KI und Roboter werden nicht dafür sorgen, dass Menschen weniger arbeiten müssen

KI führt nicht zu mehr Freizeit, sondern zu höheren Standards für Produktivität, erklärt die Roboterethikerin Kate Darling im Interview mit der iX.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 50 Kommentare lesen

(Bild: vs148/Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Inhaltsverzeichnis

Die großen Fortschritte von großen Sprachmodellen führen in manchen Branchen zu Jubel, in anderen zu Sorge um den Arbeitsplatz. Während vor allem Grafiker die Ersten sind, die den Einschlag von KI spüren, gibt es auf der anderen Seite Heilsversprechen, dass KI uns allen die Arbeit erleichtern und zu größerem Wohlstand führen würde. Dr. Kate Darling, Forscherin am Massachusetts Institute of Technology (MIT) sieht das kritisch. Im Interview auf der Sphere24-Konferenz beantwortete sie, inwiefern sich die Fortschritte bei KI auf die Robotik auswirken können und was passiert, wenn die Roboter ihren Job verlieren.

Im Interview: Dr. Kate Darling

(Bild: 

WithSecure

)

Dr. Kate Darling, eine führende Expertin auf dem Gebiet der Roboterethik, ist Forscherin am Massachusetts Institute of Technology (MIT) und Leiterin des Boston Impact Initiative. Dort leitet sie ein Team von Forschern, das sich mit gesellschaftlichen Fragen im Zusammenhang mit der Entwicklung intelligenter Roboter beschäftigt. Sie erforscht die emotionale Verbindung zwischen Menschen und lebensechten Maschinen und versucht, schwierige Fragen vorwegzunehmen, mit denen sich Gesetzgeber, Ingenieure und die breite Öffentlichkeit in den kommenden Jahrzehnten auseinandersetzen müssen, wenn sich die Beziehungen zwischen Menschen und Robotern weiterentwickeln.

iX: Wie werden die aktuellen Fortschritte bei KI die Robotik verändern?

Kate Darling: Man kann nicht einfach künstliche Intelligenz in Roboter einbauen und plötzlich sind diese genauso intelligent wie die KI. Allerdings sehe ich, wie die aktuellen Entwicklungen an vielen Stellen in der Roboterforschung anknüpfen. Beispielsweise Foundation Modelle können Robotern helfen, viele Dinge zu tun, die derzeit noch nicht möglich sind. Allerdings sehe ich zwei Einschränkungen: Derzeit gibt es nicht genug Daten, um die Roboter zu trainieren. Es gibt zwar viele Sprachdaten, aber nicht ausreichend Daten dazu, wie Roboter spezifische Aufgaben lösen müssen. Dadurch wird die Entwicklung in diesem Bereich langsamer vorangehen, als es manche Leute befürchten. Schlussendlich wird KI die Robotik aber in hohem Maße beeinflussen.

Auch für die Robotik bieten die aktuellen Fortschritte von KI-Systemen Chancen. Doch anders als bei Sprachmodellen kann man hier nicht einfach die benötigten Trainingsdaten aus dem Internet sammeln, sagt Roboterethikerin Kate Darling. Unternehmen setzen daher auf Simulationen oder erzeugen eigene Videodaten.

(Bild: Jani Telatie / WithSecure)

Für die Trainingsdaten von großen Sprachmodellen haben KI-Firmen Crawler über das Internet laufen lassen und alles eingesammelt, was sie finden konnten. Gibt es einen ethischeren Weg, um genug Daten für lebensechte Roboter zu gewinnen?

Im Moment gibt es die Daten, die wir brauchen, nicht. Um entsprechende Daten zu bekommen, versuchen Unternehmen sie selbst zu erzeugen und da gibt es zwei Wege: Entweder dadurch, dass man einen Roboter Dinge tun lässt und die Videodaten sammelt oder durch Simulationen. Beides stößt an seine Grenzen. Ich glaube, dass wir irgendwann näher dran sein werden. Aktuell sind wir noch ziemlich weit davon entfernt, diese Daten zu haben.

Welche Effekte haben Roboter in Ihren Augen auf den Arbeitsmarkt?

Ich glaube, die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt hängen von anderen Dingen als der Technik selbst ab. Natürlich spielt es eine Rolle, in welche Funktionen wir investieren. Allerdings wird die Wirtschaftspolitik eher darüber entscheiden, was auf den Arbeitsmärkten passiert. So könnten wir in Ländern mit starken Arbeitnehmerrechten einen ganz anderen Einsatz von Robotern und einen geringeren Verlust von Arbeitsplätzen erleben als in Ländern, in denen Arbeitnehmer weniger Rechte haben.

Was passiert, wenn Roboter ihre Jobs verlieren?

Dass Roboter ihre Arbeitsplätze verlieren, ist schon ein paar Mal passiert. Etwa als Elon Musk vor vielen Jahren versucht hat, die Tesla-Fabrik zu automatisieren. Das hat riesige Kosten verursacht und wird wahrscheinlich noch öfter passieren. In gewisser Weise war das Verschwendung, und ich hoffe, dass es nicht dazu kommt. Aber ich weiß auch nicht wirklich, was dann mit den Robotern passiert.

Was sollte in Ihren Augen denn passieren?

Nun, wir sollten keine voreiligen Entscheidungen treffen und Roboter einfach als schnellen Ersatz für Menschen am Arbeitsplatz einsetzen. Denn das ist genau das, was schiefgeht. Unternehmen denken, sie könnten etwas Geld sparen und ersetzen ihre menschlichen Mitarbeiter. Und sobald die Menschen weg sind, stellen sie fest, dass ein Roboter keine Schrauben aufheben kann, die auf den Boden gefallen sind. Und dann müssen sie wieder Menschen einstellen? Ich denke, wenn man weniger kurzfristige, gewinnorientierte Entscheidungen trifft und gründlicher und kreativer darüber nachdenkt, was die Automatisierung wirklich bringen kann, wird man weniger Fehler machen und es wird zu weniger Verschwendung von Ressourcen kommen.

Alles, was wir Menschen online machen, können große Sprachmodelle im Grunde auch. Stehen wir hier wirklich vor einer Revolution der Arbeit, die es Menschen ermöglichen wird, weniger zu tun?

Wenn man sich die Geschichte der Automatisierung anschaut, war es nie der Fall, dass Menschen weniger tun mussten. Das ist also immer nur das Narrativ: Die neue Technologie, die es den Menschen ermöglichen wird, weniger zu arbeiten. Stattdessen steigen die Produktivitätsstandards und es entstehen völlig neue Dienstleistungsbranchen, von denen wir nicht einmal wussten, dass es sie geben könnte. Ich glaube also nicht, dass Roboter und künstliche Intelligenz ohne soziale Veränderungen oder Veränderungen in der Politik und in unserem Wirtschaftssystem einfach kommen und dafür sorgen werden, dass jeder am Strand abhängen kann und nicht mehr arbeiten muss. Ich denke, wir werden das Gleiche erleben wie bisher: nämlich dass sich die Dinge ändern, aber nicht, dass von den Menschen weniger Arbeit erwartet wird.

Vor einem vollen Saal warnte Kate Darling auf der Sphere24 davor, dass Anbieter ihre Technik durch die menschlich wirkenden Interaktion dafür verwenden könnten, Nutzer zu so zu manipulieren, dass sie nicht in ihrem, sondern im Interesse der Roboterfirma handeln.

(Bild: Jani Telatie / WithSecure)

Welche unbeabsichtigten Konsequenzen oder Gefahren entstehen durch die stärkere verbale Interaktion von Menschen und KI oder Robotern? Wer übt die Dominanz aus?

Wir haben bereits bei den sozialen Medien und anderen Technologien gesehen, wie menschliches Verhalten manipuliert werden kann, und zwar im Interesse von Unternehmen und nicht im Interesse des Nutzers. Ich denke, wenn man dem ein soziales Überzeugungselement hinzufügt, werden KI-Systeme zu diesem Effekt auf Steroiden. Ein Beispiel dafür ist Replica, ein Chatbot, der Millionen von Nutzern weltweit hat. Dort werden die Menschen sehr emotional an das System gebunden. Wenn man sich also vorstellt, dass ein Unternehmen ein solches System einsetzt, um das Verhalten der Menschen wirklich zu manipulieren, halte ich das für äußerst bedenklich. Und ich glaube nicht, dass wir über die notwendigen Verbraucherschutzgesetze verfügen, um die Menschen davor zu schützen.

Kann sich ein Mensch in einen Roboter verlieben?

Ich denke, ja. Wir haben zwar keine wirklich gute Definition dafür, was es überhaupt bedeutet, sich in einen Menschen zu verlieben. Das kann zum Beispiel sehr einseitig sein. Insofern glaube ich schon, dass sich Menschen wirklich in ein KI-System oder einen Roboter verlieben können. Und ich glaube, das wird ohne Frage passieren.

Das Interview mit Kate Darling ist als Gruppeninterview im Zuge der Sphere24-Konferenz in Helsinki entstanden und fand auf Englisch statt. Der Redakteur war dort auf Einladung der Firma WithSecure, die den Aufenthalt in Finnland bezahlt hat.

(pst)