KI soll uns zu einem erfüllten Arbeitsleben verhelfen

Forscher vom Karlsruher Institut für Technologie arbeiten daran, den richtigen Flow zu finden und so die Produktivität von Mitarbeitern zu steigern.

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Kreativität: Flow on demand

(Bild: Shutterstock)

Lesezeit: 11 Min.
Von
  • Christian Honey
Inhaltsverzeichnis

"Wenn der Flow eintritt, ist das fast wie ein High. Du willst nicht, dass es aufhört. Du willst nicht schlafen, aus Angst, etwas zu verpassen."

Dr. Dre

"A, B, C, Vitamin D", sang er bei der Arbeit vor sich hin... Sie arbeiteten den ganzen Tag, und die ganze Zeit war er in tiefe Seligkeit versunken."

"Schöne Neue Welt", Aldous Huxley

Ich sitze in Kabine B10 an einem kleinen Tisch mit einem Bildschirm darauf. B10 misst gerade mal 1,5 Quadratmeter, ist schalldicht verschlossen und neonhell beleuchtet. Das allein ist klaustrophobisch. Verstärkt wird der Effekt noch von den drei EKG-Elektroden, die auf meiner Brust kleben. Die Kabel führen zu einem Computer, der unter dem Tisch surrt. Er zeichnet meinen Herzschlag auf, während ich angestrengt die Kopfrechenaufgaben löse, die auf dem Bildschirm erscheinen.

B10 ist nur eine von 40 Kabinen im Decision & Design Lab des Karlsruher Instituts für Technologie. Hier nehme ich an einem Experiment teil, das die Zukunft der Arbeit einläuten soll, zumindest wenn es nach der Vision der Versuchsleiter geht. Eine Zukunft, in der Arbeitgeber den Geisteszustand ihrer Mitarbeiter mit physiologischen Signalen vermessen, damit diese bei ihrer Arbeit im "Flow" bleiben, jenem mysteriösen Zustand, in dem man eins wird mit seiner Aufgabe, die Zeit vergisst und obendrein Höchstleistungen erbringt. Der Beginn einer Arbeitswelt, in der alle Menschen ihren Job lieben – und nur mithält, wer ständig im Flow ist?

Erdacht hat das Experiment die Forschungsgruppe von Alexander Mädche, Direktor am Institute of Information Systems and Marketing (IISM) des KIT. "Uns interessiert generell die menschzentrierte Gestaltung interaktiver intelligenter Systeme", sagt Mädche. "Ein wichtiges Ziel unserer aktuellen Forschungsarbeiten ist, intelligente Informationssysteme zu entwickeln, die Flow in Echtzeit erkennen und verarbeiten." So ein System soll dann zum Beispiel entscheiden, wann einem Mitarbeiter E-Mails oder Benachrichtigungen gezeigt werden, damit dessen Flow möglichst wenig unterbrochen wird.

Neu ist der Wunsch, Flow in die Business-Welt zu bringen, nicht. Beschrieben hat das Konzept bereits in den 1970er-Jahren der Psychologe Mihály Csíkszentmihályi von der Universität Chicago. Er hatte damals Hunderte Menschen, die ihre Tätigkeit als Selbstzweck empfanden, zu ihren Leidenschaften befragt: Kletterer, Tänzer, Schachspieler, Komponisten, Basketballspieler. Die Ergebnisse fasste Csíkszentmihályi 1975 in seinem Buch "Beyond Boredom and Anxiety" zusammen. Darin definiert er Flow als Zustand der glücklichen Selbstvergessenheit. Menschen kämen immer dann in diesen Zustand, wenn ihre Handlungen "einer internen Logik folgen, aber keiner bewussten Steuerung [...] unterliegen". Sie erlebten ihre Handlungen dann zwar noch bewusst, vergessen sich aber selbst über ihrer Aufgabe. Begleitet ist der Zustand laut Csíkszentmihályi vom einem positiven Gefühl der Kontrolle über sich selbst und die Situation.