Relativ erfolgreich: "Einstein triumphiert!"
Vor 100 Jahren wurde Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie experimentell bestätigt.
Es war eine weltweite Sensation, die die Titelseiten der groĂźen Zeitungen beherrschte: "Alles Licht am Himmel ist schief", berichtete etwa die New York Times etwas atemlos am 10. November 1919. "Wissenschaftler sind aufgeregt wegen Messungen zur Sonnenfinsternis. Die Sterne stehen nicht am richtigen Platz, aber es besteht kein Grund, sich Sorgen zu machen. Einstein triumphiert!".
Der Grund: Die britischen Astronomen Frank Watson Dyson, Arthur Stanley Eddington und Charles Rundle Davidson hatten bei einer totalen Sonnenfinsternis im Mai 1919 erstmals beobachtet, dass Licht entfernter Sterne durch die Masse der Sonne von seiner geraden Bahn abweicht.
Der Forscher als Spion
Der Verdienst, den ersten experimentellen Beweis für Einsteins Relativitätstheorie erbracht zu haben, wird vor allem Eddington zugeschrieben: einem britischen Pazifisten. Er war weltoffen und unvoreingenommen genug, um zu erkennen, dass Einstein das Zeug hatte, das britische Idol Isaac Newton vom Thron zu stürzen. Und der schließlich auch geschickt und hartnäckig genug war, um die experimentellen Belege für seine Thesen beizubringen.
Doch so glatt, wie sie heute meist beschrieben wird, ist die Geschichte nicht gelaufen. Ganz im Gegenteil: Es war nicht Eddington, der als Erster die Idee hatte, Einsteins Theorie mithilfe einer Sonnenfinsternis zu bestätigen. Der deutsche Erwin Finlay-Freundlich unternahm 1914 eine Expedition, um das Ereignis auf der Krim zu beobachten. Er wurde allerdings im Zuge des beginnenden Ersten Weltkriegs als Spion verhaftet. Von einer zweiten Expedition, unter dem Amerikaner William W. Campbell, wurde die Ausrüstung beschlagnahmt. Ihr Versuch, mit improvisierten Mitteln zu arbeiten, scheiterte dann am schlechten Wetter während der Sonnenfinsternis.
Heiter bis wolkig
Pech mit dem Wetter hatten auch die beiden britischen Expeditionen, die fünf Jahre später die nächste Sonnenfinsternis nutzen wollten: Sowohl auf der westafrikanischen Insel Principe, auf der Eddington und sein Kollege Edwin Turner Cottingham auf den großen Tag warteten, als auch im brasilianischen Sobral, wohin seine Kollegen Andrew Crommelin und Charles Davidson gereist waren, wurde die Sonne am 29. Mai 1919 durch Wolken verdeckt.
Eddington und Cottingham fertigten trotzdem 16 Fotos mit ihrem Teleskop an, denn gegen Ende der Finsternis war die Wolkendecke dünner geworden. Weil die Arbeiter der lokalen Dampfschiff-Gesellschaft jedoch mit einem Streik drohten, mussten Eddington und Cottingham überstürzt abreisen und konnten – anders als geplant – keine Vergleichsfotos ohne Sonne mehr aufnehmen. Stattdessen verwendeten sie Platten, die vor der Abreise in Oxford aufgenommen worden waren.
Crommelin und Davidson hingegen mussten bei der Entwicklung ihrer 19 Fotos feststellen, dass das Teleskop während der Finsternis den Fokus verloren hatte und dass die Sternbilder stark verzerrt waren. Die Platten wurden zwar analysiert, die Daten jedoch verworfen.
Ohne Zweifel
Kritiker hielten Eddington daher immer wieder vor, er habe die Daten zugunsten von Einstein "frisiert". Nach neueren Auswertungen der Daten mit modernen statistischen Methoden sind diese VorwĂĽrfe jedoch haltlos.
Eine erneute Prüfung der Original-Fotoplatten ist indes nicht mehr möglich: Die Aufnahmen von Eddington wurden bei einem deutschen Bombenangriff 1944 zerstört. Auch die Platten aus Sobral gelten mittlerweile als verschollen – verloren gegangen im Zuge von "Umorganisationen" des Königlichen Observatoriums in Greenwich.
An Einsteins Relativitätstheorie besteht jedoch kein Zweifel mehr: 1922 wurde die Abweichung des Lichts bei einer Sonnenfinsternis erneut gemessen – 2016 wurden dann zum ersten Mal Gravitationswellen direkt nachgewiesen. (bsc)