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Interview: Gravis-Chef Archibald Horlitz über die Apple-Stores

Benedikt Tenhaven

Mit 28 Filialen und 760 Mitarbeitern ist Gravis Deutschlands größter Apple-Händler. In seiner Hochburg Berlin bekommt das Unternehmen demnächst unmittelbare Konkurrenz durch einen Apple-Store. Mac & i fragt beim Vorstandsvorsitzenden Archibald Horlitz nach, wie er das findet.

Derzeit liegt Apples Fokus auf anderen Ländern, allen voran dem boomenden China. Doch klar ist: Apple wird in jeder größeren deutschen Stadt einen Store eröffnen. Der hiesige Markt gilt als einer der wichtigsten der Welt. In allen deutschen Großstädten sind Makler auf der Suche nach geeigneten Immobilien. Da Apple sehr konkrete Vorstellungen von der Lokalität und der Ausstattung hat und zum Teil aufwendige Umbauten voraussetzt, zieht es sich zum Teil über Jahre hin, bis ein Apple-Store eröffnet. Erschwerend kommt hinzu, dass die in Deutschland mächtige Media-Saturn-Holding, mit ihren 80 bis 100 "Stores-in-Stores" ebenfalls Apple-Händler, einen beinharten Kampf um die besten Plätze führt. In den großen Einkaufszentren, in denen sie selbst Läden angemietet hat, duldet sie keine Konkurrenz durch Apple.

Noch gibt es hierzulande nur vier Apple-Ladengeschäfte. Dem ersten in München, das im Dezember 2008 [1] eröffnet wurde, folgte ein Jahr später ein Store im Hamburger Alstertal-Einkaufszentrum [2]. Nummer drei residiert in der Frankfurter "Fressgass [3]" und der vierte im Centro in Oberhausen, einer großen Mall. Für einen neuen Store in der Dresdner Altmarkt-Galerie sucht Apple bereits Personal und auch in Berlin scheint der nächste Store ausgemachte Sache zu sein – auf dem Kurfürstendamm [4]. Darüber hinaus wird über Stores auf dem Hamburger Jungfernstieg, in Köln, Düsseldorf und Stuttgart spekuliert. Erst danach dürften weitere größere deutsche Städte folgen.

Einen ausführlichen Bericht über den Erfolg der Apple-Stores bringt die erste gedruckte Ausgabe von Mac & i, die ab 26. Februar im Handel erhältlich ist.

Als Deutschlands führende traditionelle Apple-Handelskette beobachtet Gravis die Entwicklung der hiesigen Apple-Stores sehr genau. Mac & i sprach in Berlin mit dem Vorstandsvorsitzenden.

Mac & i: Herr Horlitz, Apple wird in den kommenden Monaten in Berlin am Kudamm, fünf Autominuten vom Gravis-Flagship-Store entfernt, einen eigenen Store eröffnen. Bereitet es Ihnen Sorgen, dass Apple mit seinen Läden in einen direkten Wettbewerb zu Gravis tritt?

Horlitz (rechts) mit Pascal Cagni, dem Europachef von Apple, bei der Eröffnung des Gravis Flagship Store in Berlin 2007

Horlitz: Wenn ein Apple Store wie in München und Frankfurt – und demnächst wohl auch in Berlin und Hamburg – nur einen Steinwurf von unseren Stores entfernt eröffnet werden, dann ändert sich schon das Einkaufsverhalten der Kunden. Und dann spüren wir auch den lokalen Einfluss. Wir werden künftig versuchen zu vermeiden, dass wir unmittelbar Tür an Tür mit Apple sitzen. Und eine Großstadt wie Berlin verträgt auch mehr als nur einen Store. Aber bevor Apple in Berlin einen Store aufmacht, haben wir möglicherweise schon drei.

Wir haben nichts gegen Konkurrenz, auch nicht durch Apple selbst. Das muss aber fair ablaufen – insbesondere was die Verfügbarkeit von begehrten Waren angeht. Im Großen und Ganzen funktioniert das vernünftig. In Einzelfällen wurden aber schon mal Partner benachteiligt, etwa bei bestimmten MacBook-Modellen oder beim iPhone. Das sehe ich als äußerst kritisch an. Das ist Wettbewerbsverzerrung, und zwar in hohem Maße. Bisher sind die Effekte moderat. Aber beim iPhone spüren wir das schon sehr deutlich.

Mac & i: Profitiert nur Apple von den jüngsten Produkterfolgen – oder bekommen die Partner auch etwas ab?

Horlitz: Apple bringt mit seinen tollen Produkten wie dem iPad, aber auch mit seinen Apple Stores den gesamten Markt nach vorne. Auch wir sind im Jahr 2010 um 20 Prozent gewachsen und machen einen Umsatz von rund 175 Millionen Euro.

Apple ist in den USA das zweitwertvollste Unternehmen und dominiert weltweit den Musikmarkt. Dazu gehört auch, dass ein Unternehmen sich nicht versteckt, sondern sich zeigt. Das ist unabdingbar und ganz normal. Sich gegen diesen Trend zu stellen wäre unvernünftig und nicht nachzuvollziehen. Das Schöne ist, dass sich der Marktanteil von Apple ständig ausweitet. Und das Gros der Verkäufe von Apple findet nicht in den Apple-Stores selbst statt, sondern bei den Partnern.

Apple hat in jüngster Zeit die Margen gesenkt, um Marktanteile auszubauen. Bereitet diese Strategie Gravis Schwierigkeiten?

Gravis-Chef Archibald Horlitz: "Apple muss sich zeigen"

Wenn Apple in Zukunft auch qualifizierte Vertriebsstrukturen einsetzen möchte, dann muss es seinen Partner auch ein entsprechendes Auskommen und eine entsprechende Marge ermöglichen. Ein iPad ist ein Produkt, das ähnlich beratungsintensiv ist wie ein herkömmlicher Computer. Daher müsste hier die Margenstruktur auch ähnlich sein wie bei einem Computer und nicht wie bei einem iPod, den man ohne intensive Beratung verkaufen kann. Ich muss niemandem erklären, was ein MP3-Player ist und wie der funktioniert. Das iPad ist eine ganz neue Geräteklasse, die dramatische Auswirkungen auf unsere Industrie haben wird. Wenn man als Händler an einem iPad 40 bis 50 Euro verdient, kann man sich freuen. Beim Zubehör ist die Marge etwas besser. Erst dadurch rechnet es sich überhaupt, ein solches Produkt zu verkaufen, wenn man Beratungsleistungen mit anbietet.

Gravis betreibt derzeit 28 Filialen bundesweit. Ende 2012 sollen es 50 sein. Haben Sie sich bei der Gestaltung der Gravis Stores von den Apple Stores beeinflussen lassen?

Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Wenn Sie einen Gravis Store sehen würden, so wie wir ihn Ende der neunziger Jahre gebaut haben, dann würden Sie sehen, dass die Möbel exakt dem entsprechen, was Sie heute in einem Apple Store vorfinden. Wir sind da einen deutlichen Entwicklungsschritt weiter gegangen als Apple. Bei uns stehen keine schlichten Holztische mehr. Wir haben versucht, eine eigene Gravis-CI zu schaffen, die sich deutlich von der Apple-CI unterscheidet. So sind in unseren Läden wesentlich mehr Zubehörteile zu finden, die wir unmittelbar in der Nähe der Hauptprodukte platzieren. Außerdem bieten wir mehr als nur Apple-Produkte an. Wir verkaufen Digital Lifestyle im weitesten Sinne, also beispielsweise die Integration solcher Produkte ins heimische Wohnzimmer.

Sie haben also keine Angst vor dem direkten Wettbewerb mit Apple?

Mir würde dann bange werden, wenn Apple seine Innovationskraft verliert – und nicht, wenn irgendwo ein Apple Store aufmacht. Solange Apple so wunderbare Produkte wie das iPad herausbringt, habe ich keine Angst vor der Zukunft.

Als Steve Jobs im Januar 2010 zum ersten Mal ein iPad in die Höhe hielt und sagte: "It’s a magical device!" da hatte ich wie viele andere zunächst Zweifel. Es gab ja schon zig Versuche, einen Tablet-Computer auf den Markt zu bringen. Doch als ich das Gerät zum ersten Mal in der Hand hielt, war mir klar, dass Jobs recht hatte. Noch nie in den vergangenen 30 Jahren der Geschichte der Unterhaltungselektronik hat eine neue Geräteklasse innerhalb von drei Monaten so klar eingeschlagen – gerade in Deutschland. Und wir Deutschen sind ja sonst eher konservativ und zurückhaltend. (se [5])


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Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/news/Haendler-fuerchten-Apples-Retail-Vorstoss-218671.html
[2] https://www.heise.de/news/Zweiter-deutscher-Apple-Store-eroeffnet-in-Hamburg-753737.html
[3] https://www.heise.de/news/Apfel-Laden-eroeffnet-auf-der-Frankfurter-Fressgass-911741.html
[4] https://www.heise.de/news/Bericht-Apple-Store-Berlin-am-Kurfuerstendamm-1169888.html
[5] mailto:se@ct.de