Ist die Telekom noch zu retten?

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Noch behindern hohe Gebühren für den Anrufer den völligen Wechsel von Kunden auf eine Handynummer. Dahin- ter steckt so etwas wie das schmutzige kleine Geheimnis der Mobilfunker: Sie verdienen klotzig, wenn ihre Kunden aus Fremdnetzen angerufen werden – derzeit nach WIK-Angaben zwischen 11 und 12,4 Cent pro Minute. Bezahlen muss der Netzbetreiber, von dem aus telefoniert wird, und damit letztlich der Anrufer. Doch auch diese Terminierungsgebühren kommen unter Druck: Eine erste Senkungsrunde bis Ende 2005 war dem Chef der Bundesnetzagentur (BNetzA), Matthias Kurth, noch nicht genug. Er forderte eine weitere Reduzierung, wenn die Branche sein Eingreifen verhindern wolle.

Auf lange Sicht, erwartet E-Plus’ Technik-Geschäftsführer Thorsten Dirks, dürfte sich der Preis für die Mobil-Terminierung nicht mehr von der im Festnetz unterscheiden. Fallende Terminierungsgebühren betreffen alle Mobilfunker, doch die Telekom mit ihrer Handy-sparte T-Mobile in besonderem Maße: Durch ihre Größe hat sie relativ wenig für Terminierung zu bezahlen und viel zu vereinnahmen.

Und was immer der Mobilfunk- Arm mit günstigen Angeboten an Kunden aus dem Festnetz zu sich holen kann, geht der Festnetz-Schwester T-Com verloren. Andererseits aber hat er keine andere Wahl, als das Spiel der Preissenkungen mitzuspielen: Sonst landen die Kunden eben bei einem der drei anderen Mobilfunker, und die Mutter T geht ganz leer aus.

ANGRIFF DER FUNKTECHNOLOGIEN

„Wir sind eine Industrie, die in Flatrates enden wird“, sagt E-Plus-Technikchef Dirks – preislich überzeugende Angebote bezeichnet er als beste Verteidigung gegen die Konkurrenz durch neue Technologien. Denn auch im Mobilfunk dürfte das Konzept von Voice over IP nicht aufzuhalten sein – spätestens die übernächste UMTS-Generation wird ohnehin nur noch IP-basiert sein. Schon heute kooperiert E-Plus mit dem VoIPProvider Skype, der mittlerweile auch Ortsnetzrufnummern anbietet. Andere VoIP-Dienste sind bei E-Plus wie auch den anderen Mobilfunkern zumeist noch verboten. Doch niemand in der Industrie geht davon aus, dass sich das auf Dauer halten lässt; mit technischen Tricks wären solche Verbote ohnehin leicht zu umgehen.

Eine weitere große Unbekannte für die Telekom sind Funktechnologien, die sich außerhalb des Bereichs klassischen Mobilfunks abspielen. Schon einmal wurden sie als Bedrohung gehandelt: Eine drahtlose Überbrückung der letzten Meile (Wireless Local Loop – WLL) sollte das Anschluss-Monopol der Telekom beenden. Diese Idee scheiterte vorläufig zusam- men mit vielen weiteren großen Ideen der Technologie-Blase Ende des vergangenen Jahrtausends. Doch so sind Frequenzen freigeworden, die jetzt für neue Angebote genutzt werden: Mit dem Spektrum der insolventen Star 21 Networks hat etwa die Deutsche Breitbanddienste GmbH begonnen, Netze auf Basis des entstehenden Funkstandards Wimax aufzubauen. Und in diesem Jahr sollen weitere Frequenzen vergeben werden, die breitbandige Datendienste über Funk ermöglichen. Anders als bei der UMTS-Versteigerung will die BNetzA hier nicht mehr festlegen, welche Technologie zum Einsatz kommt – was auch immer an leistungsfähigen Funkprodukten entwickelt wird, darf auch benutzt werden.

Es verwundert nicht, dass Dirks für E-Plus ankündigt, genau zu schauen, welche Dienste auf den Zusatzfrequenzen erlaubt werden: „Wir werden nicht die Hände in den Schoß legen, wenn jemand kommt, der kostenlos Frequenzen haben will, mit denen er das gleiche machen kann wie die Mobilfunkunternehmen.“

T-Mobile-Chef René Obermann äußerte sich am Rande der Berliner Konferenz ähnlich kampfeslustig. Zur Cebit gab er zudem bekannt, selbst Wimax- Frequenzen beantragt zu haben, um „portable“ – nicht etwa mobile – Internet-Zugänge anbieten zu können. Aber selbst wenn es gelingen sollte, eine echte mobile Nutzung der neuen Funknetze zu verhindern: Eine weitere Konkurrenz für DSL von der Telekom entsteht so allemal.

Sie gesellt sich zu einer, die im Prinzip schon seit Jahren existiert, aber in letzter Zeit an Durchschlagskraft gewinnt: WLAN-Netze, die ohne behördliche Genehmigung betrieben werden können. Jüngstes und derzeit dynamischstes Beispiel ist das spanische Startup Fon. Hinter ihm steht der Seriengründer Martin Varsavsky (eines seiner Unternehmen, der Internet-Provider ya.com, gehört mittlerweile T-Online). Mit finanzieller Unterstützung von Google und Skype will er ein weltweites Netz von „Foneros“ aufbauen, die sich gegenseitig Zugang zum Internet gewähren – kostenlos im Modell „Linus“ oder gegen Bezahlung im Modell „Bill“. Erleichtert wird das durch vorkonfigurierte WLAN-Geräte, die obendrein zum subventionierten Preis von 25 Euro angeboten werden. Innerhalb kürzester Zeit fand Fon mehr als 20 000 Mitglieder, deren Internet-Zugänge der Gemeinschaft zur Verfügung stehen – sobald das geplante Modell „Alien“ freigegeben ist, auch für Nur-Nutzer.

Und auch in diesem Zusammenhang taucht wieder das VoIP-Gespenst auf: Wer den Umstand nicht scheut, kann seit langem Telefon-Software auf sein Notebook spielen, einen Kopfhörer samt Mikrofon einstöpseln und über eine WLAN-Verbindung telefonieren; vor allem auf Auslandsreisen kann man so die horrenden Roaming-Gebühren seines Mobilfunkanbieters umgehen. Neuerdings ist das auch ohne Materialschlacht möglich: Nokia stellte auf der Messe 3GSM in diesem Februar sein Modell 6136 vor, das neben klassischem Mobilfunk auch VoIP über WLAN beherrscht. Noch räumt Nokia, als weltgrößter Handyhersteller den massenabnehmenden Mobilfunkern eng verbunden, diesen das Privileg ein, zu bestimmen, welcher VoIP-Dienst auf dem 6136 läuft. Aber Geräte von Newcomern, wie etwa das von Sipgate auf der Cebit präsentierte GF 200 von UT Starcom, sind in dieser Hinsicht ausgesprochen rücksichtslos.

ENDE DES INFRASTRUKTUR-MONOPOLS

„Telefonieren über das Internet wird mobil“, sagte Nokia-Chef Jorma Ollila bei der Vorstellung des 6136, und Vodafone-Vormann Arun Sarin bestätigte: „Die VoIP-Welt wartet eindeutig gleich um die Ecke; sie ist nur noch zwei bis drei Jahre entfernt.“ Hamid Akhavan, Technikchef von T-Mobile, gab sich dennoch gelassen: „VoIP wird die Mobilfunk-Industrie nicht sprengen“ – für die Kunden werde der Anreiz zum Umsteigen auf VoIP schließlich immer kleiner, weil auch die Handygebühren sinken. Was Akhavan aber verschwieg, ist das Problem mit den Terminierungsgebühren, die viel zum Gewinn beitragen und bislang relativ unangetastet geblieben sind. VoIP auf dem WLAN-Handy oder PDA bedeutet: Der Kunde ist unter einer normalen Ortsnetznummer oder gleich unter einer Internet- Adresse erreichbar; auch bei eingehenden Anrufen sieht sein Mobilfunk-Provider also keinen Cent mehr.

Dass ein Manager sinkende Preise in seinem Kerngeschäft zur Verteidigung anführt, zeigt, wie einschneidend der Veränderungsprozess in der Telecom-Branche ist. VoIP bringt die eingesessenen Anbieter gehörig unter Druck, weil es die Spielregeln ändert: Erstmals kann die Dienstleistung – die Übertragung von Sprache – damit wirklich getrennt von der Infra- struktur angeboten werden. Das könnte die Telekom noch verschmerzen. Aber obendrein wird mit WLAN, Wimax, UMTS und TV-Kabel-Internet zunehmend auch ihr Infrastruktur- Monopol untergraben.

An der Börse scheinen diese schlechten Nachrichten noch nicht wirklich angekommen zu sein. Zwar hat die T-Aktie den seit etwa drei Jahren laufenden Aufwärtstrend der Aktienmärkte weltweit nur unentschlossen mitgemacht und im vergangenen Sommer sogar die Gegenrichtung eingeschlagen. Damit liegt sie längst wieder unter dem Kurs der Erstausgabe im November 1996, was Millionen treue Kleinanleger ziemlich ärgern dürfte. Selbst die Ankündigung einer deutlich höheren Dividende Anfang März konnte den Markt nicht wirklich begeistern – und auch nicht die Tatsache, dass Konzernchef Ricke 2005 in finanzieller Hinsicht als „das erfolgreichste Jahr der Deutschen Telekom“ bezeichnete. Aber noch immer liegt die Aktie weit über ihrem Tiefstkurs von November 2002.