gewerkschaften: Die Tech-Branche organisiert sich

(Bild: Technology Review)
Im letzten Jahr gründete sich in der Tech-Branche eine Rekordzahl von Gewerkschaften als Teil einer globalen Bewegung. Firmen wie Microsoft reagieren darauf.
Für die Tech-Giganten hat sich etwas geändert. Sie haben zwar nach wie vor einen enormen Einfluss auf unser tägliches Leben, aber eine wachsende Bewegung hat begonnen, diese Macht zu begrenzen. Dahinter stehen vor allem die Beschäftigten selbst. Sie wollen die Art und Weise verändern, wie diese Unternehmen ihre Geschäfte tätigen, ihre Mitarbeiter behandeln und ihre Rolle als "Weltbürger" ausfüllen. Vor allem im vergangenen Jahr hat diese Bewegung eine nie dagewesene Dynamik entwickelt.
Die Sorge über den Einfluss der Tech-Konzerne ist natürlich nicht neu. Was sich aber geändert hat: Die Arbeitnehmer melden sich verstärkt zu Wort und fordern, dass ihre Arbeitgeber stärker für ihr Handeln verantwortlich gemacht werden. Dazu schreiben sie öffentliche Briefe, protestieren, reichen Klagen ein oder organisieren sich gewerkschaftlich.
In diesem Kontext hat nun Microsoft-Präsident Brad Smith kürzlich im Firmen-Blog einige Grundsätze veröffentlicht [10], in denen das Unternehmen das Recht seiner Mitarbeiter anerkennt, sich zu organisieren, und sich verpflichtet, konstruktiv mit denjenigen zusammenzuarbeiten, die dies tun. Zwar betonte Smith, dass sich Mitarbeiter niemal organisieren müssten, da es Mechanismen für das Feedback der Mitarbeiter gebe. Aber man erkenne an, dass es Zeiten geben könne, in denen einige Mitarbeiter in einigen Ländern eine Gewerkschaft gründen oder ihr beitreten möchten. Die Veröffentlichung der Grundsätze kommt in Folge auf eine Gewerkschaftsabstimmung in der vergangenen Woche durch das Qualitätssicherungs-Team der Activision-Blizzard [11]-Tochter Raven Software, dem Hersteller von Call of Duty. Microsoft benötigt die behördliche Genehmigung für die Übernahme von Activision Blizzard für 68,7 Milliarden Dollar.
"Tech Worker Handbook" erscheint online
Das Thema der Gewerkschaften beschäftigt die Tech-Branche schon lange. Ein entscheidendes Datum dafür war der 5. Oktober 2021: Die Whistleblowerin Frances Haugen hatte eine Reihe vernichtender Enthüllungen über Facebook veröffentlicht [12]. "Facebook hat sich konsequent dafür entschieden, seine Gewinne über die öffentliche Sicherheit zu stellen", sagte sie.
Einen Tag später stellte Ifeoma Ozoma mit mehreren Kollegen das "Tech Worker Handbook" [13] online. Ozoma war selbst Whistleblowerin. Zusammen mit ihrer Kollegin Aerica Shimizu Banks hatte sie 2020 rassistische und sexistische Diskriminierung im Unternehmen Pinterest angeprangert. Dadurch wurde sie zur Inspiration für zahlreiche andere. "Seit ich an die Öffentlichkeit gegangen bin, haben mich viele um Rat gefragt", sagt sie. Sie beriet Hunderte von Einzelpersonen, aber dies sei "nicht skalierbar" gewesen. Also fasste sie ihre Erfahrungen in einem Online-Handbuch zusammen. Es wurde allein am ersten Tag 30.000 Mal aufgerufen.
Das Handbuch erklärt potenziellen Whistleblowern, wie sie mit Medien umgehen, welche Rechte sie haben, wie sie sich gegen eine Unternehmensüberwachung schützen können oder wie sie eine Doxxing-Kampagne überstehen – also die Veröffentlichung privater Details wie die Wohnadresse. "Bereitsein ist Macht", heißt es auf der Webseite. "Der Einzelne sollte sich nicht auf Flüsternetzwerke verlassen müssen, um zu seinem Recht zu kommen." Die Website erhielt überschwängliches Lob von Aktivisten, Forschern und Whistleblowern.
Nur einen Tag später konnte Ozoma einen weiteren Sieg verbuchen: Am 7. Oktober unterzeichnete der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom das Gesetz Silenced No More. Es schützt Arbeitnehmer, die Diskriminierung und Belästigung öffentlich machen, auch wenn sie eine der branchenüblichen Geheimhaltungsvereinbarungen (NDA) unterzeichnet haben. An diesem Gesetz hatte Ozoma mitgewirkt und ihre Erfahrungen dabei einfließen lassen. Es trat am 1. Januar 2022 in Kraft. "Vierzig Millionen Menschen sind eine verdammt große Sache", sagt sie mit Verweis auf die Einwohnerzahl Kaliforniens. "Und selbst wenn es dabei bleiben würde, wäre es immer noch eine verdammt große Sache."
Wie alles begann

(Bild: Adriana Malcolm/The New York Times/Redux/laif)
Doch es wird wohl nicht dabei bleiben. Eine von Ozoma angeführte Koalition von Unternehmen drängt andere Tech-Firmen dazu, diesen Schutz auch Mitarbeitern außerhalb Kaliforniens zu garantieren. Unternehmen wie Expensify und Twilio haben bereits zugestimmt. Aber "bei Apple, Google, Facebook und weiteren Firmen sieht es anders aus", so Ozoma.
Unbeeindruckt davon hat die Transparency in Employment Agreements Coalition bei sieben Tech-Konzernen Aktionärsanträge eingereicht, den Schutz von Silenced No More auf alle Mitarbeiter auszudehnen. Apple hatte vergeblich versucht, sich dagegen zu wehren – auf der Jahreshauptversammlung am 4. März nahmen die Aktionäre den Antrag knapp an. Nun muss Apple einen Bericht veröffentlichen, wie es NDAs bei einschlägigen Fällen nutzt.
Die Vorgeschichte begann schon 2018: Zunächst meldete ein Whistleblower von Cambridge Analytica den Datenmissbrauch bei Facebook [15]. Dann kämpften Tausende von Google-Mitarbeitern gegen das Militärprojekt Maven [16]. Und die Enthüllungen, dass der wegen Vergewaltigungsvorwürfen geschasste Google-Manager Andy Rubin eine Abfindung von 90 Millionen Dollar bekommen hatte, führte zu einer massiven, weltweiten Arbeitsniederlegung bei Google.
Beschäftigte treten in Aktion
Seit diesem Streik haben sich jedes Jahr mehr Beschäftigte zu Wort gemeldet, wie das Projekt "Collective Action in Tech" dokumentiert hat. Das Image der Tech-Konzerne als freundliche Giganten bröckelte. "Den Menschen wurde vor Augen geführt, was die kapitalistische Maschine ist und was sie tut", sagt Claire Stapleton, eine der Organisatorinnen.
2021 ging die absolute Zahl der kollektiven Aktionen allerdings wieder zurück. Dafür habe sich aber die Art dieser Aktionen verändert, wie JS Tan und Nataliya Nedzhvetskaya von Collective Action beobachtet haben. "Im Vergleich zu 2018 gibt es heute eine viel realistischere Vorstellung davon, was es bedeutet, Arbeitnehmer zu organisieren", meint Nedzhvetskaya, Doktorandin in Berkeley. "Möglicherweise erkennen die Leute, dass dies individuell nur schwer zu machen ist."
Statt einfach offene Briefe zu schreiben (was ziemlich schnell gehen kann), begannen die Beschäftigten, Arbeitnehmervertretungen zu gründen, was bekanntermaßen eine langwierige Angelegenheit ist – aber dafür auch eine Investition in die Zukunft. Laut Collective Action wurden 2021 zwölf Arbeitnehmervertretungen für Tech-Beschäftigte gegründet, mehr als in jedem Jahr zuvor. Die meisten davon sind in kleineren Betrieben angesiedelt, wo es weniger Hindernisse gibt. Aber auch Beschäftigte größerer Unternehmen beteiligen sich daran. So haben auch die Angestellten eines Subunternehmens von Google Fiber für die Gründung einer Gewerkschaft gestimmt – die erste ihrer Art im gesamten Alphabet-Konzern.

(Bild: Imago images/ZUMA Wire)
Viele der Betroffenen entsprechen nicht der allgemeinen Vorstellung von Tech-Beschäftigten als fest angestellte Softwareentwickler oder ähnlichem. Eine große und weiter wachsende Gruppe lebt von Einzelaufträgen ("Gigs"), etwa die Fahrer für Uber. Nader Awaad weiß, wo er sie findet: An den Parkplätzen vor Londons belebten Flughäfen, während sie auf Kunden warten. Dort spricht Awaad mit ihnen, verteilt Flugblätter und wirbt für den Beitritt zu einer Gewerkschaft. Dabei hört er sich geduldig die immer gleichen Klagen an.
"Fühlen uns wie digitale Sklaven"
Im Laufe des letzten Jahres sind ihre Forderungen immer lauter geworden: Sie fordern eine bessere Bezahlung, mehr Sicherheit sowie einen Rechtsweg, wenn sie aus der App eines Unternehmens geworfen werden. Ob in Großbritannien, Südafrika, Hongkong, Kroatien oder in den USA: Überall kämpften die Beschäftigten von Fahr- und Lieferdiensten für bessere Arbeitsbedingungen. "Wir fühlen uns wie digitale Sklaven", sagte etwa ein kroatischer Uber-Fahrer.
Awaad begann 2019 für Uber zu fahren, nachdem er aus seinem vorherigen Job als leitender Angestellter entlassen worden war. "Es war wie bei Charles Dickens", stellte er schnell fest. "Das Ausmaß der Ausbeutung. Das Ausmaß der Entbehrungen. Ich konnte es nicht glauben." Die Fahrer müssten 12 bis 14 Stunden täglich unterwegs sein, um über die Runden zu kommen.
Genauso schnell wurde ihm klar, dass er nicht allein war. Im April 2019 trat er der "United Private Hire Drivers" bei, einem Zweig der "Independent Workers Union of Great Britain". Jetzt ist er gewählter Vorsitzender von etwa 900 Fahrern und hilft unter anderem, Streiks zu organisieren.
Das Problem der algorithmischen Diskriminierung
Nach seiner Erfahrung verweigern die Unternehmen oft einen offenen Dialog. Dabei hatte der Oberste UK-Gerichtshof kürzlich in einem bahnbrechenden Urteil entschieden, dass Fahrer Anspruch auf Urlaub, Renten und einen Mindestlohn haben. Mehrere Gewerkschaften sind der Meinung, dass Uber diese neuen Verpflichtungen umgangen habe. Aber auch die EU-Kommission ist nun auf das Problem aufmerksam geworden. Sie erließ im Dezember eine Richtlinie zur "Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit". Das bedeutet: Neue Regeln werden folgen.
Und dann ist da noch das Problem der algorithmischen Diskriminierung – etwa bei der Gesichtserkennung, welche die Identität der Fahrer überprüft. Sie erkennt nicht-weiße Gesichter bekanntermaßen schlechter als weiße. In London ist die Mehrheit der Fahrer schwarz und einige wurden deshalb von den Plattformen ausgesperrt – ohne dagegen Einspruch erheben zu können. Dies war ein Hauptgrund für eine Kundgebung von rund hundert Fahrern im Oktober in London, die Awaad mitorganisiert hat. Seine Gewerkschaft kündigte dort auch eine Diskriminierungsklage wegen der Fehler der Gesichtserkennung an. "Wir erwarten eine harte Strafe für Uber, weil dies auch in anderen Ländern passiert", sagt Awaad.
"Wir haben täglich Übergriffe. Das ist ein globales Problem."
Und wer eine Arbeit findet, ist oft anderen Gefahren wie Covid und Überfällen ausgesetzt. "Wir haben zwei Fahrer, die in Nigeria getötet wurden. Ein Fahrer wurde am 17. Februar in London ermordet. Wir haben täglich Übergriffe", sagt Awaad. "Das ist ein globales Problem."
Wollen die Beschäftigten eine Gewerkschaft gründen, betätigen sich viele Unternehmen als "Union Buster": Mit Schikanen und Einschüchterungen versucht die Geschäftsleitung, jegliche Organisation zu verhindern. So geschah es im September beim Essenslieferanten Imperfect Foods und im November bei HelloFresh in Aurora, Colorado. Und als die Belegschaft eines Amazon-Lagers in Alabama im April über die Gründung einer Arbeitnehmervertretung abstimmte, mischte sich das Unternehmen so massiv ein, dass das "National Labor Relations Board" eine Wiederholung der Wahl anordnete. Auch beim zweiten Wahlgang gab es eine knappe Mehrheit gegen eine Gewerkschaft. Allerdings war das Ergebnis zu Redaktionsschluss noch nicht offiziell bestätigt.
Deutschland als mögliches Vorbild
Solche Taktiken greifen laut Yonatan Miller von der Berliner Sektion der "Tech Workers Coalition" um sich. "Deutschland hat eine starke Tradition der Sozialpartnerschaft, wo Unternehmen nicht so feindlich gesinnt sind", sagt Miller. "Diese Art von Gewerkschaftsfeindlichkeit ist etwas, das aus den USA importiert wird."
Die "Tech Workers Coalition" ist eine basisdemokratische, ehrenamtlich geführte Organisation mit 21 Sektionen weltweit. Miller wurde 2019 Mitglied und erinnert sich noch gut an das erste Treffen in Berlin-Kreuzberg mit etwa 40 Leuten. "Die meisten von uns waren Neulinge", sagt er. Einige hatten einen arabischen oder muslimischen Hintergrund, andere kamen aus Lateinamerika, Osteuropa und weiteren Teilen Europas.
Die Coalition will eine globale Antwort auf ein globales Problem finden. In den zwei Jahren ihrer Tätigkeit hat die Berliner Sektion schon viele greifbare Ergebnisse erzielt. Sie unterstützte etwa die Beschäftigten des Essenslieferanten Gorillas, Deutschlands erstem Einhorn-Unternehmen, das sich erbittert gegen einen Betriebsrat wehrte. Sie sammelte Geld für eine Amazon-Lagerarbeiterin in Polen, die offenbar wegen ihrer Gewerkschaftsarbeit entlassen worden war. Und sie organisierte einen Protest vor der Berliner Zentrale von HelloFresh, als die Mitarbeiter versuchten, sich zu organisieren. Darüber hinaus bietet die Coalition Schulungen, Beratung oder Unterstützung an, wobei vieles davon "eher diskret hinter den Kulissen geschieht", so Miller.
In seinen Augen bringen solche Aktivitäten die Tech-Industrie näher an die Standards anderer Branchen heran. Als Vorbild dienen ihm die Aktionen von Lehrern und Beschäftigten im Gesundheitswesen sowie die Streiks bei Google.
Während der Pandemie war es allerdings kaum noch möglich, sich mit anderen Aktivisten zu treffen. Corona hat den Zugang zu Kneipen und anderen Versammlungsorten abgeschnitten, in denen Klagen zu Ideen und Ideen zu Aktionen werden – und das zu einem Zeitpunkt, als die Branche gerade begonnen hatte, die Notwendigkeit einer gewerkschaftlichen Organisierung zu akzeptieren. "Wir haben die moralische Debatte gewonnen", sagt Miller. "Aber wir konnten damit nichts durchsetzen."
Wie lässt sich eine Internetplattform verantwortungsvoll betreiben?
Der Wirbel um die Aussagen von Frances Haugen hatte sich noch nicht gelegt, als die beiden ehemaligen Facebook-Mitarbeiter Sahar Massachi und Jeff Allen das "Integrity Institute" gründeten – eine gemeinnützige Organisation, die unabhängige Forschungsergebnisse und Standards veröffentlichen will, um zu verhindern, dass soziale Plattformen Schaden anrichten. Massachi und Allen haben bei Facebook daran gearbeitet, die Plattform sauber und integer zu halten. Jetzt wollten sie die große Frage beantworten, wie sich eine Internetplattform verantwortungsvoll betreiben lässt. "Hoffentlich kommen wir irgendwann an einen Punkt, an dem wir sagen können: Es ist ethisch vertretbar, in der Tech-Branche zu arbeiten", sagt Allen.

(Bild: Uli Kaufmann)
Massachi und Allen sind keine Whistleblower. Sie achten darauf, ihre NDAs einzuhalten. Aber sie stehen stellvertretend für den Trend, dass ehemalige Big-Tech-Mitarbeiter ihre Expertise nutzen, um Wissen über die Arbeitsweise von Plattformen öffentlich zu machen.
Dazu gehören auch Algorithmen-Ethiker wie Meredith Whittaker. Die KI-Forscherin und ehemalige Google-Mitarbeiterin hatte den Streik von 2018 mitorganisiert. Jetzt berät sie die Federal Trade Commission. Oder Timnit Gebru, ehemalige Co-Leiterin des Ethical-AI-Teams bei Google. Sie wurde im Dezember 2020 entlassen. Ein Jahr später kündigte sie die Gründung des Distributed AI Research Institute an.
Schockwellen in der Tech-Community
Die Kündigung von Gebru und ihrer Kollegin Margaret Mitchell [17], Gründerin des Ethics-Teams, wenige Monate später hatte Schockwellen durch die Tech-Community getrieben. Google-Mitarbeiter schrieben einen Protestbrief an CEO Sundar Pichai, einige Ingenieure kündigten und eine Kampagne mit dem Titel #MakeAIEthical versuchte, den Einfluss von Google in diesem Bereich zu brechen. "Im Moment ist es sehr schwierig, sich vorzustellen, wie jemand in diesem Unternehmen wirklich forschen kann", sagte Gebru im Dezember 2020 gegenüber TR. "Wenn es einen besseren Schutz für den Arbeitsplatz gäbe, wäre es einfacher."
Terra Field fing 2019 bei Netflix an; es war ihr erster Job nach ihrer Geschlechtsanpassung. Schon bald nach ihrer Einstellung trat Field der "Trans Employee Resource Group" bei. Sie wurde während der Pandemie für viele Trans-Mitarbeiter zum Rettungsanker. Aber sie erfüllte auch eine wichtige Funktion für Netflix selbst, denn ihre Mitglieder trafen sich mit anderen Teams, um sie für die Erfahrung von Transsexuellen zu sensibilisieren. So sollte etwa verhindert werden, dass Netflix-Inhalte versehentlich die Gefühle der Trans-Gemeinschaft verletzen. Die Gruppe half auch bei den Fragen, wie die Stimmen von Transsexuellen in verschiedenen Ländern zu synchronisieren sind, und wie sich Inhalte authentischer gestalten lassen.
Gute Gehälter, Aktienoptionen und kostenloses Mittagessen helfen wenig gegen Diskriminierung.
Doch die Gruppe wurde ohne Vorwarnung überrumpelt, als der Comedian Dave Chappelle über Netflix Anti-Trans-Witze verbreitete. "Wir fühlten uns in gewisser Weise betrogen", sagt Field. Daraufhin organisierte sie einen Streik, postete eine Reihe von viralen Tweets, wurde vom Dienst suspendiert und kündigte – auch aus Protest gegen die Entlassung von B. Pagels-Minor, einer anderen transsexuellen Mitarbeiterin, die den Streik mitorganisiert hatte.
Laut "Collective Action in Tech" war solch eine identitätsbasierte Diskriminierung ein treibender Faktor für die aktuelle Organisationswelle in US-Tech-Unternehmen. Die Beschäftigten forderten dabei etwa die Entfernung anti-asiatischer Inhalte oder die Unterstützung von Palästinensern. Bei Apple reichten 2.000 Angestellte eine Petition gegen die Einstellung eines Managers ein, der ihrer Meinung nach "schädliche Ansichten" über Frauen und People of Color vertrat. Der Manager verließ daraufhin das Unternehmen. Und Google-Beschäftigte forderten von ihrem Arbeitgeber, sicherzustellen, dass für transsexuelle Mitarbeiter die gewählten Namen statt der Geburtsnamen verwendet werden.
Proteste wegen der Löhne sind im Silicon Valley logischerweise selten – es gibt schließlich Aktienoptionen, gute Gehälter und kostenloses Mittagessen. Aber solche Vergünstigungen helfen wenig gegen strukturelle Diskriminierung. Field sagt, sie könne sich nicht vorstellen, dass es vor fünf oder zehn Jahren derartige Aktionen gegeben hätte, aber jetzt seien die Tore offen: "Ich hoffe, dass diese Dynamik anhält und sich ausweitet, weil die Menschen erkennen, dass die Gemeinschaft stark ist."
(grh [18])
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