Jagd auf die Gedanken

Seite 2: Indirekte Wirkungen

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Laut Psychologin Strehl steht zudem nicht fest, worauf etwaige Trainingseffekte letztlich zurückgehen. In der Tat sind indirekte Wirkungen denkbar. Schließlich ist das Training häufig mit einer bestimmten Aufgabe oder einem Computerspiel verbunden, was schon allein den Teilnehmer positiv beeinflussen könnte. Dieses Problem hat auch eine Ende 2016 veröffentlichte Untersuchung mit dem Neurofeedback-Headset Muse, die der Hersteller Interaxon mitfinanzierte.

Forscher um den Psychologen Norman Farb von der University of Toronto ließen 13 Teilnehmer sechs Wochen lang täglich eine meditative Form der Aufmerksamkeit zu Hause trainieren. Muse analysierte ihre Hirnströme. Durch unterschiedlich starke Windgeräusche erfuhren die Probanden, ob sie gerade zerstreut oder aufmerksam waren. Eine Kontrollgruppe absolvierte in der gleichen Zeit ein Online-Mathetraining. Zwar schnitt die Neurofeedback-Gruppe nach dem Training in einem Test zur Kontrolle der Aufmerksamkeit besser ab. Aber war der Effekt wirklich nur dem Neurofeedback durch Muse geschuldet? Oder hätten die Übungen die Konzentrationsfähigkeit auch ohne elektronische Hilfsmittel verbessert? Zusätzlich konnten die Forscher einen Placeboeffekt nicht ausschließen. Denn allein schon die Erwartung, dass die Aufmerksamkeit sich durch das mentale Training verbessert, könnte die Leistung beflügeln.

Hinterbergers Fazit lautet: "Man sollte skeptisch sein, wenn mentale Konstrukte wie Aufmerksamkeit mit irgendwelchen neuronalen Messergebnissen gleichgesetzt werden." Für ein seriöses Neurofeedback-Training brauche es in der Regel gut geschultes Personal.

Damit stellt sich die Frage: Was bedeuten derartige Ergebnisse für das Ziel, mit technischen Hilfsmitteln noch tiefgreifender in die Gedankenwelt der Menschen vorzudringen? Wozu führt es, wenn Forscher beginnen, nicht nur mentale Zustände aus den Nervensignalen zu lesen, sondern auch konkrete Gedanken? Lassen sich die Hirnströme nutzen, um nur mit der Kraft des Gehirns zu schreiben, wie es Facebook vorschwebt? Oder gar Autos zu steuern?

Im Labor jedenfalls gelingen Forschern bereits erstaunliche Dinge: Vor drei Jahren schafften es zum Beispiel Forscher von der TU München und der TU Berlin im Rahmen des EU-Forschungsprojekts Brainflight, EEG-Signale zur horizontalen Steuerung eines Kleinflugzeugs im Flugsimulator zu nutzen. Die Versuchspersonen hielten allein durch gedachte Kommandos den Kurs und landeten die Maschine sogar unter schlechten Sichtbedingungen. Der Autopilot übernahm die vertikale Steuerung. "Die Idee ist, dass EEG-Signale schnell sind und sich deshalb für die Steuerung von Geräten anbieten", kommentiert John-Dylan Haynes vom Bernstein Center der Charité in Berlin.

Eine andere Möglichkeit, das Gehirn zu belauschen, ist die funktionelle Magnetresonanztomografie (fMRI). Die Methode misst die Hirnaktivität anhand des Sauerstoffverbrauchs. Sie liefert eine bessere örtliche Auflösung als das EEG, die Hirnaktivität lässt sich detaillierter analysieren. Mit ihr haben die Forscher Marcel Just und Tom Mitchell von der Carnegie Mellon University in Pittsburgh 2008 gedachte Wörter aus dem Kopf von Probanden ausgelesen. Mit einer Trefferquote von 75 Prozent konnten sie ermitteln, an welche Substantive aus einer vorgegebenen Gruppe von 60 die Testpersonen dachten.

Auch welche Bilder und sogar Filmtrailer Versuchspersonen zuvor angeschaut hatten, ließ sich aus fMRI-Daten im visuellen Kortex bereits erkennen. Beim Trailer-Experiment unterteilte das Team um Jack Gallant von der University of California in Berkeley die Gehirnaufnahmen in kleine, dreidimensionale Würfel (Voxel). Ein Algorithmus verglich anschließend sekundenweise die fMRI-Daten der Voxel und den Trailer und lernte, welche Gehirnaktivitäten welche Formen, Farben und Bewegungen repräsentieren.

Doch der Unterschied zwischen Labor und Alltag ist immens – und in diesen Fällen wohl noch um ein Vielfaches größer als beim Neurofeedback. Piloten werden noch lange nicht mit bloßer Gedankenkraft fliegen können. Dafür müssen noch diverse Hürden ausgeräumt werden, betonte schon damals Projektleiter Tim Fricke, der inzwischen in die Industrie gewechselt ist. Die Steuerung müsse zuverlässiger werden und die Kosten müssten sinken. Darüber hinaus sei die Kappe unbequem, das Leitgel im Haar störend und das lange Training frustrierend. Obendrein würden die Signale leicht durch Bewegungen des Gesichts verfälscht. Solche Artefakte ließen sich bei sorgfältigem Design der Auswerte-Algorithmen zwar minimieren. Aber ob – und vor allem: wie zuverlässig – das auch in der hektischen Realität eines Cockpits gelingt, weiß niemand.

Ein fMRI wiederum gibt zwar ein örtlich detaillierteres Bild der Hirnaktivität, bildet sie aber langsam ab. Schnelle Korrekturen in Notsituationen wären vermutlich unmöglich, selbst wenn es kleine und mobile fMRI-Geräte gäbe. Aktuell müssen die Probanden komplett ruhig liegen. Die Geräte haben einen Durchmesser von mehreren Metern und hätten in keinem Cockpit Platz – geschweige denn im Wohnzimmer.