Grün gerechnet

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Neben den direkten Umweltwirkungen bei Herstellung und Einsatz eines Produkts sowie dem Energieverbrauch steht seit einiger Zeit auch der Ressourcenverbrauch im Fokus der Ökobilanzierer. Ein Weg, ihn zu messen, ist das Verfahren "Materialinput pro Serviceeinheit" (Mips), das etwa die Forscher am Wuppertal Institut verwenden. Analysieren sie damit etwa die Ressourceneffizienz der Windkraft, steht am Ende des Prozesses eine Zahl, die den Materialaufwand in Kilogramm zur Herstellung einer Megawattstunde Strom angibt.

Die Besonderheit bei Mips: Anders als ein Life Cycle Assessment beurteilt das Verfahren nicht die Auswirkungen jeder einzelnen Emission oder die Folgen des Abbaus der verwendeten Rohstoffe. Ein Kilogramm Uran zählt bei ihm im Prinzip gleich viel wie ein Kilogramm Braunkohle. Es sei eben sehr komplex, die Radioaktivität von Uran und die Klimaschädlichkeit von Kohle in Zahlen auszudrücken und zu vergleichen, was nun für die Umwelt schlimmer sei, sagt Klaus Wiesen vom Wuppertal Institut. "Stattdessen setzt das Mips-Konzept am Anfang der Kausalkette an. Nämlich möglichst wenig dieser Rohstoffe zu fördern."

Die Rahmenbedingungen für den Einsatz einer Ressource gehen aber auch in die Mips-Analyse ein. So werden zum Beispiel beim Abbau von Braunkohle auch die dafür bewegten Erdmassen in Kilogramm mitgezählt, beim Uran der messbare Materialaufwand für Entsorgung und Lagerung. "Auf diese Weise lässt sich die Umweltbelastung insgesamt eben doch erfassen", sagt Wiesen. Um spezielle Umweltauswirkungen zu betrachten, sei es überdies sinnvoll, neben Mips noch andere Verfahren zu nutzen, etwa bei Uran eine Risikobewertung oder bei Kohle den CO2-Fußabdruck als Maß für die Klimaschädlichkeit.

Inzwischen gibt es außerdem Ansätze, die zusätzlichen, mit dem Ressourcenabbau verbundenen Gefahren zu quantifizieren – ähnlich wie es die Kohlendioxid-Äquivalente für den drohenden Klimawandel tun. Momentan bereitet der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) dazu eine Richtlinie vor. "Auch hier wird man die verschiedenen Risiken nicht gegeneinander aufrechnen können, aber die Quantifizierung hilft, die Auswirkungen beim Abbau unterschiedlicher Rohstoffe vergleichen zu können", sagt Christof Oberender vom VDI Zentrum Ressourceneffizienz. Insgesamt zwölf Risikofaktoren wie die Reichweite der Reserven, die Konzentration der Reserven in wenigen Ländern oder die Anfälligkeit des Rohstoffabbaus für Naturereignisse haben die Experten des VDI ausgemacht und dafür jeweils eine Bewertungsskala entworfen. Bis zum Sommer wollen sie den Entwurf einer Richtlinie vorstellen. Sie hoffen, dass die Ressourceneffizienz damit stärker in den Blickpunkt der Unternehmen rückt, vor allem auch bei kleinen und mittelständischen Firmen. "Denn nur, was man bewerten kann, kann man auch verbessern", sagt Oberender.

Solarenergie – auf die Herkunft kommt es an

Photovoltaik gilt als die Vorzeigetechnik unter den erneuerbaren Energien. Sie ist an vielen Orten einsetzbar, konkurriert nicht mit Flächen für den Nahrungsmittelanbau wie Biodiesel, verändert nicht das Landschaftsbild, wie Windräder das tun. Doch es kommt sehr darauf an, wo die Solarzellen hergestellt werden, wie eine Studie der Northwestern University in Zusammenarbeit mit dem Argonne National Laboratory im US-Bundesstaat Illinois ergab.

So ist der CO2-Fußabdruck in etwa doppelt so hoch, wenn ein Solarpanel in China hergestellt und in Europa gebraucht wird, im Vergleich zu einem vor Ort in Europa gefertigten und eingesetzten Panel. Der Hauptgrund dafür ist, dass der Strom für die Produktion der Zellen in China überwiegend aus Kohle gewonnen wird. Ein chinesisches Solarpanel muss selbst im sonnigen Italien knapp zwei Jahre lang laufen, bis es tatsächlich zur CO2-Einsparung beiträgt. Hinzu kommen Säuren und Laugen sowie Phosphor und Bor, die bei der Produktion anfallen und sich oft in chinesischen Flüssen wiederfinden.

Auch das Wuppertal Institut hat im Auftrag der Bundesregierung die Ökobilanz von Solarzellen untersucht, allerdings mit der Mips-Methode, die vor allem den Ressourcenverbrauch erfasst. Dabei erwiesen sich die sogenannten CIGS-Dünnschicht-Solarzellen als besonders schonend. Sie bestehen neben Kupfer aus den Stoffen Indium, Gallium und Selen, daher die Abkürzung. Generell ist der Materialeinsatz bei dünnen Zellen geringer. Indium, Gallium und Selen werden darüber hinaus nur in sehr geringen Konzentrationen benötigt. Darum verbrauchen CIGS-Zellen lediglich rund die Hälfte der Ressourcen, die für die Produktion dicker Solarzellen aus polykristallinem Silizium erforderlich ist. In deren elektrischen Kontakten steckt nämlich Silber, das sich nur mit hohem Energie- und Materialaufwand gewinnen lässt. Allerdings ist die Versorgungssicherheit bei Indium und Selen zumindest zurzeit kritisch, weil Indium vor allem in China gefördert wird und Selen nur als Nebenprodukt beim Abbau anderer Roh- stoffe anfällt.

Windenergie – Ökostrom auf der Waagschale

Das Wuppertal Institut hat nicht nur den Solarstrom unter die Lupe genommen, sondern auch die Windenergie. Die Analyse der Windkraft mit der Mips-Methode brachte einen interessanten Unterschied zwischen Offshore-Anlagen und Windrädern auf dem Land zu Tage: Trotz eines höheren Energieeintrags auf See war der Ressourcenverbrauch bei den Offshore-Parks größer als bei den Landanlagen, bedingt vor allem durch die zusätzlichen Aufwendungen für den Stromtransport zur Küste. Trotzdem beträgt der Verbrauch an Rohstoffen und Energie bei allen Windrädern nur rund ein Zehntel des Verbrauchs, der für die Stromproduktion im europäischen Energiemix anfällt. Bereits nach weniger als einem Jahr haben Windräder die Energie für ihre Errichtung wieder eingespielt, bei einer geschätzten Betriebsdauer von 20 Jahren.

Nach einer Bilanz des VDI Zentrum Ressourceneffizienz ist allerdings die Effizienz der Stoffströme noch verbesserungswürdig. So gebe es bisher keinen systematischen Ansatz für die Entsorgung, bemängeln die Experten. Da die Zahl der abgebauten Anlagen in den nächsten Jahren stetig wachsen werde, bestehe hier dringender Handlungsbedarf. Der VDI empfiehlt der Windenergiebranche, von den Recycling-Erfahrungen zu profitieren, die derzeit bei der Elektromobilität gesammelt werden.

Um die Ressourceneffizienz zu steigern, schlagen die Ingenieure des VDI zudem vor, verstärkt Material-Überwachungssysteme einzusetzen. Bisher genehmigen die Behörden eine Betriebsphase von 20 Jahren. Die ließe sich mit entsprechender Kontrolltechnik ausdehnen: Anhand der Daten von Schwingungssensoren etwa könnten Sachverständige die tatsächlich aufgetretenen Belastungen ermitteln, bei positivem Ergebnis den Weiterbetrieb erlauben und so den Ersatz durch eine neue Anlage vermeiden.