Schutz gegen Staub und Wasser: So prüft der TÜV Smartphones, Fitnesstracker & Co

Seite 4: Irreführende Werbung von Herstellern?

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Wie verwirrend die IP-Prüfung sein kann, zeigt Samsung in Australien. Der Hersteller hat dort mehrere Werbebilder gezeigt, auf denen die Models ein Galaxy-Gerät im Pool oder am Strand verwenden. Auf Twitter postete Samsung etwa: "In deiner Zukunft gibts ein Selfie unter Wasser". Für die australische Verbraucherbehörde war das alles zu feucht und sie verklagte Samsung Anfang Juli 2019, weil die Werbung in die Irre führen soll. Denn für den Pool oder den Strand seien die Geräte nicht geeignet und Schäden durch Wasser würde Samsung nicht bezahlen. Samsung ist der Meinung, mit der Werbung alle nötigen Gesetze in Australien einzuhalten.

Bei der Klage geht es um mehrere Galaxy-Geräte, die nach IP68 geprüft sind, etwa das S10 oder das Note 8. Folgt man dem IP-Code, sind diese Handys gut abgesichert: Die Geräte sind staubdicht und gegen Berührungen geschützt (erste Ziffer, 6) sowie geschützt gegen dauerndes Untertauchen (zweite Ziffer, 8). Bereit für den Strand, sollte man meinen. Aber die Prüfung gilt eben nur für klares Wasser.

Klares Wasser findet man im Mittelmeer oder im Pool des Freibads eher selten. Aber Werbebilder im Badezimmer mit Leitungswasser verkaufen keine Handys. "Der IP-Test bildet nur einen bestimmten Umfang der Realität ab", sagt Hockel. "Und je nachdem wie der Hersteller es interpretiert, sehen seine Marketing-Maßnahmen aus." Mit Samsung hätte Hockel wohl einen Termin ausgemacht: "Ich hätte neutral die Normen und die Prüfgrundlage vorgestellt, denn der Kunde muss die technische Sachlage verstehen. Mit der Prüfung endet unser Mandat, das Marketing ist Sache der Hersteller."

Nicht nur Samsung hat Probleme mit feucht-fröhlichen Anzeigen. Auf Werbefotos bildete Sony 2015 das Xperia Z5 unter Wasser ab – bloß um später davon abzuraten, das Handy unter Wasser zu verwenden. Sony nannte dafür weitere Details der IP-Prüfung: Strikte Laborbedingungen, Standby-Modus, vorsichtige Handhabung. Also Dinge, die im Alltag und auf Werbebildern nicht vorkommen.

In den USA musste Sony 2017 schließlich Käufer entschädigen, weil der Hersteller mehrere Smartphones und Tablets als wasserdicht angepriesen hatte – darunter war auch das M4 Aqua, ein Smartphone, das den Begriff Wasser im Namen trägt.

Eine damalige Werbeanzeige von Sony.

(Bild: Sony)

Der Hersteller OnePlus verzichtet lieber ganz auf die IP-Prüfung. In einem Video aus dem Mai 2019 lässt der Hersteller sein OnePlus 7 Pro in einen Eimer voller Wasser fallen. Die Botschaft: IP-Prüfung kostet den Käufern Geld, wir haben uns einen günstigeren Test für wasserdichte Geräte ausgedacht.

Die Polemik im Video relativiert Carl Pei, der Mitgründer von OnePlus, in einem Blogpost: Bitte werft nicht alle euer 7 Pro in einen Wassereimer, unsere Garantie gilt nicht für Wasserschäden, vielleicht werden wir unsere Smartphones doch noch nach IP-Standards prüfen. Zurecht weißt Pei aber darauf hin, dass die Garantie von Smartphones mit IP-Prüfung ebenfalls keine Wasserschäden abdeckt.

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Eigentlich ist die IP-Prüfung eine gute Idee. In aufwändigen und zuverlässigen Tests weisen Prüfer nach, wie gut ein technisches Gerät mit Berührungen, Staub und Wasser klarkommt. Normen legen vergleichsweise eindeutig fest, welche Bedingungen ein Produkt erfüllen muss und machen sie so für den Käufer vergleichbar.

Eigentlich. Denn die Realität bereitet wie so oft Probleme. Keine Norm und keine Prüfung kann alle nur erdenklichen Anwendungsfälle aufgreifen und testen. Was bleibt sind Bedingungen, die nur bedingt für den Alltag bereit sind und etwa Chlor- oder Salzwasser ausschließen. Dazu kommen Hersteller, die mit verwirrend und möglicherweise irreführenden Logos und Werbebotschaften arbeiten und den Käufern keine Chance geben, die IP-Codes im Kleingedruckten richtig einzuordnen.

"Es ist wichtig, bestimmte Regeln zu haben", sagt Hockel. "Für jedes Lebewesen von der Geburt bis zum Tod. Daher sind Normen wichtig. Und man kann durchaus kreativ mit ihnen umgehen: Sie lassen Spielraum für Interpretationen, aber bieten gleichzeitig eine verlässliche Vergleichbarkeit von Produkten. Und es kommt immer auf den Hersteller an, was er noch außerhalb der Norm prüfen möchte."

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