Interview mit dem IFA-Chef: "Niemand in der Branche wollte eine zweite CeBIT"

Seite 2: Haben Messen wie die IFA noch eine Zukunft?

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Wir haben über die Publikumsmesse gesprochen. Nun finden solche Großveranstaltungen zunehmend in hybriden Formaten statt, um auch Online-Communities einzubinden. Was macht die IFA in dieser Richtung?

Das ist eine gute Frage. Als klar war, dass sich die IFA Management GmbH gründet, war einer der strategischen Eckpfeiler auch, wie stellt sich die IFA zukünftig digital auf und wir werden das auch in ganz anderer Form machen im nächsten Jahr.

Ich finde, dass es eine sinnvolle Ergänzung ist, aber nicht überbewertet werden darf. Hat man aus meiner Sicht an der CES gesehen, die sich während der Pandemie mit Microsoft zusammengetan haben, um eine digitale Messe zu machen. Und mein erster Gedanke damals war, damit legen die einen Grundstein für die Zukunft. Ich kenne natürlich jetzt keine Details, habe nur gesehen, dass sie jetzt nicht mehr mit Microsoft kooperieren.

Ich glaube auch, in der Form ist das aktuell nicht relevant. Natürlich ist der Web-Auftritt wichtig, das ist klar, den haben wir auch komplett überarbeitet. Aber wir werden im nächsten Jahr auch eine veränderte digitale Präsenz mit anderen Möglichkeiten vorstellen.

Spielen denn Tech-Messen im Post-Corona- und im digitalen Zeitalter für die Branche überhaupt noch so eine große Rolle wie früher?

Also, wenn ich unterwegs bin und mit den Kunden spreche, mit den Marketingabteilungen, dann sieht man ganz klar, dass eigentlich in allen Marketingbudgets Messen eine Rolle spielen. Die Frage, die sich für die Unternehmen stellt, ist, ob sie noch zwölf Messen weltweit brauchen.

Die Großen – zu denen wir gehören – wenn die ihren Job gut machen und sich auf die Zukunft ausrichten, dann werden sich Kunden auf sie konzentrieren. Die mittleren Messen werden es wahrscheinlich eher schwerer haben, weil der Return of Invest in Bezug auf Medien- und Konsumentenkontakte schwieriger wird.

Wenn hier und da weniger Messen besucht werden, hängt das auch mit der Marktsituation der Marke zusammen, aber heißt nicht unbedingt, dass auf Messen verzichtet wird oder man nur noch auf eigene Events setzt.

Ich glaube, die Währung aktuell ist Interaktion: Wie oft ein Konsument mit der Marke interagiert. Und dafür ist eine physische Präsenz immer notwendig. Abgesehen von den Händlern und Medien können sie vor Ort mit Verbrauchern kommunizieren. Und da haben wir mit der IFA eine gute Basis, die wir ausbauen wollen.

Corona war der große Reset für die gesamte Veranstaltungsbranche. Wir sehen jetzt, dass sich die Besucherzahlen so langsam erholen. Halten Sie das für eine nachhaltige Entwicklung?

Ich glaube, dass es eine nachhaltige Entwicklung ist. Warum? Wir sehen gerade, dass Formate wie SXSW, EuroCucina, OMR oder Gamescom im Trend liegen und teilweise ausgebucht sind. Das wird auch weiterhin so bleiben. Messen, die es hinbekommen, ein kulturelles Event, ein Ereignis daraus machen, werden es auch es schaffen, die junge Generation an sich zu binden.

Wir haben mit dem Sommergarten auch eine Entertainment-Plattform, die bei Künstlern durchaus beliebt ist. Auch wenn er nicht ganz einfach ist als Produktionsstandort, weil nicht jeden Tag Konzerte dort stattfinden. Der Aufwand ist relativ hoch.

Bryan Adams kommt.

Genau, Bryan Adams kommt dieses Jahr und kickt sozusagen die IFA off. Und wir werden am Freitag mit dem Label 6Pm viele deutsche Künstler, vor allem aus dem Bereich Deutschrap, an Bord haben, die die ganz junge Zielgruppe ansprechen. Die haben die IFA vielleicht noch gar nicht auf dem Schirm. Am Samstag sprechen wir wieder Elektro-Publikum an, Faithless ist auch da.

Also last but not least, ich denke, dass der Trend nachhaltig ist für die, die auch an ihrem Konzept arbeiten, sich weiterentwickeln.

Wir sehen, dass viele neue Marken aus China kommen, sei es Unterhaltungselektronik oder Hausgeräte. Nun ist das Thema China politisch gerade etwas aufgeladen. Wie manövrieren Sie die IFA durch dieses Spannungsfeld mit chinesischen Unternehmen und eventuellen Vorbehalten der Politik?

Das ist ein herausforderndes Thema, auch weil wir Mitglied im Clarion-Konzern sind. Wenn es weltweite Entscheidungen oder Sanktionen wie gegen Russland gibt, dann halten wir uns natürlich daran. Wir haben keinen russischen Aussteller.

Was China angeht: Sie wissen ja, China ist das größte Exportland für Deutschland. Für uns gibt es derzeit keinerlei Hinweise oder Gründe, da eine entgegengesetzte Position einzunehmen. Im Gegenteil, China ist ein wichtiger Treiber aus Asien für Innovation. Wer alle chinesischen Firmen über einen Kamm schert, macht einen Riesenfehler.

Schauen wir uns die Drohnen für den Konsumentenbereich an, ich rede explizit nicht von Kriegsmaterial. Es war es die chinesische Firma DJI, die diesen Markt überhaupt erst entwickelt und Qualitätsmaßstäbe gesetzt hat. Und das inspiriert auch andere Firmen, mehr in die Richtung zu entwickeln. Unternehmen, die treiben, die kopieren nicht.

Bei Firmen wie Haier, Hisense oder TP Vision sieht man auch, wie sich das Ansehen der chinesischen Firmen verändert hat. Die Qualitätsstandards sind höher geworden, die Produkte halten deutlich mehr als in der Vergangenheit. Für Fachhändler sind das mittlerweile adäquate Produkte, zu denen man auch raten kann.

Dann gibt es natürlich den anderen Part, wo ich sage jetzt mal zehn relativ unbekannte Firmen mehr oder weniger dasselbe Produkt anbieten. Die helfen der IFA sicherlich nur bedingt. Aber unterm Strich kommt eine unheimliche Power aus China, die auch zur IFA gehört.

Eine der gelebten Traditionen der IFA war die Eröffnung durch den Kanzler oder die Kanzlerin in früheren Zeiten. Olaf Scholz kommt auch wieder. Was erwarten sie von der Bundesregierung im Hinblick auf eine Technikmesse wie die IFA und das Messegeschäft insgesamt?

Interessante Frage. Ich habe gelernt, dass der Bundeskanzler und vorher die Kanzlerin länger nicht mehr da waren. Deswegen freuen wir uns natürlich besonders, dass dieses Jahr der Bundeskanzler sowohl die 100-Jahre-Gala, also unsere Geburtstagsfeier, eröffnen wird, und auch am ersten Tag einen Rundgang machen wird. Das zeigt ja durchaus den Fokus und die Wertschätzung.

Abgesehen davon – und ich weiß, das betrifft nicht nur uns, sondern auch andere Messen – ist es für uns sehr wichtig, international zu sein. Hier und da ist es mit Arbeitsvisa nicht so ganz einfach, dass alle Aussteller, die kommen wollen, auch rechtzeitig Visa für ihre Mitarbeiter bekommen. Da würde ich mir wünschen, dass es für Arbeitsvisa eine etwas kulantere Bearbeitung in angemessener Zeit gibt – weil das hindert uns stellenweise daran, größer zu sein. Es geht darum, dass Leute, die hier unsere Wirtschaft unterstützen, auch schnellen Zugang zu unserem Land und der Messe bekommen sollten.

Sie haben Clarion erwähnt. Das ist der neue Partner im Team, ein internationaler Veranstalter. Was kann der einbringen und wie weit mischt der sich ein?

Bevor ich angefangen habe, hier zu arbeiten, war mir natürlich wichtig, auch kennenzulernen, mit wem ich eigentlich arbeite. Das Gute ist, den einen kannte ich schon, weil ich im Aufsichtsrat der GFU war. Und ich habe mir natürlich ein Bild davon gemacht, wie weit greift die Clarion ein, wie detailliert muss man sich im Tagesgeschäft abstimmen oder nicht, aber wie kann ich auch von deren Erfahrung profitieren. Clarion hat über 300 Messen und die sind sehr individuell, weil sie auch unterschiedliche Gesetze in ihren Ländern haben, weil sie andere Kulturen haben und so weiter.

Man muss sich wie einen Baukasten vorstellen: Wir entscheiden, welche Bausteine wir aus dem Clarion-Universum verwenden, um unser Haus zu bauen und welche wir im Kasten lassen. Das ist eine Riesenhilfe, denn wenn man Leute hat im Unternehmen, die eine hohe Event-Erfahrung haben, dann wäre ich schön blöd, wenn ich die nicht versuchen würde zu nutzen.

Was würden Sie abschließend sagen, gibt es schon Highlights, die Sie uns verraten können, die wir auf keinen Fall verpassen dürfen auf der IFA 2024?

Erstens werden am gleichen ersten Tag Produkte gelauncht, die wirklich weltweit eine Bedeutung haben – und ich versuche jetzt nicht zu übertreiben. Zweitens wird es auch im Bereich der Haushaltsgeräte Bewegung geben, die den Markt beeinflussen kann. Im Bereich Beauty-Tech wird was Außergewöhnliches kommen, auch im Bereich Digital Health.

Herr Lindner, herzlichen Dank für das Gespräch.

Das Interview haben wir Anfang August in Berlin geführt.

(vbr)