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Interview mit dem IFA-Chef: "Niemand in der Branche wollte eine zweite CeBIT"

Seit Oktober 2023 leitet der Branchen-Veteran und ehemalige Samsung-Manager Leif Linder die Geschicke der IFA. heise online hat ihn in Berlin getroffen.​

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IFA-Chef Leif Lindner und einige Kollegen sitzen mit Laptops um einen Bürotisch.

Leif Lindner im Büro der IFA Management GmbH in Berlin. An der Wand: Der Hallenplan der IFA 2024.

(Bild: IFA Management GmbH)

Lesezeit: 19 Min.
Inhaltsverzeichnis

Unruhige Zeiten liegen hinter der deutschen Leitmesse für Unterhaltungselektronik und Haushaltsgeräte. Die IFA feiert in diesem Jahr ihr Hundertjähriges und ist unter neuem Management. Das möchte nach dem Zerwürfnis mit der Messegesellschaft und dem Einstieg eines internationalen Partners die Messe wieder in ruhige Fahrwasser führen.

Seit Oktober 2023 leitet der Branchen-Veteran und ehemalige Samsung-Manager Leif Linder die Geschicke der IFA. Er will die Messe, die sich für weitere zehn Jahre an Berlin gebunden hat, neu aufstellen und fit für die Zukunft machen. heise online hat Leif Lindner in der Hauptstadt zum Interview getroffen.

heise online: Herr Lindner, jetzt sind es noch wenige Tage bis zur IFA, die eine besondere ist. Sie feiern 100 Jahre IFA. Was können wir erwarten?

Leif Lindner: Anlässlich der 100 Jahre ein Event der Superlative, denn schließlich haben wir einiges zu feiern. Es gibt nicht viele Messen, die so alt sind, die so viel Historie haben. Wobei ich das Wort "alt" eigentlich nicht verwenden möchte.

Wir feiern nicht nur rückblickend die letzten 100 Jahre, sondern es geht auch um einen Neuanfang, einen Neustart, eine Neuausrichtung. Dem tragen wir auch mit unserem neuen Branding Rechnung. Unser neues Logo, unsere neuen Farben – das ist die neue Bildsprache, die die Menschen von uns wahrnehmen. Das geht von der Website bis zur App und was man auf der Messe selbst sieht.

Man wird auch dieses Jahr besonders erkennen, dass die IFA eben keine reine Technologie-Innovations-Show ist, sondern auch Entertainment und Erlebnis. Die IFA ist ein kulturelles Event und das ist für uns auch die Ausrichtung für die Zukunft. Ein modernes Messeformat muss heute ein kulturelles Event sein, wenn es eine Daseinsberechtigung und Perspektive haben will.

Sie haben es angesprochen: Es ist ein Neuanfang. Es ist Ihre erste IFA. Wenn wir den Blick nach vorn richten: Was machen Sie anders als Ihre Vorgänger? Wie wollen Sie die IFA weiterentwickeln?

Ja, um das nachhaltig zu beantworten, muss man ja wissen, wie ist es zu der Konstellation jetzt eigentlich gekommen? Warum bin ich da, nicht jemand anders? Im Prinzip, Sie werden sich vielleicht daran erinnern, hat die Messe Berlin die IFA abgegeben und das ist vor allem auch auf Druck der Industrie passiert.

Es ist eine besondere Situation, die es nicht in vielen Branchen gibt. Der Markenrechtsinhaber der IFA ist die GFU, in der wiederum die wichtigsten 22 Hersteller vertreten sind. Ich war damals noch bei Samsung, also noch auf Industrieseite und im Aufsichtsrat dabei.

Wir von der Industrie haben gemeinsam gesagt, die IFA muss sich deutlich verändern, um vorbereitet zu sein für die Zukunft, um weiterhin auch für internationale Großkonzerne Ansprechpartner zu bleiben. Da ich selbst in einem gearbeitet habe, wusste ich, dass ein angestaubtes Image zum Problem werden kann und niemand in der Branche wollte eine zweite CeBIT.

Das war die Ausgangssituation. Als ich damals mit darauf gedrängt habe, dass sich was ändert, wusste ich noch nicht, dass ich selbst derjenige sein werde, der auf dem Fahrersitz sitzt und nicht mehr Beifahrer oder Außenstehender ist.

Wir müssen die IFA auf eine andere, eine zeitgemäße Stufe heben. Das heißt nicht, dass meine Vorgänger alle einen schlechten Job gemacht haben. Im Gegenteil, 100 Jahre muss man erst mal schaffen. Wenn man die Historie der letzten 100 Jahre betrachtet, gab es viele Meilensteine, wo Produkte das erste Mal weltweit auf der IFA gezeigt wurden.

Und lassen Sie mich das nur kurz erwähnen, wir zeigen diese Geschichte auch in einer Ausstellung, die zuerst im Bikini Berlin war und für die IFA ins Palais am Funkturm zieht. Dazu kommen zehn Kunstwerke von lokalen Berliner Künstlern zum Thema Elektronik.

Letztlich geht es darum, die Trendthemen der Branche anzusprechen. Dafür zu sorgen, dass wir zwar Schaufenster für Innovationen sind, aber auch, dass wr eine Relevanz bekommen außerhalb unserer Branche. Wir möchten wieder mehr, dass die IFA zum Erlebnis wird, dass wir auch jüngere Zielgruppen ansprechen.

Das spiegelt sich auch im Branding wider, wir haben das Logo schon ziemlich verändert. Es bleibt aber dieser Tick Historie dabei, denn wir haben immer noch den sogenannten "Funk-Otto". Das Bild dieses Kopfes wird weiterhin auf bestimmten Bereichen benutzt werden, weil wir sind natürlich stolz auf unsere Historie, aber auch mit einem Augenzwinkern, dass wir uns halt weiterentwickeln.

So haben wir dieses Jahr auch den AI-Summit, den das Handelsblatt kuratiert, wie wir sowohl politische Key-Opinion-Leader als auch Leute außerhalb unserer Branche begrüßen. Das ist die Richtung, wo wir hinwollen. Mit Elektronik haben alle zu tun. Inhalte brauchen Wiedergabegeräte, KI braucht Wiedergabegeräte und dafür sind wir wie geschaffen.

Das heißt: Die IFA bleibt eine Publikumsmesse und macht weiter diesen Spagat, der – Sie haben die CeBIT angesprochen – bei der CeBIT immer Gegenstand von Diskussionen gewesen ist. Ist das jetzt ein klares Bekenntnis zur Publikumsmesse und geht die Branche den Weg auch mit?

Ja, beides mal ja. Es ist ein klares Commitment zu der Einmaligkeit der IFA, dass sie eine B2B- und B2C-Messe ist und bleibt.

Wir haben uns natürlich die Zahlen angeguckt, die Besucherströme. Kann es Sinn machen, zum Beispiel einen einzelnen Fachbesuchertag einzurichten? Wie bewerten wir, dass Fachmessen wie die ITB gar keinen Publikumstag mehr haben? Wir haben im Prinzip jeden Tag Publikums- und B2B-Tag.

Wir haben letztes Jahr nach der Messe die wichtigsten 50 Aussteller befragt. Wie seht ihr die Messe? Wie ist die Ausrichtung? Es haben fast alle geantwortet und wir können damit ziemlich sicher sagen, was von uns erwartet wird.

Es gibt Kunden, die sind fokussiert auf Business-Kontakte und weniger das Publikum, es gibt auch welche, denen ist vor allem wichtig, wie viele Medien und Händler herkommen. Aber die absolute Mehrheit steht hinter diesem Konzept, beide anzusprechen. Deswegen halten wir daran fest, weil es uns auch positiv absetzt von anderen.

Stichwort Händler und andere Messen, wie positionieren Sie die IFA im Vergleich zu anderen großen Technik-Events wie zum Beispiel der CES in den USA?

Interessant fand ich, als ich mit großen Ausstellern aus Asien gesprochen habe, auch abseits des Protokolls. Die sagten mir, die IFA hat unter anderem gegenüber der CES die große Stärke, dass sie ein Zusammenkommen der wesentlichen Händler ermöglicht.

Da kann man jetzt sagen: Moment, das macht doch die CES auch. Aber Deutschland ist im Elektronikbereich – also zum Beispiel für LG oder Samsung, zunehmend auch für die Chinesen – ein besonderer Markt. Bei 80 Millionen Einwohnern ist das vielleicht nicht sofort klar. Aber da die Deutschen sehr kritisch kaufen, kann man sagen: Setzt man sich in Deutschland durch, setzt man sich in allen Ländern durch. Deutschland ist strategisch wichtig. Deshalb ist die IFA wichtig und aus unserer Sicht ohne Alternative.

Darüber hinaus konzentriert sich die CES stark auf Automotive und ist die wichtigste Automotive-Messe in den USA, seit es die Detroit Motor Show nicht mehr gibt. In Deutschland haben wir die starke IAA. Wir können uns also gar nicht sinnvoll mit Automotive befassen. Wir haben auch eine starke Gamescom bei uns hier, während die es die große US-Gaming-Messe E3 auch nicht mehr gibt.

Das heißt, es macht gar keinen Sinn, eine Kopie der CES zu sein, sondern im Gegenteil, unsere Stärken sind, dass wir erstens unsere Messe ganz strategisch kuratieren. Wir haben also keinen Mix in den Ständen. Uns geht es in ersten Linie darum, dass wir Produktwelten abbilden, sodass eine klare Wegeführung auch für Verbraucher und Fachbesucher da ist.

Aber wir werden natürlich auch die Themen Mobility und Gaming stärker in den Blick nehmen. Neben der klassischen Consumer-Elektronik haben wir noch einen sehr stark wachsende Bereiche wie Beauty-Tech und Digital Health. Wir spielen auch wieder das Thema Hi-Fi, weil das in den letzten Jahren sehr vernachlässigt wurde

In diesem Jahr haben wir die nächste Stufe genommen, aber in den nächsten Jahren werden auch diese Themen größer werden. Und ich glaube, unsere Stärke ist es, dass wir mit der Stadt Berlin im Hintergrund im wahrsten Sinne des Wortes eine der wichtigsten Bühnen weltweit haben.

Ist die Messe jetzt ausgebucht oder haben Sie noch Luft?

Wir sind so gut wie ausgebucht. Wir haben die Global Markets, also eine ganze Halle, wieder in die Station Berlin ausgelagert. Wenn die noch in Halle 9 wären, wären wir überbucht. Also wir sind mit dem Buchungsergebnis sehr zufrieden. Ich finde auch gut, dass wir den einen oder anderen wieder zurückgewinnen konnten.

Es wurden ja in den vergangenen zwei Jahren so der eine oder andere große Aussteller vermisst. Ich denke da zum Beispiel an Sony.

Sony ist da. Und Sony ist auch größer als vorher. Ich war zweimal in Japan, um mit denen darüber zu sprechen. Und Sony Deutschland hat einen neuen Präsidenten, der das, was wir machen, sehr gut findet. Sony wird sich auch im Fotobereich auf der IFA zeigen. Fokussiert auf Influencer und Kreative, also eher auf eine spitze Zielgruppe zum Thema Content Creation, aber immerhin ist das ein nächster Schritt. Und wir werden nicht locker lassen und arbeiten auch schon am nächsten Jahr.